Wie elektrostatische Entladung im Labor verhindern?
Hallo liebe Chemiker,
ich werde demnächst anfangen von meinen recht harmlosen chemischen Experimenten auf Experimente mit relativ gefährlichen Verbindungen "umzusteigen". Das beinhaltet das Handhaben mit niedrigsiedenden Verbindungen wie Diethylether mit geringen Zündtemperaturen. Nun habe ich in den Sicherheitsdatenblättern dieser leicht entflammbaren und potenziell explosiven Substanzen gelesen, man solle für ausreichende Erdung sorgen bevor man solche Flaschen auch nur öffnet.
Da ich sowas noch nie gemacht habe würde ich gerne wissen wie man so etwas macht. Eine elektrostatische Entladung bei solchen Substanzen zu verhindern scheint mir aus Sicht des Risikomanagements am wichtigsten zu sein, allein schon um meine Mitmenschen zu schützen. Ich hoffe ihr könnt mir da helfen.
Vorsichtige Grüße,
inkognito
2 Antworten
Es gibt solche Erdungsarmbänder. Das hängst du dir ans Handgelenk, verbindest es mit einer Erde (z.B. Schutzleiter) und schon wirst du über einen hochohmigen Widerstand auf Erdpotential gehalten. Wenn du keins kaufen willst, sollte ein Kupferdraht, den du dir ums Handgelenk wickelst und über einen 10MOhm Widerstand erdest, auch funktionieren.
Zusätzlich gibt es dann noch Antistatik-Mappen, die du als Unterlage verwenden könntest, oder Antistatik-Spray, den du auf Oberflächen sprühen kannst, sodass sie schwach leitfähig werden und sich nicht mehr elektrostatisch aufladen können.
Ob das jetzt wirklich nötig ist für einen sicheren Umgang weiß ich nicht.
Also um ehrlich zu sein, macht da niemand was spezielles für. Diethylether ist so mit das ungefährlichste was es hier im Labor gibt und wird gehandhabt wie Wasser, ums mal überspitzt zu formulieren.
Wie WASSER?! Echt? Also ich weiß ja nicht ob eine Substanz mit einer Siedetemperatur von 35° und einer Zündtemperatur von 160° deren Gase am Boden akkumulieren und überraschend lange Strecken zu Hitzequellen zurück legen können, wie Wasser gehandhabt werden sollten. Also ich seh das so: je niedriger die Siede- und Zündtemperatur einer entzündlichen Substanz, desto mehr sollte man aufpassen. Oder wie seht ihr das?
Überspitzt gesagt, aber ja. Sowohl die Abzüge als auch das Labor selbst haben eine dauerhafte Lüftung, da akkumuliert sich nichts. Solange du kein Feuerzeug direkt an die Flasche hältst kann da nichts passieren.
Es stehen auch Flaschen mit Ether auf der Bench rum für Kühlbäder zum Beispiel. Stinkt immer etwas wenn mein Labornachbar welche benutzt, aber mehr auch nicht.
Wir haben auch Aceton in Spritzflaschen, die in der OC sogar DCM (letzteres find ich auch etwas fragwürdig).
Ok interessant. Mal ne ganz andere Frage weil du dich so gut auskennst: kann Aktivkohle Gase von Lösungsmitteln gut adsorbieren? Ich frage deshalb weil es auf Amazon so Lüfter mit Aktivkohlefilter eingebaut gibt die zwar für Lötrauch eingesetzt werden, aber ich habe mich gefragt ob ich so ein Teil in meinem kleinen Hobbylabor im Keller als günstige Abzugalternative einsetzen kann, vorausgesetzt der AKF taugt tatsächlich darin die ganzen Lömigase, usw. aus dem Becherglas zu filtern. Nicht dass da am Ende der ganze Keller voll mit explosiven Gasgemischen ist. Das Problem ist, dass man im Inet nirgends finden kann welche gasförmigen Verbindungen Aktivkohle eigentlich alles filtern bzw. adsorbieren kann. Man weiß also nicht ob AKFs z.b. Benzolgase filtern, aber nicht Toluol filtern oder nur bis zu einem gewissen Grad aus der Atmo filtern können. Daher wollte ich dich mal kurz diesbezüglich fragen weil du vielleicht was dazu weißt. Wenn nicht, dann bin ich halt gezwungen die ganzen Gase die beim Umkristallisieren entstehen mittels Kolbenprober einzufangen und draußen raus zu drücken. Nicht ganz stilvoll, aber was tut der arme Chemiker nicht alles um daheim seiner Leidenschaft nachzugehen...
Glaube das kommt auf die Filterklasse an, aber genau weiß ich das auch nicht. Sicher ist auf jeden Fall, dass die den Raum nicht Lömi frei kriegen. Selbst wenn sie das adsorbieren könnten, wäre das keine Alternative zu einem Abzug, weil die auch keine unbegrenzte Aufnahmefähigkeit haben und auch nicht direkt alles aufsaugen. Schau dir Dunstabzugshauben an. Es riecht in der Küche trotzdem noch voll nach Essen, selbst wenn die laufen. Der Dampf fliegt halt überall hin.
Jap hast recht. Dann werd ich halt meine Kolbenprober benutzen bis ich genug Kohle angespart habe um mir eine Abzugshaube + Installation leisten zu können. Danke nochmal für alles und einen schönen Sonntag noch...
Immer gern. Was hast du denn überhaupt vor, wenn ich fragen darf?
Ich habe vor kurzem auf Ebay eine antiquarische Ausgabe des Buches "Hager's Handbuch der pharmaceutischen Praxis" (1895 glaub ich) erworben und möchte gerne einige der Darstellungen umsetzen (Wintergrünöl, Acetalum sowie einige der Aphrodisiaka...hehe). Mir gefällt die Vorstellung mein eigenes kleines Privatapothekarium daheim zu haben um mich selbst zu behandeln. Hab mir sogar schon so coole, braune old school Apothekerflaschen besorgt die ich dann befüllen und in meine Glasvitrine stellen werde. Ich hab als Organiker vor einiger Zeit eine Faszination für die pharmazeutische Chemie entwickelt. Aktuell lese ich diesbezüglich auch das kürzlich erschienene Buch Wirkstoffdesign von Gerhard Klebe (kann ich dir nur empfehlen, auch wenn du keine Pharmakopöen darstellen willst).
P.S.: ich will auch privat Forschung betreiben um herauszufinden ob Medikamente als Hydrobromidsalze die Bioverfügbarkeit im Gegensatz zu Hydrochloriden erhöhen können.
Wow, sehr hilfreich die Antwort. Danke! Werd ich mir per Copy-Paste als Referenz gleich mal speichern für die Zukunft.