Wenn Wasser so gut Strom leitet warum kann man dann einfach im Meer baden gehen?

7 Antworten

„Wenn Wasser so gut Strom leitet ……“

Wer oder was bringt Dich auf diesen verkehrten Gedanken? Wasser ist ein ausgesprochener elektrischer Isolator, leitet also praktisch so gut wie gar nicht, zumindest soweit es sich um reines Wasser handelt. Durch den Zusatz von Mineralien (Salze, Säuren, Laugen) wird es ionisiert und damit sehr schwach elektrisch leitend, sehr schwach zumindest im Vergleich der elektrischen Leiter in unserer alltäglich gebräuchlichen Elektrotechnik:

Ich setze hier einmal zur Vereinfachung den spezifischen elektrischen Widerstand (Kehrwert der spezifischen Leitfähigkeit) von Kupfer auf den Referenzwert 1 und gebe für die spezifischen elektrischen Widerstände anderer Leiter die jeweiligen Multiplikationsfaktoren an. So kommt dann reines Wasser auf den Faktor 50 Billionen. Das bedeutet, der Widerstand des reinen Wassers ist 50 Billionen mal so groß wie der des Kupfers, bzw. Kupfer leitet 50 Billionen mal so gut wie das reine Wasser. Diese Vergleiche beziehen sich immer auf den gleichen Querschnitt und die gleiche Länge des Leiters. Die doppelte Länge führt zum doppelten Widerstand, und der doppelte Querschnitt zur Halbierung des Widerstandes.

In diesem Sinne ergibt sich – leicht gerundet - für Meerwasser der Faktor 25 Millionen, d.h. bei gleicher Leiterlänge und gleichem Leiterquerschnitt ist der Widerstand von Meerwasser 25 Millionen mal so groß wie bei Kupfer. Selbst das salzige Meerwasser ist also ein sehr kümmerlicher elektrischer Leiter. Weiterhin ergeben sich folgende Vergleichswerte:

Reinwasser 50 Billionen, Leitungswasser 1 Milliarde, Meerwasser 25 Millionen und feuchter Sand nur 10 000.

Feuchter Sand leitet also schon 2 500 mal so gut wie Meerwasser. Damit zurück zur Frage:

„Theoretisch müsste doch wenn irgendwo auf der Welt im Ozean ein Blitz einschlägt das einmal quer durch den Ozean weitergeleitet werden.“

Warum ausgerechnet „quer durch den Ozean“, wo doch der Erdboden tausendfach besser leitet? Deiner Überlegung zufolge müsste ja ein einziger Blitzschlag in den Boden fast alle Menschen der Welt töten, die nicht gerade zufällig an einem Fallschirm baumeln!

Soweit oberflächlich betrachtet, müsste man eigentlich im Meerwasser besser geschützt sein als an Land. Doch weit gefehlt! Gerade gestern schlug ich an einem Badesee gegenüber Schwimmfreudigen Alarm wegen des herannahenden Gewitters und erklärte das gleich neugierig zulaufenden Badegästen:

„Warum kann man dann einfach im Meer baden gehen?“

Zunächst ist zu beachten, dass der elektrische Entladungsstrom des Blitzes nicht flach über die Erdoberfläche geleitet wird, sondern in die Tiefe der Erde. Die elektrische Spannung gegenüber der Erde nimmt deshalb mit dem Quadrat der Entfernung ab. Je größer die Entfernung vom Einschlagsort, umso kleiner wird also das Schadensrisiko. In dem Spannungstrichter treten Schrittspannungen auf, kurz gesagt elektrische Spannungen („Spannungsabfälle“ durch den Bodenwiderstand) zwischen den Füßen am Boden, besonders wenn die Füße weit auseinander stehen wie bei den Kühen auf der Weide. Nun zur obigen Frage

„Wie viele Kilometer könnte so ein Blitz noch gefährlich sein?“

Konkrete Vorschläge für die schadlose Entfernung unter allen denkbaren Umständen kann ich aus dem Kopf hier nicht angeben, und mit Schätzungen bin da lieber zurückhaltend. Bei kilometerweiten Abständen ist man zumindest mit Sicherheit aus der Gefahrenzone heraus.

Soweit verbreite ich ziemlich bekannte Binsenweisheiten. Doch die üblichen Kommentatoren dazu vergessen nach meinen Beobachtungen durchweg zwei wichtige Zusammenhänge, weswegen vielen Leuten einiges rätselhaft bleibt:

Warum ist bei Gewitter der Aufenthalt im Wasser nun viel gefährlicher als an Land?

Der Badegast im Meerwasser mit den Füßen auf dem nassen Boden hat zunächst schon das volle Risiko des Beobachters an Land (der Schwimmer schon weniger), dazu kommen weitere Risiken: Zunächst bietet der aus dem flachen Wasser herausragende Kopf dem Blitz weithin eine seltene, willkommene Ableitung in den nassen Boden (Siehe "Blitzfangeinrichtung"). Doch es kommt noch viel schlimmer!

Bei Stromunfällen wie z.B. im Haushalt berührt das Opfer gewöhnlich einen Kupferleiter mit einer Kontaktfläche in der Größenordnung von etwa 1 Quadratmillimeter. Da ist beim Badegast die Berührungsfläche zwischen Wasser und nass aufgeweichter Haut schon schätzungsweise millionenfach größer. Das verringert schon gewaltig den Übergangswiderstand. Doch es kommt noch viel schlimmer!

Auch Salzwasser ist ein vergleichsweise schwacher elektrischer Leiter. Doch der Vergleich bezieht sich auf den gleichen Leiterquerschnitt. Der bewegt sich Stromunfall im Haushalt in der Größenordnung von 1 Quadratmillimeter, im Meer dagegen theoretisch in der Größenordnung von Quadratkilometern. Unter der Berücksichtigung vergrößert sich die Stromstärke theoretisch rechnerisch schon auf das Trilliardenfache. Das beeinflusst auch den lebensgefährlichen Körperstrom, also den Strom durch den menschlichen Körper, worauf es hier ankommt. Das mag hier rechnerisch sehr stark vereinfacht sein. Es verdeutlicht aber die akute Lebensgefahr für Badegäste bei Gewitter!

Alles klar soweit, oder noch Fragen dazu?

dompfeifer  11.09.2021, 14:20

Beim Baden in offenen Gewässern (zu Badewannenunfällen habe ich mich hier schon andernorts ergiebig ausgelassen) ist auch davor zu warnen, darauf zu warten, bis das Gewitter ganz nah ist: Gewitter beschämen mit ihrer Sprunghaftigkeit manchmal sogar die Flöhe. Gelegentlich raufen sich auch mehrere Gewitter zusammen, aber keinesfalls als Koalitionspartner, sondern schon mehr als Raufbolde.

Das erinnert mich an den alten Volksschauspieler Willi Millowitsch, der das in einer TV-Komödie einmal mit einer schnippischen Randbemerkung verdeutlichte. Millowitsch hatte die seltene Gabe, womöglich abweichend vom Drehbuch, mit flüchtigen kleinen Anmerkungen "große Worte gelassen auszusprechen":

"Da zogen sich über mir gleich drei Gewitter auf einmal zusammen. Und die haben noch miteinander Zoff gekriegt!"

Das trifft die Sache tatsächlich. Gewitter entladen sich nicht vorzugsweise gegenüber der Erde (sog. "Bodenblitze", meistens negativ geladen), sondern mehr "gegeneinander". Die meisten großen atmosphärischen elektrischen Potentialdifferenzen treten nicht gegenüber der Erde auf, sondern zwischen den einzelnen Wolkenschichten. Die entladen sich bei ihrem "Zoff" dann laut und grell mit Musik und Leuchtreklame.

Und weil diese elektrischen Potentialdifferenzen in der Atmosphäre räumlich ziemlich chaotisch verstreut auftreten, fahren die Blitze auch ihren bekannten Zickzack-Kurs, bei dem sie gelegentlich auch den Erdboden treffen. Damit verletzen Blitze die landläufige Regel, derzufolge der Blitz immer "auf dem kürzesten Weg zum Boden" sein sollte.



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Ein Blitzschlag ist gefährlich - genauso wie ein Stromschlag z. B. bei S-Bahn-Surfern, Badewannensurfern und ähnlich leichtsinnigen Leuten - wenn der Strom durch den Menschen geht.

Die Wassermasse im Ozean ist so groß, dass der Blitz in kurzer Entfernung schon quasi geerdet, hier also gewassert wird (Meerwasser hat genug gelöste Stoffe, also genug leitende Ionen...) - sprich die, wenn auch noch so große, Ladung verteilt sich ...

Ganz einfaches "Modell": kochendes Wasser ist gefährlich, irgendwo bei Irland aber 100.000 Liter davon ins Wasser gekippt, wirst Du an der schottischen Küste nimmer merken ;-)

Wer sagt das, dass Wasser gut leitet? Wasser leitet zwar Strom, aber nicht gut. Salzwasser besser, aber immer noch nicht gut. Destiliertes Wasser leitet so gut wie gar kein Strom.

Oder schwächt das Signal mit der Entfernung ab?

So ist es. Überleg' mal, wie die "Strommenge" des Blitzes sich auf die Umgebung verteilt. Und stell Dir vor, wie viele Orte auf der Welt genau so weit von der Einschlagstelle entfernt sind wie der Strand, an dem Du ins Wasser steigst.

Also Wasser leitet Strom gar nicht, sondern die Mineralien im Wasser. Und Wasser ist ein sehr schlechter Leiter.

Um Deine Frage zu beantworten: DIe Leitfähigkeit von Meerwasser liegt bei 56 mS/cm.

iSolveProblems  10.09.2021, 10:16

Ja, absolut korrekt. Viele denken Wasser sei ein guter Leiter, aber reines Wasser ist tatsächlich ein schlechter Leiter

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