Wellen sind ja periodische Bewegungen von Teilchen. Aber was wird bei Gravitationswellen bewegt?

7 Antworten

Hallo rostschuh1,

Gravitationswellen sind für die Gravitation in etwa das, was elektromagnetische Wellen für die elektromagnetische Wechselwirkung sind.

...was wird bei Gravitationswellen bewegt?

Die Raumzeit. Genauer: Die Metrik*) der Raumzeit ändert sich periodisch. Gravitation ist ja die innere Krümmung der Raumzeit.

Fernab schwerer Massen hat die Metrik der Raumzeit die Form

(1.1) dτ² = dt² − (dx² + dy² + dz²)⁄c²

in Cartesischen Koordinaten und

(1.2) dτ² = dt² − (dr² + r²dΩ²)⁄c²

in entsprechenden Sphärischen Koordinatensystem; dabei habe ich für die Quadrate der tangentialen Koordinatenänderungen (also entlang einer gedachten Kugelfläche um den Ursprung herum) die Abkürzung

(1.3) dΩ² := dθ² + sin²(θ)dφ²

eingeführt.

Eine kugelsymmetrische Massenverteilung der Gesamtmasse M um den Ursprung verzerrt die Raumzeit außerhalb von ihr zu

(2.1) dτ² = dt²q² − (dr²/q² + dΩ²)⁄c²

mit dem SCHWARZSCHILD-Faktor

(2.2) q := √{1 − 2м⁄r} := √{1 − 2GM⁄c²r},

wobei G die Gravitationskonstante ist.

Auch beschleunigte Massen verzerren die Raumzeit, und zwar so, dass sich diese Verzerrung als Gravitationswellen durch den Raum ausbreiten.

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*) Eine Metrik setzt Differenzen in Koordinaten mit einem Abstand in Beziehung. Auf einem Blatt Papier mit zwei Punkten P₁ mit den Koordinaten x₁ und y₁ und P₂ mit den Koordinaten x₂ und y₂ sind dies Δx = x₂ − x₁ und Δy = y₂ − y₁, und das Quadrat des Abstandes ist Δs² = Δx² + Δy² (Satz des PYTHAGORAS). Sind die Punkte sehr eng benachbart, schreibt man ds² = dx² + dy².

Verwenden wir Polarkoordinaten, ρ und φ, sind die Koordinatenlinien krummlinig, und wir müssen sehr eng benachbarte Punkte betrachten: ds² = dρ² + ρ²dφ².

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT
NetterGau  12.07.2023, 19:58

"dτ² = dt² − (dx² + dy² + dz²)⁄c²" Herleitung?

"dΩ² := dθ² + sin²(θ)dφ²" Herleitung?

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SlowPhil  12.07.2023, 23:05
@NetterGau

Das zweite ist eine Definition, um Schreibarbeit zu sparen. Die bedarf keiner Herleitung.

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NetterGau  13.07.2023, 21:18
@SlowPhil

Ich habe wirklich keine Ahnung davon, würde es gerne verstehen. Hast du irgendwie Links, womit man sich beschäftigen kann, um dann das zu verstehen?

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SlowPhil  14.07.2023, 01:05
@NetterGau
Ich habe wirklich keine Ahnung davon, würde es gerne verstehen.

Es geht um Koordinatendifferenzen, Entfernungen und die Beziehung zwischen ihnen. Die Beziehung zwischen Koordinatendifferenzen zwischen zwei Punkten auf einer Fläche/ im Raum/ in der Raumzeit (in diesem Fall geht es um punktuelle Ereignisse) und ihrer Entfernung – die natürlich nicht vom Koordinatensystem abhängt – wird and Metrik bezeichnet.

Die Strecke der Länge Δs zwischen zwei Punkten auf einem Blatt Papier lässt sich als Diagonale eines Rechtecks auffassen, dessen Seiten parallel zu den Koordinatenachsen eines Cartesischen Koordinatensystems liegen, mit dessen Hilfe man die Lage jedes Punktes durch zwei Zahlen angeben kann. Die Längen Δx und Δy der Seiten sind die Koordinatendifferenzen, und für die Beziehung zwischen Δs einerseits und Δx und Δy andererseits gilt

(1) Δs² = Δx² + Δy²,

was nichts anderes ist als der Satz des PYTHAGORAS. Zugleich heißt (1) auch die Euklidische Metrik.

Koordinatenlinien können allerdings krummlinig sein, etwa, wenn man sog. Polarkoordinaten (Entfernung vom Koordinatenursprung und Winkel mit der +x-Achse) benutzt. Dann lässt sich (1) nur noch für sehr eng benachbarte Punkte anwenden, und man schreibt

(2) ds² = dx + dy².

Hast du irgendwie Links, womit man sich beschäftigen kann...?

Ich würde es im Zweifel mit Wikipedia versuchen, aber vielleicht gibt's bessere.

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NetterGau  14.07.2023, 19:12
@SlowPhil

okay, aber wie geht es weiter, wie komme ich dann weiter, um deine antwort dort zu verstehen?

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Wellen sind ja periodische Bewegungen von Teilchen.

das ist bei Wasserwellen, Schallwellen und anderen Wellen in einem Trägermedium so. Bei der elektromagnetischen und der gravitativen Wechselwirkung ist das aber nicht so. Hier gibt es kein Trägermedium. Statt dessen gilt der Welle-Teilchen-Dualismus:

Welle und Teilchen sind hier nur zwei Sichten auf das Gleiche im Sinne der Unschärferelation. Erzwingt man experimentell Ortsschärfe, hat man Teilchen, erzwingt man Impulsschärfe*, hat man Wellen. Anders gesagt: das Absolutquadrat einer Wellenfunktion an einem Ort ist die Wahrscheinlichkeitsdichte, dort ein Teilchen "anzutreffen".

*) der Impuls hängt direkt mit der Wellenlänge zusammen. Wirklich genau kann man die Wellenlänge aber nur bei einem unendlich langen Wellenzug messen - je kürzer der Wellenzug, desto genauer der Ort, desto unschärfer die Wellenlänge und damit der Impuls.

rostschuh1 
Fragesteller
 02.07.2023, 12:02

Hi, danke Dir für Deine Antwort.

Hat der zweite Absatz etwas mit diesem Potenzialtopf zutun?

Tut mit leid für das dumme Fragen, hab das aber morgen im Abi :/

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hologence  02.07.2023, 17:43
@rostschuh1
Hat der zweite Absatz etwas mit diesem Potenzialtopf zutun?

nein, mit der Unschärferelation.

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Wellen sind ja periodische Bewegungen von Teilchen.

Wellen sind periodische Schwingungen. Punkt.

Hierbei ist in Teilchenwellen (z. B. Wasser) und Energiewellen (z. B. Licht, Gravitation) zu unterscheiden.

Teilchenwellen breiten sich in einem Medium aus.

Energiewellen können sich auch im Vakuum ausbreiten. Es ist also gewissermaßen der Raum selbst der schwingt bzw. dessen punktuelle Eigenschaften (Felder), die sich periodisch verändern.

Wellen sind ja periodische Bewegungen von Teilchen.

Nein. Wellen sind mathematisch beschrieben durch die periodische Veränderung von "etwas". Weder "Bewegung" noch "Teilchen" ist da erforderlich.

Aber was wird bei Gravitationswellen bewegt?

Hier wird es dann kompliziert. Denn dazu ist Mathematik erforderlich, die die meisten Mathematikerinnen und Mathematiker (incl. mir) nicht mal im Studium lernen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Gravitationswelle

Gravitationswellen lassen sich mathematisch beschreiben als Fluktuationen des metrischen Tensors, eines Tensors zweiter Stufe. Die Multipolentwicklung des Gravitationsfelds beispielsweise zweier einander umkreisender Sterne enthält als niedrigste Ordnung die Quadrupolstrahlung.
...
Gravitationswellen sind analog zu elektromagnetischen Wellen Transversalwellen. Aus Sicht eines lokalen Beobachters scheinen sie die Raumzeit quer zu ihrer Ausbreitungsrichtung zu stauchen und zu strecken. Sie haben ebenfalls zwei Polarisationszustände. Es gibt auch bei ihnen Dispersion.

usw.

Nein, nicht nur. Es gibt auch elektromagnetische Wellen. Die benötigen kein Medium, in dem sie sich fortbewegen. Ähnlich stell ich mir das bei Gravitationswellen vor.