Welche Nachrichtenquelle ist am glaubwürdigsten?

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Gegenfrage: Gibt es überhaupt die objektive Wahrheit? Ich behaupte, dass man jeden (politischen) Sachverhalt von einem anderen Blickwinkel aus betrachten kann und je nach Betrachtung kommt dann am Ende auch ein anderes Gesamtbild heraus. Die meisten Zeitungen in Deutschland verbreiten ja nicht absichtlich Lügen, aber sie gewichten die jeweiligen Themen auf verschiedene Weise bzw. analysieren sie von unterschiedlichen Standpunkten aus.

Ein kleines Beispiel: Wenn es um irgendwelche Freihandelsabkommen geht oder darum, dass die deutsche Wirtschaft wieder einmal eine Produktionssteigerung verzeichnet hat - dann wird die wirtschaftsliberale FAZ oder Die Welt das sicherlich vom "Volkswirtschafts-Nutzen-Standpunkt" aus betrachten und deshalb als positiv darstellen. Dies ist ein Standpunkt, ein Blickwinkel, den man auf die Sache haben kann. Linksgerichtete Zeitungen wie in etwa die taz oder Der Freitag setzen andere Prioritäten und beleuchten das gleiche Thema vom "Gemeinwohl-Menschenrechts-Umweltschutz-Standpunkt". Hier finden dann vielleicht eher die problematischen Seiten der Medallie Erwähnung, also dass von den Freihandelsabkommen in erster Linie Konzerne profitieren, dass Arbeiter der Dritte-Welt-Länder ausgebeutet werden, dass Umweltstandarts durch Schiedsgerichte umgangen werden können usw.

Du merkst also, die jeweilige politische Ausrichtung der Zeitung ist ausschlaggebend dafür, von welchem Blickwinkel ein Thema beleuchtet wird bzw. welche Themen überhaupt in welcher Häufigkeit und Artikelgröße Erwähnung finden. Und natürlich, von welchen Politikern/öffentliche Personen Gastbeiträge abgedruckt werden (in der FAZ wirst du deutlich mehr Beiträge von CDU-Leuten oder Bankern finden als in der WAZ oder FR, wo wiederum häufiger SPD-Leute oder Gewerkschaftler zu Wort kommen) und was für Kommentare die Redakteure im Meinungs-Teil schreiben.

Von daher kann man nicht per se sagen, diese Zeitung ist besser als diese. Es hilft einem am meisten, wenn man bescheid weiß, welche politische Ausrichtung die jeweilige Zeitung hat. Dann ist man nicht manipulierbar und kann sich selbst eine eigene Meinung bilden. Du musst halt Prioritäten für dich setzen. Welche Werte sind dir am wichtigsten? Und dann würde ich mich über eine Zeitung informieren, die diesen Werten entspricht, weil die politischen Themen dann natürlich von diesen Werten ausgehend betrachtet werden.

Für mich sind globale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie ganz zentrale Werte. Ich wünsche mir eine Welt, in der es einen gerechten Welthandel gibt und keine Ausbeutung der reichen Staaten des Nordens gegenüber der ärmeren Südhälfte. In der die parlamentarischen Demokratien über die Veränderungen der Welt bestimmen und nicht die immer mächtiger werdenen Großkonzerne, die ihre Steuern nicht bezahlen. Ich wünsche mir, dass sich die ärmeren Länder entwickeln können und ausländische Militäreingriffe sowie Waffenexporte gestoppt werden, damit es endlich weniger Kriege gibt. Ich wünsche mir ein ökologisches Wirtschaftssystem, das nicht durch grenzenloses Wachstum und den damit verbundenen steigenden Konsum immer mehr Umweltschäden produziert. Auf nationaler Ebene wünsche ich mir, dass Bedingungen geschaffen werden, unter denen die Menschen glücklicher werden. Weniger Konsum und Materielles, weniger Gegeneinander und Konkurrezkampf - mehr soziale Kontakte, mehr Miteinander, mehr Solidarität, mehr Toleranz.

Weil mir diese Dinge wichtiger sind als der egoistische nationale Wirtschaftsnutzen (und damit verbunden z.B. Steuererleichterungen, die die soziale Ungleichheit vorantreiben, noch mehr Macht für Konzerne durch Deregulierungen, Einflussvergrößerung von Lobbyisten...), kaufe ich mir keine FAZ oder Die Welt, weil die mir eben nur die Vorzüge des Wirtschaftswachstums und freien Marktes präsentieren. Aber das sind natürlich nur meine persönlichen Werte, wenn deine anders sind, dann ist auch das legitim.


noblehostel 
Fragesteller
 19.11.2017, 13:38

Danke  für die ausführliche und fundierte Antwort.

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charismaticus  20.11.2017, 09:29
@noblehostel

Gerne! Danke auch für die Auszeichnung zur hilfreichsten Antwort.

Falls weitere Fragen vorliegen, z.B. dazu, welche Zeitung welcher politischen Richtung zugehörig ist, kannst Du mich gerne ansprechen. LG

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Um vollständiger informiert zu sein, als es einem in Deutschland ermöglicht wird, muss man auch ausländische Zeitungen lesen. 

Ich lese in niederländisch: Elseviers Weekblad, De Telegraaf, Trouw, und ab und zu die belgische Standard.

In Französisch lese ich Le Monde,

In Englisch eine Mischung von alles mögliche: Guardian, Washingtonian, Economist, Political Review, The Boston Globe, etc.

In Deutsch bekomme ich täglich online "Deutsche Wirtschaftsnachrichten", die zumindest keine Hofberichtserstattung liefern, sondern kurz und prägnant die Nachrichten des Tages ansprechen. Wenn ich dazu Hintergrundwissen brauche, schlage ich bei den ausländischen Zeitungen nach, oder kaufe mir Bücher.

Ich habe, vor allem in den beiden letzten Jahren, immer wieder gesehen, wie lückenhaft die deutsche "Mainstream-medien", Fernsehen inklusive, berichten. Ein Beispiel nur: die Straßenschlachten und die Ausschreitungen, schwere Brandanschläge und Plünderungen in Brüssel in der vergangene Woche wurden in Deutschland nur in einem kurzen Bericht in der FAZ dargestellt. Von "Unruhen" ist da die Rede. Das Ausmaß der Vernichtung wurde nicht näher beschrieben. Andere Zeitungen verschweigen die Lage, da die Teilnehmer ausnahmslos randalierende Afrikaner waren, und man möchte ja in Deutschland keine "Vorurteile schüren oder begünstigen". 

Wenn man wissen will, was in Europa los ist, und wie die Europäische Nachbarn Deutschland und seine Politik beurteilen, darf man sich nicht auf deutschen Medien verlassen. 

Das Fernsehen schalte ich nur noch sporadisch an. Immer wieder schaue ich mal einer einer der vielen Politik-Talkshows rein, aber so bald ich spüre, dass die Moderatoren nicht neutral sind, und die Sendung wieder als Propagandaplattform benutzt wird, schalte ich aus. Das ist meistens nach 5-7 Minuten der Fall.

Die Deutsche Zeitungen, die klassische Printmedien, müssen jährlich ihre Auflage reduzieren. Das tröstet mich, zeigt es doch, dass einen Teil der Leser zumindest so aufgeklärt ist, dass sie die Schieflage in der Berichterstattung bemerken, und darauf reagieren. Die einzige Zeitung die 2016 ihre Auflage um 13,2% steigern konnte, und auch in diesem Jahr wieder zweistellig zugewinnen wird, ist die Junge Freiheit.

Hier eine lange Übersicht über die Entwicklungen der Zeitungen.

http://meedia.de/2016/04/20/ivw-blitz-analyse-zeitungen-welt-stuerzt-um-176-ab-vier-gewinner-bei-den-wochenzeitungen/

Von den deutschen Zeitungen lese ich wöchtentlich die Junge Freiheit, und ab und zu einzelne Artikel aus Der Zeit, oder "Die Blätter für internationale und deutsche Politik". 

Und wie gesagt: Bücher, Bücher, Bücher, damit man die Fehler der Journaille gleich erkennen kann. 

Auch gehe ich gelegentlich in Berlin-Kreuzberg, -Friedrichshain, -Mitte oder einem sonstigen Multikultiviertel in einem Szenelokal der Grün-Linken und lese dort deren Zeitungen und Pamphlets, die manchmal sehr unterhaltsam sind.

noblehostel 
Fragesteller
 18.11.2017, 22:18

Danke für die ausführliche Antwort.

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barfussjim  19.11.2017, 00:06

"Deutsche Wirtschaftsnachrichten"

Compact, Kopp-Nachrichten, pi-news & Co. sind auch empfehlenswert.

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Schwervelke  19.11.2017, 00:29
@barfussjim

Nein, die sind mir zu einseitig in der Auswahl der Nachrichten. Die Deutsche Wirtschaftsnachrichten sind neutral und sehr informativ. 

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Christophersonn  19.11.2017, 05:35
@barfussjim

Kopp ist voller Esoterikblödsinn, PI News viel zu flach, Compact ist aber schon einen Blick wert!

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Schwervelke  19.11.2017, 10:20
@Christophersonn

OK, werde ich mal hineinschauen, vielleicht hast du ja Recht. Cicero lese ich auch ab und zu, das hatte ich oben noch vergessen.

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Hallo!

Ich arbeite selbst im Printmedienbereich & kann sagen: Selbst die Lokalberichte sind, wenn man zwischen den Zeilen lesen kann, meist leicht tendenziös gehalten. Ich habe letztens was über Windkraft gelesen, man merkte beim genauen Durchlesen schon, dass der Reporter eigentlich gegen die Windkraft ist und das eben nur nicht direkt schrieb!

ARD- und ZDF-Nachrichten meide ich bzw. da die meisten Mitglieder der Rundfunkräte insgesamt eher CDU-nah oder sogar CDU-Mitglieder sind, weiß man nie, was da im Hintergrund gedübelt wird. Als Info am Rande um über das aufgeklärt zu werden, was so ist: VOn mir aus, aber nicht als Referenz & erst recht nicht als 100-prozentig glaubwürdig!

Polit-Talks nehme ich nicht ernst, da sie oft genug als Wahlwerbung missbraucht werden & die hitzigen Diskussionen sowie möglichst konträre Gästelisten mir persönlich oft den Gedanken aufdrängen, dass da nur provoziert und gehetzt werden soll, um mehr Quote zu bringen. Sorry!

Allgemein bin ich diesbezüglich mit allen Nachrichtenkanälen kritisch & sehe sie bestenfalls als grobe Richtlinie an, aber nicht als etwas, das man ohne Bedingung glauben kann.

Von Experten wird gemeinhin die Bäckerblume empfohlen.

"Das heute zwölf Seiten umfassende Heft informiert über das Bäckerhandwerk, Ernährung und enthält zudem Kochrezepte, ein Wochen-Horoskop sowie Kreuzworträtsel. Auch ist eine erweiterte Form der Zeitschrift mit TV-Programm und Rätselteil erhältlich."

https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%A4ckerblume

Kreuzworträtsel der Bäckerblume gelten als sehr herausfordernd. 

Das lässt sich schwer beantworten. Ich persönlich würde immer staatlich finanzierte Medien (Sputnik News) kritisch beäugen und andere Quellen dazu holen. ZDF und ARD gehören nicht dazu, weil sie durch einen Rundfunkbeitrag finanziert werden.