Was sagt das Gedicht?

4 Antworten

A. Für mich ein ganz simples Gedicht! Es besagt, dass der Sinn des Lebens zuerst ein Rätsel, ein Geheimnis ist, bis dem suchenden Menschen sein spezieller Sinn gegeben wird: "Wer suchet, der findet" (Sentenz aus der jüdisch-christlichen Bibel).

Das lyrische Ich ist im romantischen Wald. Es entdeckt den besonderen Vogel, den Eichelhäher, einen Zug- und Warnvogel, der ja papageiartig Stimmen und Geräusche imitieren kann.

Dann verlor der im Volksmund auch romantisierend Herold (= mittelalterlicher Wächter) genannte Vogel eine seiner blauen Federn (vgl. Novalis´ blaue Blume der Romantik); er hätte sie dem lyrisch träumend sinnsuchenden Ich zum Aufheben hingeworfen.

Das Ich, der Dichter, nimmt sie auf, um von der wunder- und geheimnisvollen Schönheit in der Welt (Dingsymbol > schöner Vogel mit blauer Feder) zu schreiben. Dies Ich hat jetzt seinen Sinn des Lebens ("von einem Boten Gottes, dem Schöpfer der Welt") geschenkt bekommen.

B. Man kann das aber auch kompliziert betrachten, zum Beispiel wie Jens Junek in einer Hausarbeit eines UNI-Hauptseminars in Germanistik (2005) >

"Ich bin, wo der Eichelhäher ..." – Günter Eichs Verhältnis zur Natur - GRIN

ZITAT KOPIERT: Das Gedicht hat viel gemein mit den bereits besprochenen Gedichten „Himbeerranken“ und „Fragment“. Auch hier zeigt sich deutlich das naturmagische Dichtungsverständnis Günter Eichs.

In der ersten Strophe postuliert das lyrische Ich das Vorhandensein eines „Geheimnis[ses]“ in der Natur („wo der Eichelhäher / zwischen den Zweigen streicht“), das für den Menschen jedoch nicht greifbar ist. Es ist eben deshalb nicht greifbar, weil es „dafür kein Wort“ gibt, das geeignet wäre, das Mystische auszusprechen, obwohl das lyrische Ich inmitten der Natur von dem allgegenwärtigen Geheimnis umgeben ist. Es könnte im „Wind“ enthalten sein oder im „Rauschen der Vogelschwinge“ oder aber auch in jedem anderen der „Dinge“, die die Natur bereithält. Die unmittelbare Nähe zum diesem „Geheimnis“, das dem lyrischen Ich zugleich aber unendlich fern erscheinen muss, ist nicht einfach zu ertragen.

Das Leiden unter diesem Spannungsverhältnis äußert sich sogar in körperlichem Schmerz: „Es preßt mir Herz und Lunge, / nimmt jäh mir den Atem fort“[16]. Bis hierhin verrät uns das Gedicht nichts, was wir nicht schon in „Himbeerranken“ und „Fragment“ erfahren konnten: Auch dort war das „Geheimnis“ in der Natur allgegenwärtig — in den „Beeren“ ebenso wie im „Anblick des Laubs“. Und ähnlich wie in „Die Häherfeder“ hatte auch dort das lyrische Ich darunter zu leiden, dass es in das höhere Geheimnis der Natur keinen Einblick gewinnen konnte („Wort, einziges, […] / […] / wie liegst du mir auf der Zunge! / […] / dennoch faß ich dich / niemals, niemals, niemals!“).

Doch plötzlich ereignet sich etwas Unerwartetes: „Der Häher warf seine blaue / Feder in den Sand.“ Die Natur scheint doch nicht so abweisend zu sein, wie bisher geglaubt. Sie gibt dem lyrischen Ich ein Zeichen: „Sie liegt wie eine schlaue / Antwort in meiner Hand.“ Mir der Feder besteht wieder Hoffnung auf Erkenntnis.

„Ausdrücklich schließt so die Schlussstrophe den Ring zum Titel — die Feder ist eines der Zeichen, die auf das Geheimnis hindeuten, und sie ist zugleich das wichtigste. […] Am Ende hält der Sprechende die Feder ‚in der Hand’; sie wird als ‚schlau’ bezeichnet, denn sie weiß ihren Sinn verborgen zu halten, ist verschlüsselte, chiffrierte Botschaft, Spur und Weg zum Geheimnis.“[17] 

Das Gedicht fügt sich mit der letzten Strophe zu einem Ganzen: Nicht nur der Titel wird wieder aufgenommen, sondern auch der durchgehende Reim wird erklärbar. Denn was sollte sich als Äquivalent zum Formalen inhaltlich im Gedicht „aufeinander reimen“, wenn nicht die lyrische Rede auf die Natur? Dass die Beziehung zwischen Natur und lyrischer Rede eine harmonische sein kann, offenbart sich ausdrücklich in der letzten Strophe.[18]

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gutifragerno  07.02.2023, 13:50

Sehr schöne Hinweise. Besonders hilfreich natürlich auch, dass hier die Sicht eines Fachmannsmit einbezogen wird. Interessant finde ich, was das aktuell viel diskutierte Chatprogramm der künstlichen Intelligenz aus dem ersten Teil macht. Ich habe das vorhin mal aufgefordert, das kurz zusammenzufassen: dabei ist herausgekommen.
“ Das Gedicht beschreibt eine Person, die im Wald nach dem Sinn des Lebens sucht und einen Eichelhäher entdeckt. Als der Vogel eine blaue Feder verliert, nimmt die Person sie auf und interpretiert es als Zeichen für ihren neu gefundenen Sinn des Lebens - das Schreiben über die wundervolle Schönheit in der Welt.“

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Skoph  07.02.2023, 15:43
@gutifragerno

Erstaunlich gut! Als Grundlage einer Interpretation ist es ja zu verwenden! Allerdings ist es eben auf den ersten Blick ein sehr einfaches Gedicht: Metaphern? Ironie? Wenig bekannte Worte? Komplizierter Satzbau? Nein.

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Herzliches Beileid zu dieser dämlichen Aufgabe ! Der Dichter ist prominent und nur deshalb müssen wir jetzt diesen tüteligen , verstörten Text schönreden .

Strophe 1 ---- Der Dichter sitzt auf einem Baumast und hat einen sehr unklaren , ratlosen Gedanken .

Strophe 2 --- Er kann den Gedanken nicht mit Worten beschreiben .

Strophe 3 ---- Nochmal Beteuerung der völligen Verschwommenheit des Denkens .

Strophe 4 ---- Noch mehr Ratlosigkeit :Der Vogel trennte sich von der Feder = Schreibwerkzeug und überläßt damit dem Dichter die Lösung der Aufgabe : Der Dichter schafft sich den unklaren Gedanken aus Strophe 1 vom Hals , indem er sein Formulierungsproblem niederschreibt = aufs Papier bannt und damit seinen Kopf wieder frei hekommt .

Ich selber kläre meine Lebensaufgaben auch durch Denken und Notizen machen , und manchmal erzähle ich auch meine Träume weiter . Ich glaube , der Dichter hatte Spaß daran , das momentane Gefühl des entspannten Unverhaftetseins mit der Realität in die Länge zu ziehen . So wie der Mensch den Wecker gerne ignorieren möchte , oder weshalb manche Leute Cannabis konsumieren .

Hoffentlich gefällt diese Deutung Deinem Lehrer 😀🖐️ !

Woher ich das weiß:Hobby
Paguangare  07.02.2023, 07:10

Das ist aber eine sehr tendenziöse Interpretation. Ich bin gespannt, wie der Fragesteller die verschiedenen Antworten zu einer eigenen Antwort (Hausaufgabenbearbeitung) zusammenbauen wird.

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thommy771  07.02.2023, 07:23
@Paguangare

Danke für Deine Antwort zu meinem Lösungsversuch .Dein Text wird vom Tonfall her dem Lehrer wesentlich besser gefallen . Ich persönlich bin eher auf Klärung von Gedanken gemünzt als auf das langziehende Sinnieren , aber ich halte ausdrücklich Deine Antwort hier für die hilfreichere Lösung .

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HEsslhoFF21  24.02.2023, 15:19

Herzliches Beileid zu deiner negativen Haltung der gestellten Aufgabe gegenüber! Du erfüllst diese Aufgabe dann ja glücklicherweise und widersprüchlicherweise doch. Du redest den Text nicht schön (das ist natürlich auch nicht verlangt, anders, als von dir dargestellt), aber deine Formulierungen sind flapsig. Ich glaube, du könntest wesentlich! besser interpretieren.

Tipp hier aus dem Zuschauerrang: Wenn du interpretierst, ohne erst über den Lehrer zu schimpfen und dann doch die Aufgabe zu erfüllen, kommt das cooler. Denn die Aufgabe: sich den Inhalt der einzelnen Strophen zu vergegenwärtigen, ist ja sehr sinnvoll, bewiesen u.a. durch dich, weil du‘s machst ;-). Und wenn du weniger flapsig schreibst, sondern wertschätzender, dann kommst du auch weiter in der Interpretation.

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thommy771  24.02.2023, 17:02
@HEsslhoFF21

Vielen Dank für die Zuwendung , die Du mir gewährst . Bei Latein - Übersetzungen bin ich wirklich gut , Naturwissenschaften hatte ich meine Lebensdosis schon und bin nun in alten Sprachen & Weltbildern aktiv . In der Schulzeit stießen mir die dogmatischen Literaturbewertungen sehr auf , und das quasi Verbot eigener Empfindungsäußerung hat als Fernwirkung mich zu Mitleid mit diesem Schüler und damit überhaupt zu einer Frage - Beantwortung aktiviert . Du hast ausdrücklich recht damit , daß ich durch die anfängliche Emotionsäußerung den Schüler unnötig belastet habe .

Im Nachgang ist mir noch eingefallen , daß der Vogel im Baum in der Lyrik eine starke Symbolfunktion hat , usf.

Ich danke Dir für Deine Erläuterungen , sie sind mir wirklich hilfreich !

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Das Gedicht ist eben mystisch und hat keinen klar auf der Hand liegenden Inhalt.

Das lyrische Ich ist auf einer Sinnsuche, kann aber den Sinn der Welt oder den Sinn des Lebens nicht ausformulieren.

Das lyrische Ich spaziert durch die Natur (vielleicht durch einen lichten, strukturreichen Mischwald, also ein typisches Habitat des Eichelhähers), Strophe 1.

Eichelhäher – Wikipedia

Dabei spürt er oder sie ein Geheimnis, das aber unterbewusst bleibt.

Dies erzeugt einen emotionalen Druck, eine Art Beklemmung oder Angst (Strophe 2). Ob dies nun am Inhalt des Geheimnisses liegt, oder daran, dass es nicht gelingt, das Geheimnis zu lüften?

Auch in Strophe 3 grübelt das lyrische Ich weiter: Welches der Naturphänomene könnte ihm wohl helfen? Worin liegt das Geheimnis? Und worin die Antwort?

Da schließlich in Strophe 4 verliert ein Eichelhäher eine seiner blauen Federn. Es wird so dargestellt, als täte er dies absichtlich ("wirft"). Das lyrische Ich hebt die Feder auf und hält sie in der Hand. Ich vermute, sie ist wunderbar schön und wird vom lyrischen Ich wie eine "schlaue Antwort" verstanden.

Der emotionale Zustand des lyrischen Ichs ist, wie ich vermute, am Ende des Gedichts, erheblich verbessert, in Richtung erleichtert oder glücklich.

anonym27787 
Fragesteller
 07.02.2023, 06:36

VIELEN DANK!!! Ich bin dir so dankbar ! Aber wie versteht das lyrische Ich hier die Natur ?

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Was für eine dämliche Aufgabe, - gehe halt darauf ein, dass der Lehrer eine Freude hat.

Labere weiter ala "die Feder symbolisiert den Sinn des Lebens auf eine Weise, wie kein Wort es könnte".

Hole Dir aus dem Netz, wie so eine Feder aussieht. Sie ist extrem schön und als Kind habe ich sie gesammelt.

HEsslhoFF21  25.02.2023, 10:44

Wieso findest du die Aufgabe dämlich?

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Mauritan  25.02.2023, 14:03
@HEsslhoFF21

Vor vielen Jahren war eine sehr berühmte Autorin an unserer Schule, um ihr neues Buch vorzustellen. Sie blieb nach der Lesung noch, um Schülern Fragen zu beantworten. Eine Frage war nach der Bedeutung hinter ihrem Werk. Ihre Antwort werde ich nie vergessen: "Ach... das überlasse ich den Interpreten."

Meiner Einschätzung nach sind 90% alles "Verstehen-Wollens" und Interpretierens heiße Luft. Eine heiße Luft, die ich selbst im übrigen so gut beherrschte, dass meine Deutsch-Professorin damals meinte, mein fantasievolles Geplauder zu Kafka würde einem Interpretations-Buch entstammen.... ich klärte sie nie darüber auf, dass ich es mir aus den Fingern gesogen hatte.

Vielleicht ist "dämlich" zu undiplomatisch, daher schwäche ich ab: Ich bin kein Freund von 'l'art pour l'art (sorry die Autokorrektur bessert das immer auf falsch aus)

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