Was meint Nietzsche mit kleiner und großer Vernunft?

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Nietzsche meint mit der „großen Vernunft“ des Leibes nichts anderes als die Einheit von Geist und Seele, von Leib und Vernunft, im Gegensatz zu der seit Jahrtausenden, insbesondere auch von Kant, gelehrten Zweiheit (dem Dualismus) von Leib und Geist, wobei der Geist von jeher als das Höhere angesehen wurde und der Leib als das Niedere. Insofern spricht er von der Umwertung aller Werte.

Der Leib ist das Ganze, das Erste; in ihm sind alle Triebe, Kräfte, Potenzen, Vitalitäten als Einheit vorhanden, dazu zählt auch das geistige Vermögen des Menschen, das gleichberechtigt neben den anderen „Potenzen“ des Leibes steht und deshalb von Nietzsche als die „kleine Vernunft“ bezeichnet wird, während er die Vielzahl aller im Leibe versammelten Kräfte (mit Einschluss der „eigentlichen“ Vernunft) als die „große Vernunft“ bezeichnet. Auch die Seele ist nur ein Teil des Leibes, gewissermaßen ein Anhängsel („Leib bin ich ganz und gar, und nichts außerdem; und Seele ist nur ein Wort für ein Etwas am Leibe“ - s. Zarathustra).

Niemals – sagt Nietzsche – dürften die Trieb- und Willenskräfte und die Leidenschaften als etwas Minderwertiges angesehen werden; sie seien genauso wichtig für die Entfaltung des Menschen zur Größe wie die
geistigen Kräfte (die „kleine Vernunft“). Wer sie wie Unkraut aus dem verwilderten Garten der „Großen Vernunft“ herausreißt, verzichtet auf wertvolle Kräfte, die sozusagen eine Bedingung seines Lebenserfolges sind.

Erst wer den verwilderten Garten der „großen Vernunft“ beibehält, kann auf alle Kräfte, die für ein bedeutendes Leben unerlässlich sind, zurückgreifen. Deshalb sagt Zarathustra auch: „Leib bin ich ganz und gar, und nichts außerdem (s. auch Wikipedia, Nietzsche: „Volker Gerhardt: Versuch über die große Vernunft des Leibes").


Die große Vernunft ist dein Körper, den Nietzsche als das einzig Wahre und Umfassende bezeichnet, das eigentliche Ich. Die kleine Vernunft ist dein Geist, den Nietzsche als nur eine Funktion deines Körpers ansieht. Man soll also keinen Unterschied zwischen Körper und Geist machen. Der Mensch, der den Geist für überlegen hält und ihm mehr vertraut, liegt falsch. 

Das sollte er doch am besten wissen (Ps.53,1-2).