Was meint damit, wenn man sagt das Carboxylat-Anion sei energetisch günstiger, je stärker/besser die Ladung verteilt sei?

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Ein Beispiel kann es ganz gut verdeutlichen. Wir vergleichen einmal Ameisensäure, Essigsäure und Trichlor(fluor)essigsäure hinsichtlich ihrer pKa-Werte.

Essigsäure (Ethans.) pKa = 4,75

Ameisensäure (Methans.) pKa = 3,77

Trichloressigsäure (Trichlorethans., TCA) pKa = 0,65

Trifluoressigsäure pKa = 0,23

Es ist also zu sehen, dass die Säurestärke in Richtung TFA zunimmt, obwohl wir bei allen Molekülen dieselbe Carboxyl-/Carboxylatfunktion (R-COOH, R-COO⁻) haben. Beim Vergleich Essig-/Ameisens. sehen wir eine zusätzliche Methylgruppe. Die hat die Eigenschaft einen positiven induktiven Effekt auszuüben (+I-Effekt), das heißt, dass die Methylgruppe, wie andere Alkyle auch, negative Ladung in Richtung Carboxyl schiebt und somit die Ladungsdichte dort leicht erhöht. Das führt tendenziell dazu, dass das Proton der Carboxyl-Gruppe unwilliger abgespalten wird, weil das Carboxylat-Anion durch den zusätzlichen Elektronenschub der Methylgruppe weniger "stabil" ist, was im Endeffekt heißt, dass das Gleichgewicht Carboxyl-Carboxylat etwas auf die Seite der undissoziierten Säure verschoben wird.

Wenn nun wie bei TCA 3 sehr elektronegative Substituenten wie Chlor oder insbesondere Fluor an der Methylgruppe hängen, ist es vorbei mit dem +I-Effekt, weil die Halogene einen starken Elektronenzug bewirken, der den Elektronendruck der Methylgruppe deutlich überkompensiert. Die Trichlor- oder Trifluormetylgruppe zieht als mächtig an den Elektronen des Carboxylatanions und stabilisiert dieses eben durch eine gute Ladungsverteilung. Dadurch verliert die Säure eher ihr Proton und das Gleichgewicht Carboxyl/Carboxylat wird zugunsten der Anions verschoben.


willi55  31.10.2019, 19:51

Die Erklärung mit induktiven Effekten ist unbefriedigend, da diese Effekte die Polarität der OH-Bindung beeinflussen und nicht das Carboxylat-Ion, was ja schon der Begriff Säurestärke impliziert. Es geht dabei um die Fähigkeit H+ -Ionen abzugeben. Diese steigt mit zunehmendem -I-Effekt.

Besser wäre es mit der Delokalisierung der Elektronen der Carboxylat-Gruppe zu argumentieren. Es entsteht ein großes Pi-Elektronensystem, das sich über drei Atome (die ganze Carboxylat-Gruppe) erstreckt, wobei die negative Ladung nicht an einem O-Atom lokalisiert ist, sondern über die ganze Gruppe delokalisiert ist. Man nennt dies Mesomerie. Mesomere Moleküle (z.B. Benzol) sind wesentlich stabiler als nicht mesomere Moleküle. Die Differenz nennt man Mesomerie-Energie.

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Grund für die größere Stabilität ist die Mesomerie der Gruppe. Es entsteht ein großes Pi-Elektronensystem, das sich über drei Atome (die ganze Carboxylat-Gruppe) erstreckt, wobei die negative Ladung nicht an einem O-Atom lokalisiert ist, sondern über die ganze Gruppe delokalisiert ist. Man nennt dies Mesomerie. Mesomere Moleküle (z.B. Benzol) sind wesentlich stabiler als nichtmesomere Moleküle. Die Differenz nennt man Mesomerie-Energie.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Gelernt ist gelernt

Was ist eine Mesomeriestabilisierung und worin besteht ein induktiver Effekt?