Was ist die Ich-Illusion?

6 Antworten

Das Ich ist ein Konzept. Es ist eine Idee, die zusammengesetzt ist aus 1. Gefühlen, 2. Wahrnehmung, 3. Bewusstsein, 4. Emotionen und 5. Körperlichkeit. Diese Fünf existieren vor allem im Gedächtnis, in dem sie alle zusammen ein Konzept, ein Muster bilden, das wir Ich nennen.

Nun ist dieses Konzept aber wie tot, genau wie irgendwelche anderen Gedächtnisinhalte auch. Um Ich zum Leben zu erwecken haben wir, das was wir für den gegenwärtigen Augenblick halten (die Gegenwart) etwas in die Vergangenheit ausgedehnt, damit wir Teile des Gedächtnisses (Vergangenheit) nun so empfinden, als ob sie jetzt passieren. Also wir haben quasi den Scan-Bereich dessen was Wahrnimmt in Bezug auf die Gegenwart etwas verbreitert.

Bringt man sich selbst aber vollkommen zurück ins Hier und Jetzt, dann verschwindet das Ich. Wahrscheinlich erinnerst Du dich an Situationen in deinem Leben, wo Gefahr drohte und du gezwungen warst blitzschnell Entscheidungen zu treffen. In solchen Situationen existiert häufig kein Ich.

Man kann das auch "künstlich" machen, indem man exzessiv Achtsamkeitsmeditation übt. Das bringt einen auch ins Hier und Jetzt, oder wenigstens dem Hier und Jetzt näher. Auffällig ist dabei z.B. dass man nicht mehr erschrickt, wenn z.B. ein lauter Knall ertönt. Dann gibt es keinen zeitlichen Unterschied mehr zwischen dem Knall-Bewusstsein und der Wahrnehmung dessen.

Muss der Knall aber erst noch mit Ich in Verbindung gebracht werden. entsteht eine Zeitdifferenz zwischen Knall-Bewusstsein und der "Ich-habe-einen-Knall-gehört-Empfindung." Diese Zeitdifferenz bewirkt, dass wir uns erschrecken.

Dieses Ich ist wie eine Krankheit. Ich ist verantwortlich für Gier, Hass, Zweifel, Ängste, Sucht, Stress, Trägheit, Aufgeregtheit und vieles mehr. Es ist die Geißel der Menscheit. In der Geschichte gehen weit aus mehr Tote auf dieses Ich als auf die Pest zurück.

Erkannt wurde das z.B. auch schon in der Bibel. Wenn da von Toten die Rede ist, dann sind damit meistens keine leblosen Körper gemeint, sondern "wandelnde Tote".  Dies sind nichts anderes als Menschen, die unter der oben beschriebenen Krankheit leiden. Und diese Krankheit heißt im Christentum Erbsünde. Und es sind alle davon befallen. Ich persönlich schätze nur etwa 1 Person von 5 Mio. ist dauerhaft von dieser Krankheit befreit.


Die nihilistische Aussage: "Es existiert kein Ich" ist keine Aussage im buddhistischen Sinn. Im Palikanon werden derlei Aussagen als "Fessel von Ansichten" bezeichnet. Das ist relativ einfach nachvollziehbar, da bei ebendieser Aussage erst einmal von der Ansicht "Ich" sowie von der Ansicht "Existenz" relativ unwillkürlich ausgegangen wird.

Spielt diese Ansicht jedoch "von sich aus keine Rolle ( = Wissen) - ebenso wie die Ansicht: "Es existiert ein Ich" - dann nähert man sich dem "mittleren" Weg, jenseits nihilistischer und eternalistischer Extreme.

Daß es den meisten Menschen jedoch "so erscheint": "...als wäre da ein Ich" oder in manchen Bewusstseinszuständen es sogar so erscheint: ... "als wäre da kein Ich", nun, das scheint eben nur so und erscheint daher so. 

Es sei noch angemerkt, daß es natürlich sinnlos ist, sich nun bloß einzureden/suggerieren/praktizieren: "Ich hege keine dieser Ansichten" oder: "Ich lasse all diese Ansichten fallen".

Dieses gekünstelte, zusätzliche "Tun" bzw. "Nicht-Tun", würde offensichtlich nicht auf Wissen basieren.  

Ich bin Buddhist und werde versuchen, diese Frage so verständlich wie zu beantworten, ohne zu philosophisch zu werden.

Das Ich

Unser "Ich" ist eine Simulation unseres Gehirns. Dabei wird im Bewusstsein eine Trennung geschaffen zwischen dem individuellen "Ich" und dem Rest der Welt.

Wenn wir zB bewusstlos werden, dann haben wir kein "Ich" mehr, weil diese künstliche Trennung durch das Gehirn wegfällt.

Einheit

Eigentlich sind wir ja ein Teil dieser Welt, genau wie ein Baum, oder ein anderer Mensch, aber diese Einheit mit Allem ist uns nicht bewusst, oder wir erfassen sie nur intellektuell, nicht als Erfahrung.

Da wir dieses Bewusstsein der Einheitserfahrung nicht haben, sehen wir uns als "Mittelpunkt der Welt" an, um den sich alles dreht.

In Wirklichkeit sind wir nur Teil einer Gesamtheit und unsere ach-so-wichtige Individualität daher nicht von der Bedeutung, die wir ihr beimessen.

Wahrnehmung und Bewertung

Angeblich filtert das Gehirn 90 Prozent aller Sinneseindrücke gleich
wieder aus, weil es sonst mit der Verarbeitung der Informationen
überfordert wäre.

Außerdem nehmen wir die Welt aufgrund unserer Konditionierungen durch Erziehung, Gesellschaft und Lebenserfahrung immer durch einen subjektiven Filter wahr, der auf dem Ich basiert.

Wir sagen "Die Frau ist schön, das Essen ist lecker, das Auto super" - ganz selbstverständlich, als wären das unumstößliche Wahrheiten.

Doch eine andere Person findet die gleiche Frau unattraktiv, das gleiche Essen ungenießbar und das gleiche Auto einfach nur langweilig.

Die Ursache dafür ist das simulierte "Ich"

"Ich bewerte diese Frau als schön, Ich bewerte das Essen als lecker, Ich bewerte das Auto als super"

Wir sehen niemals die wahre Realität der Dinge, sondern immer eine subjektive Realität des Ich-Filters.

Dennoch identifizieren wir uns völlig mit all diesen Bewertungen und halten sie für absolut und ewig. Damit kommen wir auch zum nächsten Punkt.

Ewige Veränderung

Der Buddhismus lehrt, das alles der ewigen Veränderung unterworfen ist und es nichts konstantes gibt - keinen Gott, keine Seele und kein Ich.

Denn dein "Ich" ändert sich ständig.

Du bist zB geschäftlich erfolgreich - deshalb bist du glücklich. Doch dieses Glück ist nicht ewig, sondern existiert nur in deinem Bewusstsein.

Schon im nächsten Moment erhältst du trotz deines Erfolgs deine Kündigung. Du wirst traurig - das bedeutet nur, dass dein Bewusstsein sich ändert.

Du fühlst dich gekränkt. wirst wütend. Dadurch ändert sich dein Bewusstsein, also das, was dein Ich ausmacht.

Wer bist du nun? Der Glückliche? Der Traurige? Der Wütende?

Letztlich bist du gar nichts - denn du hast nichts, was wirklich "Du" bist, denn alles sind vorübergehende Eigenschaften, die sich ändern.

Koan

Zen-Meister geben ihren Schülern gelegentlich Koan, das sind paradoxe Geschichten, die mit dem Verstand nicht zu lösen sind, da sie über das "Ich" hinausgehen. Da gibt es etwa die Forderung;

"Zeige mir dein wahres Wesen! Zeige mir das Gesicht, das du hattest, bevor dein Vater und deine Mutter geboren wurden!"

Wenn man das jetzt liest merkt man...da ist nichts. Da gab es kein "ich".

Erst unsere Eltern (äußere Einflüsse) haben ein "Ich" entstehen lassen.

Genau wie damals, sind wir aber eigentlich "leer"...wie ein Blatt Papier.

Alles was wir "Ich" nennen, ist nur von außen daraufgeschmiert worden. In Wirklichkeit sind wir immer noch ein leeres Blatt Papier.

Nur weil wir uns einbilden, dass zu sein, womit wir uns identifizieren, halten wir uns für einen tollen Roman - in Wirklichkeit sind wir eine leere Seite.

Der Buddhismus als Weg

Der Buddhismus lehrt, wie wir uns von diesen ganzen Illusionen und Verhaftungen mit den Bewertungen befreien können.

Denn jede dieser Dinge ist vergänglich und so leiden wir an der Vergänglichkeit der Dinge, an der Vergänglichkeit des Ich.

Deshalb wird man auch niemals dauerhaft glücklich... es gibt immer etwas das schöner zu sein scheint, die Lösung zu sein scheint...wir sind neidisch auf Andere...das sind die drei Geistesgifte "Hass, Gier, Unwissenheit"

Laut dem Buddhismus sind wir alle leere Blätter, Teil eines großen, leeren Buches und erkennen diese Einheit in der Leerheit nicht.

Dabei bedeutet "erkennen" nicht "intellektuell verstehen", so dass man mit dem Kopf nickt "soso, ich bin also leer...", sondern um die Erfahrung.

Diese Erfahrung kann man in der Meditation machen. Durch die buddhistische Praxis löst man sich von den Ich-Mustern und erfährt schließlich ganz konkret, als Nichts ein Teil des Nichts zu sein.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit etwa 40 Jahren praktizierender Buddhist

Im Buddhismus versucht man, zwischen Ich und Nicht-Ich zu unterscheiden. Diese Unterscheidung hört sich vielleicht ganz leicht an, ist aber beim genauen Hinsehen doch nicht so einfach.

Wie willst du herausbekommen, was alles nun wirklich Du bist und was alles etwas anderes ist? Sind deine Gedanken du? Sind bestimmte Gedanken von dir du - und andere nicht? Ist überhaupt das Denken du? Sind deine Gefühle du? Ist dein Körper du? Ist dein Sehen, dein Hören, dein Fühlen du?

So kannst du bei allem, wo du meinst, dass das dein Ich wäre, fragen, ob du das wirklich bist. Und wenn sich nun etwas von dem, was du als Ich bezeichnest, ändert? War es dann vorher du oder ist es jetzt du oder wird es in einem späteren Zustand du sein?

Dein Körper verändert sich, spätestens alle 7 Jahre sind sämtliche Körperzellen komplett ausgetauscht. Dein Denken verändert sich, deine Meinung, dein Geschmack, deine Hobbies, ... wann ist es du? Oder ändert sich das, was du Ich nennst, laufend? Dann müsste aber in dem Veränderten dennoch etwas sein, was sich gleichbleibt, damit es jederzeit du selbst ist.

Was ist dann eigentlich Ich? Gibt es Ich - oder erscheint "mir" nur etwas ein Ich zu sein?

Soviel vielleicht mal zum Weiterdenken.

Vielleicht weil du nie beweisen kannst das alles was du erlebst nur eine Illusion ist und du Unwissen bist deshalb.