Was hat man im Mittelalter (bzw. generell früher) als Haargummis verwendet?

4 Antworten

Ich verstehe nicht ganz, wo das Problem dabei ist, sich vorzustellen, dass man damals eben noch keine Gummibänder hatte... und dass aber auch nicht-elastische Bänder funktionieren?

Man verwendete Lederriemen, aber auch aus Flachs gedrehte, feine Kordeln (Flachs ist die Grundfaser, aus der man Leinen für Kleidung und Tücher webte, da man noch keine Baumwolle kannte) - und man verwendete auch gesponnene und gefärbte Wolle, die man entweder als rohen Faden oder auch zu mehreren geflochten oder gedreht nahm.

Wenn Du einmal einen Zopf flechten und ihn unten mit einem Wollband mehrfach umschlingen und verknoten würdest, merkst Du bald, dass das Band sich als Ganzes vom Zopfende einfach abstreifen lässt. So etwas hielt z.B: Beispiel nicht bei einer Magt, die den ganzen Tag im Haus und der Küche zu tun hattte - oder bei Frauen, die Feldarbeit verrichteten. Daher band man die Bänder oft bereits am Ansatz des Zopfes oder spätestens ab Mitte um die Haarsträhne und ließ das Band dann beim Flechten des Zopfes mitlaufen. Die Enden wurden dann mehrmals um das Zopfende gewickelt und verknotet. So konnte das Band nicht einfach abgezogen werden und hielt einen Tag lang.

Frauen trugen bei ihren unterschiedlichen Arbeiten die Haare oft nicht sichtbar, sondern legten die Zöpfe um den Kopf, steckten sie fest und banden um alles ein festes Tuch.

Tierdärme (die eh nicht elastisch wären) verwendete man nun wirklich nicht. Üblich waren Stoffbänder oder Streifen dünnen Leders. Elastizität braucht man nicht, um Frisuren zu kreieren, sie macht nur alles etwas leichter.

Je nach Kultur gibt es auch noch Stäbe und Drahtklammern. Vieles, was in der Forschung allerdings Haarnadel genannt wird, hatte eigentlich die Funktion einer Stecknadel.

UmbraSolis 
Fragesteller
 30.08.2014, 20:49

jaah... das mit den Tierdärmen war eine ziemlich schlechte Vermutung ^^

Danke für die Aufklärung ;)

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UlrichzuSusato  31.08.2014, 10:48

Öööööhm, Tierdärme nicht elastisch ??? Wieso wurden sie dann als Wurstdärme verwendet ?? Dazu braucht man elastisches Mateial, wenn das mit Tierdärmen nicht ginge, währen sie garantiert nicht selbst heute noch im Einsatz ;-)

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Jerne79  31.08.2014, 10:55
@UlrichzuSusato

Klar, so lange sie feucht und frisch sind, sind Därme elastisch. Und was ist, wenn du die Wursthaut ein paar Stunden rumliegen hast? Genau, sie trocknet ein. Welchen Sinn soll das haben? Ein Einmal-Haargummi, den du dir hinterher aus den Haaren bröseln darfst? Selbst wenn wir die Logik mal außer Acht lassen, es gibt weder archäologische Hinweise noch Schriftquellen, die darauf schließen lassen, daß Tierdärme in den Haaren historische Realität waren.

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getrocknete Gräser und Pflanzen

UmbraSolis 
Fragesteller
 30.08.2014, 20:53

Okay, danke...

Aber sind getrocknete Pflanzen nicht eher ein bisschen spröde und zerbrechlich?

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rosehip  30.08.2014, 21:07
@UmbraSolis

Ja, sind sie - und wurden daher auch nicht verwendet. Das war auch nicht nötig.

Im Mittelalter verfügte jeder Haushalt über ein Spinnrad, alle Frauen beherrschten die eine oder andere Technik zur Verarbeitung von Wolle und Flachs, hatten bereits als Mädchen weben oder spinnen gelernt - und Wolle und Flachs gab es auf jedem Markt und auf vielen Höfen zu kaufen - wenn der Nachbar kein Schaf hatte. Auch fertige Bänder und andere Haar-Utensilien wurden auf den Märkten angeboten und auch in den Haushalten selbst hergestellt. Man nahm Flachs / Leinen und Wolle dafür - oder Leder.

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Jerne79  30.08.2014, 23:03
@rosehip
Im Mittelalter verfügte jeder Haushalt über ein Spinnrad,

Das Spinnrad (zuerst das Handspinnrad, später das zum Treten) kommt erst im 15. Jh. wirklich auf. Bis dahin - und teilweise auch noch danach - war die Handspindel in Gebrauch.

Insbesondere im Spätmittelalter ist die Textilproduktion bereits auf einem protoindustriellen Stand mit festgelegten Tuchqualitäten, Tuch für Kleidung wurde da schon lange nicht mehr am häuslichen Webstuhl hergestellt.

Das Schaf des Nachbarn? Schafe sind Herdentiere. Nicht jede Region verfügt über Schafherden.

Bitte nicht die historische Realität mit einem Mittelaltermarkt verwechseln! Selbst für Früh- und Hochmittelalter ist da einiges an den Haaren herbeigezogen.

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rosehip  03.09.2014, 22:47
@Jerne79

1)

Das Spinnrad (zuerst das Handspinnrad, später das zum Treten) kommt erst im 15. Jh. wirklich auf. Bis dahin - und teilweise auch noch danach - war die Handspindel in Gebrauch.

Die Frage oben lautet: "Was hat man im Mittelalter (bzw. generell früher) als Haargummis verwendet?" Davon abgesehen erstreckt sich das Spätmittelalter bis ca. 1500 im Übergang zur Renaissance - da wären also noch beinahe 100 Jahre Zeit mit drin für die Nutzung von Spinnrädern. Auch aufs Mittelalter allein bezogen - und nicht auf "generell früher", wie die Fragestellerin es formulierte - ist meine Antwort also nicht falsch.

2)

Tuch für Kleidung wurde da schon lange nicht mehr am häuslichen Webstuhl hergestellt.

Aber sicher wurde da auch weiterhin "heimgewebt". Hiermit ist KEINE geschäftliche Produktion gemeint, die dem Handel /Verkauf und dem finanziellen Gewinn dient, sondern der ganz normale Hausgebrauch und Eigenbedarf - von Tüchern, Säcken, Beuteln, Teppichen, Wandbehängen, Matten, Vorhängen. Für Haarbänder zum täglichen Gebrauch sind "festgelegte Tuchqualitäten der protoindurstriellen Textilproduktion" völlig irrelevant. Es reicht, wenn Muttern gerade die Fäden für einen kleinen Fußvorleger aufspannt und sich die Tochter davon etwas für ihr geflochtenes Haarband abzweigt. Gefärbt wurde ebenfalls auch zuhause und privat - mit Zwiebelschalen, Waid, Walnüssen, Birkenrinde, Beeren.

3)

Das Schaf des Nachbarn? Schafe sind Herdentiere. Nicht jede Region verfügt über Schafherden.

Exakt darum schrieb ich "WENN der Nachbar kein Schaf hatte." Ich schrieb nicht, dass jeder "eines" hatte. Schafe wurden auch zu dritt oder viert auf kleineren Weidegrundstücken gehalten (auch innerhalb von Stadtmauern!) oder zusammen mit mit denen anderer Nachbarn zum Weiden täglich in die weitere Umgebung geführt. Dazu wurden sie unterschiedlich markiert.

In Bremen wurden auch Schweine und Gänse in der Stadt gehalten - und ebenfalls zu größeren Gruppen zusammengefasst und abends zurück gebracht. Die "Sögestraße" erzählt z.B. davon, hier wurden die Schweine von den Hirten hindurch getrieben, wenn sie sie abholten oder zurückbrachten.

4)

Bitte nicht die historische Realität mit einem Mittelaltermarkt verwechseln!

Ich lebe weit oben im Norden von Deutschland - Mittelaltermärkte sind hier so rar, dass ich mich damit nicht auskenne, ich war noch auf keinem und sie sind für mich nicht von Interesse. Es mag an meinem Beruf liegen, dass ich mit wenig authentischen Kulissen und fantasie-aufgefüllten "Pseudo-Idyllen" nichts anfangen kann. Mein Wissen stammt also keinesfalls von Märkten, sondern von der Auseinandersetzung mit historischen Details und Lebensumständen.

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