Was hat das Rezeptorprotein mit dem Experiment zu tun?

1 Antwort

Hi,

das ist ja ein ganzes Bündel an Fragen :O

Sollen wir das etwas sortieren... Erst mal zu dem Rezeptorprotein, schau mal auf diese schöne Skizze über die Wahrnehmung von Rosenduft https://naturwissenschaftblog.files.wordpress.com/2017/02/riechen_glomeruli_1200.jpg

Damit wir etwas riechen können, müssen Duftmoleküle auf unsere Riechschleimhaut in der Nase gelangen. Dahin werden sie üblicherweise mit dem Lufstrom getragen, den wir durch die Nase einsaugen und bleiben an ihr hängen. Dort veranlassen sie Riechsinneszellen dazu, Signale über Nervenbahnen an das Gehirn zu senden. Die Schnittstelle zwischen Duftmolekül (Reiz) und Auslösen eines Nervenimpulses in den Riechsinneszellen (elektrische Energie) sind Proteine der Riechzellmembran. Diese werden nach außen zur Riechschleimhaut hin dargeboten. Fällt ein Duftstoffmolekül auf so ein Rezeptorprotein in der Membran der Riechsinneszellen, welches genau für diesen Duftstoff geformt ist, löst dies in der Riechsinneszelle über eine Signalübertragung, die Nervenimpulse aus, die als z.B. "ich rieche Zigarettenrauch/Rosen/Reibekuchen etc. im Gehirn ausgewertet werden. D.h. ohne solche Rezeptorproteine in den Cilien der Riechsinneszellen, könnten wir den Geruch nicht wahrnehmen.

Das Vorhandensein der Rezeptormoleküle auf den Riechsinneszellen ist genetisch festgelegt. Da die Information über die Ausformung der Rezeptorproteine, also deren Bauplan, auf der DNA hinterlegt ist. Soweit so gut.

Bis vor einigen Jahren war man fest der Meinung, dass einige Sachen definitiv nicht vererbt würden, da sie nicht als Informationsänderung in der DNA auftauchen würden.

Dazu zählen z.B. Umwelteinflüsse auf das äußere Erscheinungsbild, den Phänotyp des Organismus, die er Zeit seines Lebens erfährt und im Lauf des Lebens erworbene Verhaltensweisen, z.B. solche, die durch individuelle Lernprozesse zustande kommen. Weil das, was man im Laufe seines Lebens erlernt habe, würde ja zu keinem veränderten DNA-Informationsgehalt führen, denn es würde ja nur über unsere Lebensspanne in unserem Gehirn abgespeichert. Dieser Speicher würde aber mit unserem Tod, ohne dass wir den Inhalt auf genetischer Ebene an unsere Nachkommen weitergeben könnten, erlöschen.

Was nun an den Mäusen zu beobachten ist, ist dass die Eltern gelernt haben, einen Geruchsstoff als angstauslösend einzustufen. Das hat man mit der sog. Konditionierung erreicht. Man hat den Geruchsstoff mit einem negativen Erlebnis zeitlich verknüpft (leichter Stromschlag an den Füßen), so dass irgendwann der Geruchsstoff alleine bereits Angst auslösen konnte (Starre).

Geruchsstoff und negatives Erlebnis wurden miteinander verknüpft. Dieses Verknüpfen, ist ein Zeichen von Lernen. Man kann nun Angstverhalten nur durch den harmlosen Geruchsstoff bereits auslösen.

Einfaches Beispiel: Opa verschüttet den Kaffee beim Kaffeekränzchen, wenn samstags die Feuerwehrsirene um 12:00 zum Test lange aufheult. Dieses Heulen hat bei älteren Menschen, die den 2. Weltkrieg erlebt hatten, noch Jahrzehnte später Angst ausgelöst, da sie damals z.B. wie die Hasen über Feldwege rannten und sich in im Unterholz in Sicherheit bringen mussten, während die Tiefflieger kamen und alles kurz und klein schossen, was sich bewegte. Dazu ertönte kurz vorher zur Warnung das Geräusch der Zivilschutzsirenen, welche durchaus ähnlich klingen mögen, wie die auf dem Feuerwehrdach. Hier wurde das Ertönen der Zivilschutzsirenen mit dem negativen Erlebnis der lebensbedrohlichen Luftangriffe durch Konditionierung verknüpft, es wurde gelernt, dass dann was schlimmes folgen würde, man musste sich schnellstens in Sicherheit bringen, sodass das Heulen der Sirenen alleine, bereits alle körperlichen Angstanzeichen auslösen konnte, wie Herzrasen, Angstschweiß, Versagen der Stimme, Unwohlsein im Magen, Zittern, etc. und das, obwohl der Krieg schon z.B. 50 Jahre beendet war. Immer noch lief es den Betroffenen kalt den Rücken runter. Ein klassisches Beispiel für Konditionierung.

Dies erlernte Verhalten würde normalerweise aber nicht an Kinder und Enkel vererbt. Diese Überzeugung galt bis vor wenigen Jahren als sicher.

Nun fand man aber z.B. bei den Mäusen in deinem Experiment auch bei deren Nachkommen offenbar ein Ansprechen auf den Duftstoff, durch das Zeigen der Angststarre, obwohl diese nie konditioniert wurden, also dieses Verhalten nicht erlernt haben. Der Duft ist ja vollkommen harmlos.

Damit einhergehend fand man gehäuftes Auftreten von Rezeptorproteinen für diesen eher ungewöhnlichen Duftstoff des Acetophenons auf den Riechzellen der Riechschleimhaut und das beides zusammen lässt jeden aufhorchen, der bisher an die alten Grundsätze glaubte.

Denn das Zeigen einer nicht erlernten Verhaltensweise, ohne je Gelegenheit zu haben, diese zu erlernen, da man ja nie negative Konsequenzen mit dem Duft erlebt hat und das vermehrte Auftreten von Rezeptormolekülen in den Riechsinneszellen der nächsten und übernächsten Generation, für den angstauslösenden Reiz (Duft), der im Leben von Mäusen sonst keine Rolle zu spielen scheint, spricht eindeutig für eine Vererbung des Verhaltens und der modifizierten Merkmalsausprägung.

Von dem Grundsatz, dass erlerntes Verhalten oder Erfahrungen, die man im Laufe des Lebens gemacht hat, den DNA-Informationsgehalt nicht direkt ändern würden, wollte man nicht abrücken. Jedoch musste das Modell offenbar eine Ergänzung erfahren, um das Beobachtete erklären zu können und hier spielt die Epigenetik hinein, nämlich nicht den Inhalt der DNA zu verändern, sondern die Möglichkeit des Zugriffs darauf anzupassen. Das konnte anhand der beobachteten differentiellen Genaktivität in Organismen der nächsten und übernächsten Generation, die aufgrund eines erlernten Verhaltens der Vorgängergeneration zustande kommt, gezeigt werden.

Dies erklärt man sich so, dass hier keine Veränderung in der DNA geschaffen wurde oder vererbt wurde, sondern der Umstand, ob ein Gen abgelesen wird oder nicht, eine Änderung der Genaktivität, die offenbar vererbt werden kann.

Bei der Regulation der Genaktivität, also wann wird eine vorhandene Information gelesen und umgesetzt oder nicht, scheint das Methylierungsmuster der DNA eine Rolle zu spielen.

Methyltransferasen modifizieren DNA-Bausteine, indem sie an eine Base eine Methylgruppe (-CH3) hinzufügen, wie z.B. am C-5 des Cytosins: https://www.researchgate.net/figure/Conversion-of-cytosine-to-5-methylcytosine-by-DNA-methyltransferase-DNMT-DNMT_fig2_44590815 dabei entsteht 5-Methylcytosin, das ist ja auch in deinem Buch oben rechts gezeigt.

Aktive Gene unterscheiden sich von stummen Genen im Grad der Methylierung der Cytosine.

Die Modifikation der DNA-Bausteine führt zu einer Blockade der Genaktivität. Aktive Gene sind hingegen nur geringfügig oder gar nicht methyliert. Die Methylierung der DNA ist also eine Begleiterscheinung der Genaktivität, deren Veränderung zudem an die nächste Generation weitergegeben werden kann. Hier wird also nicht ein veränderter Inhalt (Basenfolge) der DNA vererbt, sondern ein veränderter Zugriff auf DNA-Bereiche bei gleichem Inhalt. Das kausal zu erklären ist Gegenstand der Epigenetik.

Die Methylierung der DNA ist bei Organismen, die sie zur Zugriffssteuerung nutzen, überlebenswichtig, ca. ~70% der C-G Basenpaaren von Säugetiergenomen sind methyliert. Schaltet man das zuständige Gen für DNA-Methyltransferase aus, dem Enzym welches die Methylierung vornimmt, sterben die Tiere noch während der Embryonalentwicklung.

Man kann sich das Anbringen der Methylgruppen an DNA-Bausteine als eine Veränderung der Zugänglichkeit der DNA vorstellen. Wenn dich z.B. jemand umarmen wollen würde und du streckst beide Arme aus, dann sollte das wohl nicht gelingen. Ragt beispielsweise so ein Methylrest in die große Furche ("major groove") der DNA http://www.allometric.com/tom/courses/protected/MCB6/ch04/4-03.jpg könnten z.B. bestimmte Transkriptionsfaktoren nicht mehr an die DNA binden und das Ablesen der Information gewährleisten oder bestimmte Proteine erkennen die Methylierung und binden sich an die DNA, so dass der Startpunkt der Ablesung von Genen, der Transkription (die sog. Promotorregion) versperrt wäre. Die Promotorregion ist die Region der DNA, die zum Ablesen eines Gens oder einer Gruppe von Genen und der Umsetzung ihrer Information über messenger-RNA bis zu den fertigen Proteinen, zugänglich sein muss und vor den eigentlichen Genen liegt. In deinen Versuch ist offenbar die Methylierung der DNA für das Gen für das Rezeptormolekül für Acetophenon aufgehoben worden und dieser Zustand auch vererbt worden, so dass in der Riechschleimhaut von Mäusenachkommen das Rezeptorprotein für Acetophenon öfters als normal enthalten ist. Gruß und N8, Cliff