Was bedeuten das Feuer und das Licht in Platons Höhlengleichnis?

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Das Feuer bedeutet das Licht der natürlichen Sonne, das Licht – wenn innerhalb des Gleichnisses das Sonnenlicht gemeint ist – eine von der Idee des Guten ausgehende Wirksamkeit.

Das berühmte Höhlengleichnis, das Platon in seinem Werk „Politeia“ (514 a– 521 b und 539 d – 541 b) geschrieben hat, ist nach im Text selbst gegebenen Hinweisen (517 a – 521 b und 532 a– 535 a) im Zusammenhang mit dem Sonnengleichnis (508 a – 509 d) und dem Liniengleichnis (509 d – 511 e) zu deuten. Dies ist eine methodische Hilfestellung.

Platon versucht im Sonnengleichnis eine Analogie (Entsprechung) von Idee des Guten und Sonne darzulegen. Die Verhältnisse im sichtbaren Bereich (ὁρατὸς τόπος), der Sinnenwelt/empirischen Welt, gleichen dabei denen im denkbaren Bereich (νόητος γένος/τόπος), einer durch Vernunft einsehbaren (geistig erfassbaren) Welt (dies ist der Bereich der Ideen). Die Idee des Guten soll in einer entsprechenden Art zu dem verstanden werden, was für die Sonne (Sprössling/Abkömmling der Idee des Guten) gilt.

Die Höhle im Höhlengleichnis steht für das gewöhnliche Dasein der Menschen. Sie ist der Bereich der Sinneswahrnehmungen und der Beschränkung auf den Anschein bei einer Erfahrung. Das Umschließen symbolisiert die Begrenztheit, die Dunkelheit die mangelnde Klarheit und das fehlende Wissen.

das Feuer (τὸ πῦρ)

Das Feuer in der Höhle steht in einer Entsprechung für die Sonne, die mit ihrem Licht das Sehen ermöglicht.

Die Sonne (ὁ ἥλιος) - in der Welt außerhalb der Höhle, in die ein Aufstieg unternommen wird - steht für die Idee des Guten.

das Licht (τὸ φῶς)

Die Frage nach dem Licht bezieht sich vermutlich vor allem auf das Sonnenlicht. Das Licht ist eine vermittelnde Wirksamkeit, sowohl das Licht im Bereich der Sinnenwelt als auch das geistige Licht (für das im Gleichnis das Licht der Sonne steht).

Im sichtbaren Bereich benötigt beim Sehen die Sinneswahrnehmung einer Person mit ihrem Sinnesorgan ein zwischen ihr und dem Objekt vermittelndes Drittes (das Licht). Dieses leistet die Ermöglichung eines Wahrnehmens. Das Licht stammt von der Sonne und diese ist insofern die Ursache. Die Sonne (weder das Sinnesorgan noch die Fähigkeit der Sinneswahrnehmung) verursacht als begründende Kraft:

1) Sehen des Auges/Gesichtsinnes

2) Gesehenwerden des Sichtbaren

2) Einheit von Sehendem und Gesehenem im Sehvorgang

Wie im Licht ist auch in der Fähigkeit der Sinneswahrnehmung etwas von der Art der Sonne enthalten. Die Sonne, als lebensspende, -fördernde und erhaltende Kraft, ist auch die Ursache der Existenz von Dingen. Dies kann sie sein, ohne ihrem Werden und Vergehen zu unterliegen.

Im denkbaren Bereich verleiht die Idee des Guten Wahrheit und Sein/Existenz und gibt insofern als Ursache dem Subjekt (eine Person mit Erkenntnisvermögen in der Seele) die Fähigkeit zu Wissen/Erkenntnis. Ein geistiges Licht (in einer Doppelnatur als Wahrheit und Sein) ist das vermittelnde Dritte, das Bedingung der Möglichkeit von Erkennen ist.

Die Idee des Guten verursacht als begründende Kraft:

1) Erkennen der Seele

2) Erkanntwerden des Denkbaren/Einsehbaren

3) Einheit von Denkendem und Gedachtem (den Ideen), Denken und Sein, im Erkenntnisvorgang

In Wahrheit und Erkenntnis wie auch im Erkenntnisvermögen in der Seele (Geist/Vernunft) ist etwas von der Art der Idee des Guten enthalten. Dem Erkannten wird von der Idee des Guten Dasein und Wesen zuteil, die Idee des Guten übersteigt aber noch Wesen/Seinendheit/wesenhafte Bestimmtheit (οὐσία) und überragt sie an Alter und Kraft.

einführende allgemeine Erörterungen sind z. B.:

Hans Krämer, Die Idee des Guten : Sonnen- und Liniengleichnis. In: Platon, Politeia. Herausgegeben von Otfried Höffe. 2., überarbeitete Auflage. Berlin : Akademie-Verlag, 2005 (Klassiker auslegen ; Band7), S. 179 – 204

Thomas Alexander Szlezák, Das Höhlengleichnis (Buch VII 514 – 521 b und 539 d – 541 b). In: Platon, Politeia. Herausgegeben von Otfried Höffe. 2., überarbeitete Auflage. Berlin : Akademie-Verlag, 2005 (Klassiker auslegen ; Band7), S. 205 – 228

ausführlich und sehr vertiefend ist z. B.:

Jens Halfwassen, Der Aufstieg zum Einen : Untersuchungen zu Platon und Plotin. 2., um einen Forschungsbericht erweiterte Auflage. München ; Leipzig : Saur, 2006, S. 220 – 265

Albrecht  21.03.2012, 01:01

S. 241: „Die einheitsstiftende Mächtigkeit des Einen zeigt sich im Seienden durch Maßhaftigkeit (μετριότης) und Maßbestimmtheit (συμμετρία), durch die das Viele, das an sich selbst unbegrenzt (ἄπειρον) und unbestimmt (ἀόριστον) ist und so ins Nichts zergehen müßte, ins Sein geeint wird und Grenze (πέρας) und Bestimmtheit (ὅρος) erhält. Die Maßbestimmtheit seiner Teile, dergemäß jeder Teil jeden andern zum Vorschein kommen läßt, erhält das Viele im Sein, indem sie Einheit in der Vielheit verbürgt, in welcher Einheit die Teile sich auf das Ganze und das Ganze sich in seinen Teilen auf sich selbst bezieht (vgl. Parm. 157 C – 158 D, spez. 157 C7 - E 3 und 158 C7 – D 2). Das ist aber das Wesen der Schönheit (κάλλος), der Vollkommenheit des κόσμος νοητός, der sein Wesen in vollständiger Ausgeprägtheit und Artikuliertheit besitzt, indem das Ganze und die Teile sich wechselseitig durchdringen und ineinander sind; und dies ist als die Durchlichtetheit, durch die alles Seiende intelligibel ist, zugleich die Wahrheit (ἀλήθεια)."

S. 247- 248: „Das einende Dritte, das verbindet und unterscheidet zumal, ist nun das Licht (φῶς). […]. Durch seine artikulierende Helligkeit gliedert es das Sichtbare und schließt es zugleich zu einem in sich geeinten Ganzen zusammen und macht es dadurch erst sichtbar. Zugleich aktualisiert das Licht das Sehvermögen und ist damit das “kostbare Licht“ (508 A 1), durch das der Sinn des Sehens und die Macht des Gesehenwerdens im aktualen Sehen zur in sich selbst unterschiedenen Einheit zusammengespannt sind. (ἐζύγησαν) (507 E 6 – 508 A 2)“

S. 252: „Durch seine einheitsstiftende Kraft also verbindet das „intelligible Licht“ alles Intelligible zur Einheit eines in sich gelichteten Ganzen, des Ideenkosmos, und ermöglicht zugleich die Einheit von Nous und Idee, von Denkendem und Seiendem im Akt der Erkenntnis.“

Platon hat nach antiken Zeugnissen eine Prinzipienlehre (griechisch ἀρχή = Prinzip) vertreten, zu der es in den schriftlichen Dialogen nur einige andeutende Hinweise gibt. Platon hat sie mündlich vorgetragen („ungeschriebene Lehre“; darunter ein öffentlicher Vortrag „Über das Gute „ [Περὶ τἀγαθοῦ]) und mit anderen erörtert. Als Prinzip der Einheit verleiht das Eine (ἕν) als Idee des Guten allem Grenze und Bestimmung und damit Existenz und Erkennbarkeit. Zu diesem ersten Prinzip tritt – ihm auf gewisse Weise untergeordnet – als ein zweites Prinzip die unbegrenzte/unbestimmte Zweiheit (ἀόριστος δυάς), von der die Vielheit abgeleitet ist. Dieses Materialprinzip für Ideen und Sinnendinge wird auch als Groß – Kleines (μέγα καὶ μικρόν) bezeichnet.

zu diesem Thema hilfreich:

Michael Erler, Platon (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 2/2). Basel ; Stuttgart : Schwabe, 2007, S. 392 – 429

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