Warum wird Goethes Faust so gehyped?

2 Antworten

„...der, um die Frauen klar zu machen, Getränke braucht.“ - Du meinst wohl den Hexentrank, der Faust verjüngt. Nun, der Gelehrte Faust in der Studierstube ist ein alter Mann. Er muss also erst verjüngt werden, damit er die Freuden des Lebens schätzen lernt; erst dann kann er „Helenen in jedem Weibe sehn“. Oder hast du schon mal einen alten Mann gesehen, der in jeder Frau gleich eine Helena sieht? - Um eine Frau „klar zu machen“, wie du dich auszudrücken beliebst, hat Faust sonst kein Getränk benutzt. Bei Margarete hat er es mit Schmuck versucht, den ihm Mephisto besorgte. So etwas versuchen viele Liebhaber. - „..... und die Mutter sogar tötet mit seinem Schlafmittel“ - gemeint ist der Schlaftrunk, den ihm ebenfalls Mephisto besorgte. Margarete sollte ihn ihrer Mutter geben, damit Faust ungestört seine Geliebte nachts besuchen konnte. Was beide nicht wussten: das Schlafmittel war von Mephisto vergiftet worden. So verabscheuungswürdig war die Vorgehensweise Fausts nicht. In der damaligen hochbürgerlichen Zeit war es für einen, der sich in ein anständiges Mädchen wie Margarete verliebte, quasi unmöglich, sein heiß geliebtes Mädchen nachts zu besuchen. Ohne so ein Schlafmittel ging es nicht. Überall spähten die wachsamen Augen der Nachbarn, des Bruders, der Mutter, der Kirche. - Faust kann also weiter von den Deutschen "gehypt" werden


safrano 
Fragesteller
 18.10.2015, 18:27

Hallo,

1. ja ich habe viele ältere Männer gesehen, die in den Frauen die Schönheit und sexuelle Energie sehen. Es sind Männer die im Einklang mit sich selber stehen und ihrer Essenz.

Jemand der so labil ist und sich vornimmt das Leben zu nehmen wie dieser Faust (das steht in Faust Teil 1) kann das natürlich nicht wertschätzen.

Informiere Dich mal über Hugh Heffner, der hats auch im Alter voll drauf.

https://de.wikipedia.org/wiki/Hugh_Hefner

Dazu hat ihn dieser Trunk nicht nur verjüngt sondern es war auch was drin dass es bei ihm mit den Frauen endlich klappt.

So ein Schlaftrunk bei der Mutter ist für mich genau so ehrenlos, wie es manche Looser heute in der Disko mit KO Tropfen versuchen, an Frauen ranzukommen.

So ein erbärmliches Vorbild für ein ganzes Volk. Haben die Deutschen doch wirklich nicht nötig!

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Safrano, deine Ausführungen verraten ein grundsätzliches Missverständnis bezüglich der klassischen deutschen Literatur. In dem größten literarischen Kunstwerk der deutschen Literatur, im „Faust“, wollte Goethe mitnichten einen Protagonisten vorführen, „der im Einklang mit sich selber steht“ und deshalb für den Leser ein Vorbild abgeben kann, der über eine stabile Persönlichkeit verfügt und ein ausgeglichenes sexuelles Verhältnis zu Frauen vorweisen kann, der in jeder Hinsicht ein ehrenwerter, angesehener Mensch ist und also für seine Person alles Unehrenhafte weit von sich weisen wird, der auf jeden Fall kein Loser, sondern ein souveräner winner of life ist. Solche heldenhaften Individuen mögen in der islamisch-arabischen Literatur als Protagonisten gefeierter Kunstwerke gelten, in der abendländischen Kultur haben wir ein grundsätzlich anderes Verständnis von (literarischer) Kunst. Kunst ist nach einer Definition von Heidegger „das Ins -Werk -setzen -der -Wahrheit“. So auch beim „Faust“. Es soll die Wahrheit des menschliche Daseins in der Gestalt des Protagonisten Faust dargestellt werden. Der Mensch ist mitnichten ein starkes, sein Schicksal souverän lenkendes und meisterndes Wesen, sondern er hat auch Schwächen, er ist unvollkommen und genügt oft nicht dem moralischen Anspruch, den er an sich stellt oder andere an ihn stellen. So sagt der Herr über Faust im „Prolog im Himmel“: „Es irrt der Mensch, solang er strebt.“- und er erlaubt Mephistopheles sogar, er dürfe ihn „seine Straße führen“, d.h. „diesen Geist von seinem Urquell abziehen“ und ihn „auf deinem Weg mit herabführen“; auf dem Weg des Teufels wohlgemerkt. So ziehen sich durch das ganze Drama die Versuche des Satans, Faust in alle möglichen Situationen der Versuchung zu führen, damit der also Verführte schließlich einmal das sagt, was ihn dem Mephistopheles endgültig anheim gibt: „Kannst du mich mit Genuss betrügen, das sei für mich der letzte Tag...., Werd' ich zum Augenblicke sagen:Verweile doch, du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehen!“ Der Schlaftrunk für die Mutter von Margarete ist so ein Versuch des Satans, den Faust „auf seine Straße zu führen“. Also: im Faust sollen die Deutschen nicht das Vorbild einer souveränen Lebensführung sehen, sondern ihnen wird ein zerrissener Mensch vorgeführt, der zwei Seelen in seiner Brust hat: „Die eine hält in derber Liebeslust sich an die Welt...., die andre hebt gewaltsam sich vom Dunst zu den Gefilden hoher Ahnen.“ Eine andere Art Vorbild können die Deutschen im Faust sehen, nämlich danach zu streben, was die Welt im Innersten zusammenhält, d.h. nach dem Sinn des Dasein zu forschen oder, wie der Herr im „Prolog im Himmel“ sagt: ihm (dem Herrn) – wenn auch verworren – zu dienen, der ihn „bald in die Klarheit führt.“ - Übrigens: Der Verjüngungstrunk, den Faust trinkt, enthält kein besonderes Liebeselexier, wie du meinst, sondern er ist ein „Verjüngungselexier“; damit „regt“ sich in dem wieder jung gewordenen Faust automatisch auch Cupido (der Liebesgott).


safrano 
Fragesteller
 19.10.2015, 21:41

Hallo Haldor, danke für dein ausführliches Pladoyer. Ja ich verstehe es jetzt besser, der Schueler liesst es um es um Empathie mit den Schwachen zu üben. Aufjedenfall eine düstere Gestalt dieser Faust mit seiner Begleitung. Waere ich in der elite und im Bildungsministerium an einer Powerposition, Ich würde es vom Lehrplan streichen und richtige positive Helden feiern. Da gibts ne ganze Menge regionaler Heros, nicht nur im "arabischem Kulturkreis"! Gerade vor dem Abitur ist es gut für die Schüler wenn sie sich mit starken Archetypen auseinandersetzen.

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Haldor  20.10.2015, 14:37
@safrano

Na ja, wie gesagt, es geht - auch im Deutschunterricht - um Kunst bzw. um hochrangige Literatur und nicht um Erbauungsliteratur!

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Haldor  20.10.2015, 14:56
@Haldor

Noch eine Anmerkung: Vielleicht hast du Recht! Der "Faust" ist für junge Menschen ein nicht ganz ungefährliches Werk, ähnlich wie Nietzsches "Also sprach Zarathustra" oder "Jenseits von Gut und Böse" (mit der jeweiligen Verkündung des Willens zur Macht).

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