Warum sind meine Füße jünger als mein Kopf, obwohl auf dem Boden die Zeit schneller vergeht als oben?


08.07.2022, 00:28

ENTSCHULDIGUNG. Andersherum: 

Warum sind meine Füße jünger als mein Kopf, obwohl oben die Zeit schneller vergeht als auf dem Boden ?

6 Antworten

Hallo hoth560,

grundsätzlich verhält sich Gravitation ganz ähnlich wie eine Trägheitskraft.*) Dies führte EINSTEIN über das Äquivalenzprinzip zur Allgemeinen Relativitätstheorie (ART).

Warum sind meine Füße jünger als mein Kopf, obwohl oben die Zeit schneller vergeht als auf dem Boden?

Nicht obwohl, sondern weil. Da eine am Boden liegende Uhr langsamer läuft als eine in Kopfhöhe, misst sie weniger Zeit.

Dass dem so ist, hängt mit der Frequenzverschiebung durch Gravitation zusammen.

Warum bedeutet Frequenzverschiebung, dass "unten" eine Uhr langsamer läuft?

Angenommen, ich trinke z.B. einen Kaffee und erzeuge gleichzeitig elektromagnetische Wellen, etwa 1MHz. Wenn ich den Kaffee in 6min=360s trinke, sind gleichzeitig direkt neben mir 360 Millionen Schwingungen abgelaufen. Das muss auch in Deiner Wahrnehmung so sein, auch wenn diese 360 Millionen Schwingungen nach Deiner Uhr mehr oder auch weniger Zeit in Anspruch nehmen. Daher ist Rotverschiebung immer mit Zeitlupe und Blauverschiebung immer mit einem Zeitraffer verbunden.

Warum gibt es überhaupt eine Frequenzverschiebung?

DOPPLER-Effekt

Wenn Du in einem Raumschiff beschleunigst und von hinten nach vorn ein Lichtsignal schickst, kommt es leicht rotverschoben vorn an, denn selbst in der kurzen Zeit, die das Licht für den Weg gebraucht hat, ist dieses schon etwas schneller geworden. Von vorn nach hinten geschicktes Licht wird aus demselben Grunde leicht blauverschoben. Dies ist der DOPPLER-Effekt.

Energieerhaltung

Im Gravitationsfeld kann man die Rot- und Blauverschiebung auch anders begründen, und zwar mit dem Energiesatz. Licht der Frequenz f besteht aus Energieportionen der Energie hf, wobei h das PLANCKsche Wirkungsquantum ist. Eine solche Portion heißt ein Photon.

Dessen Energie lässt sich als seine kinetische Energie auffassen; eine Ruheenergie, d.h. Masse, hat es nicht.

Allerdings koppelt auch kinetische Energie an Gravitation, und so hat auf einem Gravitationspotential Φ ein Photon die potentielle Energie hfΦ⁄c². Das führt zur – konstanten – Gesamtenergie

(1) hf(1 + Φ⁄c²) =: hf₀,

wobei f₀ die Frequenz ist, die ein Photon auf dem Gravitationspotential Φ=0 hat, also im freien Weltraum.

Das Verhältnis zwischen den Frequenzen f₁ und f₂, die das Licht an zwei Orten mit den Potentialen Φ₁ und Φ₂ hat, ist

(2.1) f₂⁄f₁ = (1 + Φ₂⁄c²)/(1 + Φ₁⁄c²).

Ist zumindest |Φ₁| << c², so lässt sich die Näherung

1/(1 + x) ≈ 1 − x

anwenden und erhalten

(2.2) f₂⁄f₁ ≈ (1 + Φ₂⁄c²)(1 − Φ₁⁄c²) = 1 + Φ₂⁄c² − Φ₁⁄c² + Φ₁Φ₂⁄c⁴.

Den letzten Term können wir vernachlässigen, wenn |Φ₂| << c² ist. Dann hängt das Frequenzverhältnis nur von ΔΦ = Φ₂ − Φ₁ ab, in der Nähe der Erdoberfläche also von der Höhe h.

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*) Was in gewisser Weise schon GALILEI auffiel. Der stellte schon im frühen 17. Jahrhundert fest, dass ohne Luftwiderstand alle Objekte unabhängig von ihrer Masse gleich stark beschleunigt würden.

Durch den langen Signalweg von Füßen zu Kopf erscheint es dir nur so, da dein Kopf deine Füße in deren Vergangenheit wahrnimmt.

Wären deine Augen in den Füßen, wäre das anders.


PMeindl  17.08.2022, 16:49

Also bei Hühneraugen.

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SlowPhil  22.08.2022, 11:35

Das mit der Laufzeit ist allerdings nicht gemeint. Es geht um die gravitative "Zeitdilatation" (das Wort ist irreführend, da es einfach der Unterschied zwischen einer von einer Bezugsuhr U aus ermittelte Koordinatendifferenz (nämlich der U-Koordinatenzeit) und der eigentlichen Weglänge (hier: Eigenzeit) ist).

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Zunächst ist der Altersunterschied zwischen Kopf und Füßen aufgrund der Gravitation so minimal, dass er sich jeder Messung entzieht.

Das eigentliche Problem ist: Die Zellen Deiner Füße erneuern sich durch Teilung alle paar Monate, aber die Nervenzellen des Gehirns teilen sich nach Erreichen der endgültigen Hirngröße gar nicht mehr, es sterben nur noch Zellen ab.

Man kann also sagen: Das Älteste am Menschen ist und bleibt sein Gehirn.

Normalerweise ist es umgekehrt! Die Zeit vergeht langsamer, wenn die Geschwinndigkeit größer ist. Da die Erde eine Kugel ist, istz der Abstand des Kopfes vom Erdmittelpunkt ein klitzekleines bisschen größer als der der Beine, wodurch die Geschwindigkeit des Kopfes (zumindest wenn Du sitzt oder gehtst) ein klitzekleines bisschen größer ist.........

Aber macht jetzt nicht wirklich einen dramtasichen Unterschied!

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Blume8576  08.07.2022, 22:13

Zumindest hast du schon mal erkannt das es andersrum sein soll.

Tatsächlich läuft die Zeit aber ûberall gleich schnell ab.

Zeit ist in der Physik definiert als Sachverhalt zur Beschreibung der Abfolge von Ereignissen.

"ZEIT" als solches lässt sich also nur indirekt an Ereignissen beobachten und beschreiben.

Sollte also "Die Zeit " langsamer vergehen, wenn man schneller wird, dann werden die Ereignisse immer langsamer ablaufen.

Bei einem Raumschiff ,das beschleunigt , wûrde der Antrieb also immer langsamer Treibstoff verbrennen, je schneller es wird.

Das Ereigniss der Verbrennung ( Atomar betrachtet) wûrde langsamer ablaufen, bis hin zum Stillstand, wenn man Lichtgeschwindigkeit erreichen könnte .

Selbst bei 86,6 % Lichtgeschwindigkeit wäre der Verbrennungsvorgang nur noch halb so schnell.

Die Nachgewiesene Zeitdilatation ist ein Effekt auf Grund der Laufzeit von Signalen, bezogen auf Objekte im Raum.

Es erscheint nur so ,als ob die "Zeit" langsamer vergeht.

Bei GPS Sateliten handelt es sich um Inertialsysteme bezogen auf den Erdmittelpunkt. Dort gibt es keine Zeitdilatation.

Bezogen auf die Erdoberfläche aber schon, da die Laufzeit der Signale sich ändert, je nachdem wie schnell man selbst ist und in welche Richtung man fährt. So kommt es das ein Satelitensignal , das zb um 12 uhr ausgesendet wird , beim auto zb um 12uhr 1 sekunde ankommt.

Da das Singnal den 12 uhr "stempel" hat erscheint es so als ob dort die uhr nachgeht ( langsamer geht)

Diese Laufzeitunterschiede , zwischen den Sateliten und dem Empfänger , muss man kompensieren, sonst berechnet dein Empfänger einen anderen Standort.

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Aoeteroaner  09.07.2022, 04:44
@Blume8576

langer Text, kurze Zwischenfrage:

Warum müssen die Uhren in den Positionssatteliten (GPS,Gelileso, Glonass, Beidu) als langsamere Zeit verstimmt werden, damit sie mit der Zeit auf der Erdoberfläche synchron laufen? Nur mal so als Gedanke.......

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SlowPhil  22.08.2022, 11:50

Hier ist die gravitative "Zeitdilatation" gemeint. Die Füße liegen auf einem geringfügig tieferen Gravitationspotential als der Kopf. Deshalb hat eine zu Füßen positionierte Uhr auch einen geringfügig längeren Zeittakt, misst also im Gegenzug auch geringfügig weniger Zeit als eine in Kopfhöhe positionierte.

Viel ist das natürlich nicht, und die größere Bahngeschwindigkeit des Kopfes hat theoretisch einen gegenläufigen Effekt, der aber noch geringer ausfällt und zudem vom Breitengrad ½π − θ abhängt. Am Äquator ist der Effekt noch am stärksten, an den Polen ist er gleich 0.

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SlowPhil  22.08.2022, 17:53
@Aoeteroaner

Nein, Du hast auf die etwas größere Geschwindigkeit des Kopfes aufgrund des etwas größeren Abstandes vom Erdmittelpunkt angespielt.

Das ist SRT.

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SlowPhil  22.08.2022, 17:51

Man kann das ganze ja mal mit "Fleisch" versehen: Die SCHWARZSCHILD- Metrik sagt für Objekte auf konstanter radialer Koordinate r und konstantem Breitengrad ½π − θ voraus, dass

(1) c²dτ² = c²dt²(1 − ř⁄r) − r²š²dφ²

ist. Das š steht für sin(θ), den Cosinus des Breitengrades, das ř für den SCHWARZSCHILD- Radius

(2) ř = 2GM⁄c²

der SCHWARZSCHILD- Radius ist (M ist die Masse des Himmelskörpers und G ≈ ⅔∙10⁻¹⁰ m³/(s²kg) die Gravitationskonstante.

Dabei ist dτ eine vor Ort gemessene Zeitspanne (Eigenzeit), dt eine von einer fernen Uhr U (aber in ähnlichem Abstand zur Sonne, denn deren Gravitationsfeld haben wir nicht berücksichtigt) gemessene Zeitspanne (U- Koordinatenzeit) und r∙š∙dφ ist eine kurze Strecke entlang des Breitengrades ½π − θ.

Teilen wir (1) durch c²dτ², erhalten wir

(3) 1 = γ²(1 − ř⁄r) − r²šω²⁄c²,

wobei γ = dt⁄dτ der Faktor ist, um den eine lokale Uhr langsamer geht als U, und ω ist die Winkelgeschwindigkeit, wie sie von einer erdgebundenen Uhr gemessen wird. Weitere Umformung ergibt

(4.1) (1 + (r⁄c)²š²ω²)/(1 − ř⁄r) = γ²

und damit

(4.2) √{(1 + (r⁄c)²š²ω²)/(1 − ř⁄r)} = γ.

Wir wollen aber Kopf und Fuß miteinander vergleichen, also zwei γ- Werte, einen für r₁ = R ("Erdradius") und r₂ = R + h (h Deine Höhe bis etwa Kopfmitte), das ergibt

γ₂⁄γ₁
= √{(1 + (R⁄c)²š²ω²)(1 − ř/(R+h))}/
   √{(1 + ((R+h)⁄c)²ω²)(1 − ř⁄R)}.

Das klingt mega kompliziert, aber alle Größen hier sind sehr klein, was etliche Näherungen erlaubt:

für |x| << 1: √{1 + x} ≈ 1 + ½x
                   1/(1 + x) ≈ 1 − x

für x,y << 1: (1 + x)(1 + y) ≈ 1 + x + y
                    (1 + x)/(1 + y) ≈ 1 + x − y.

Dadurch wird

γ₂⁄γ₁ ≈ 1 + ½(R⁄c)²š²ω² − ½(R + h)²⁄c²š²ω² − ½ř/(R + h) + ½ř⁄R

≈ 1 + ½(R⁄c)²š²ω² − ½(R⁄c)²š²ω² + (Rh⁄c²)š²ω² − ½ř/R(1 + h⁄R) + ½ř⁄R

Zwei Terme heben sich auf, und wegen h⁄R << 1 können wir auch hier schreiben:

≈ 1 + (Rh⁄c²)š²ω² − ½(ř/R)∙(1 − h⁄R) + ½ř⁄R

= 1 + (Rh⁄c²)š²ω² + ½ř∙h⁄R².

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SlowPhil  22.08.2022, 18:34
@SlowPhil

ERRATRUM I:

An einigen Stellen muss es zu Vorzeichenfehlern gekommen sein; einen habe ich schon identifiziert.

Das Ergebnis entspricht aber nicht meiner Erwartung.

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Aoeteroaner  23.08.2022, 03:11
@SlowPhil

Ich hatte nie vor das durchzurechnen. Dasführt hier meiner Meinung nach zu weit. Aber ok, ich hoffe, Du hattest Spaß

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Aoeteroaner  23.08.2022, 04:56
@SlowPhil

Und es war auch von vorneherein vollkommen klar, dass der Unterschied extrem klein sein muss, sitzt und liegt der Mensch ja auch viele Stunden, was den Zeitunterschied noch mal kleiner macht. Manchmal fangen ja Leute an nachzudenken, worauf ihre Frage eigentlich abzielt......

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Ich vermute mal, das zumindest mit deinen Füßen alles in Ordnung ist.