Warum haben so viele Erwachsene keinen Respekt vor Jugendlichen mit der Ausrede, dass man nicht so viel Lebenserfahrung hat?


17.08.2020, 15:08

Ich muss mich Korrigeren. Es sind doch viel mehr Erwachsene respektlos und scheinbar arroganter als ich dachte.

15 Antworten

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Ich finde, dass das eine spannende Frage ist, die du da stellst. Ich würde die Frage des Respekts gerne von der der Lebenserfahrung trennen. Natürlich haben Erwachsene in aller Regel mehr Lebenserfahrung als Jugendliche, was meiner Meinung nach auch Konsequenzen für den Umgang miteinander hat und haben sollte.

Der Umstand der größeren Lebenserfahrung darf meiner Meinung nach aber nicht zu weniger Respekt im Umgang führen. Die Frage des Respekts ist eine ganz andere Frage und da möchte ich die Frage gerne erweitern zu der Frage: Warum haben so viele Erwachsene keinen Respekt vor Kindern und vor Jugendlichen? Die Gründe sind wahrscheinlich ähnlich.

Der große inzwischen verstorbene amerikanische Kommunikationstrainer Marshall B. Rosenberg berichtet von einem empirischen Experiment (ich finde leider gerade den Text nicht, sinngemäß war es so): Darin wurden Leute aufgefordert, sich zu beschweren, nachdem sie sich über etwas geärgert hatten. Die einen wurden aufgefordert, sich beim Formulieren ihrer Beschwerde als Gesprächspartner intensiv ihre erwachsenen Nachbarn vorzustellen, die anderen wurden aufgefordert, sich die Kinder der Nachbarn vorzustellen. Diejenigen, die sich die Kinder vorstellten, formulierten deutlich barscher, unfreundlicher, respektloser.

Mich überraschte das nicht, inzwischen deutlich in der zweiten Hälfte meiner statistischen Lebenserwartung angekommen, erinnere ich mich deutlich an Respektlosigkeiten, die ich als Kind und Jugendlicher erfuhr: Wie ich als 12jähriger vom Kioskverkäufer behandelt wurde, bei dem ich auf dem Schulweg beim Umstieg vom Bus in die Straßenbahn Süßigkeiten kaufte, und ich mich heute frage: sah der in mir einen Kunden? Wie respektlos meine Sportlehrer mit mir geredet haben, wie ein Busfahrer, den ich als 17jähriger höflich beim Einstieg um eine Fahrkarte bat und das Geld hinlegte, worauf er eine komplette Minute überhaupt nicht reagierte und als ich dann auf das Geld zeigte, um ihn an meinen Kaufwunsch zu erinnern, er mich fragte, ob ich eigentlich geistesgestört sei, weil ich solche Gesten mache.

Du fragst nach den Gründen: Ich vermute, viele Erwachsene denken, dass von Kindern und Jugendlichen kein Widerstand ausgeht, deswegen können sie so mit ihnen reden. Manchmal unterstellen Erwachsene auch Kindern und Jugendlichen auch Dummheit aufgrund von deren Aussagen in Gesprächen reagieren entsprechend respektlos. anstatt sich einfach mal zu sagen: Hey, das können die nicht nicht wissen.

Dann gibt es vielleicht noch bestimmte Dinge, die vor allem Respektlosigkeiten gegen Jugendliche und weniger gegen Kinder betreffen: Es gibt ja einige Jugendliche, die sich gegenüber Erwachsenen oder auch anderen Jugendlichen sehr respektlos verhalten, zu Unzeiten Lärm machen, im Park ihre Bieflaschen herumliegen lassen, patzige Antworten geben, wo sie freundlich gefragt werden und was weiß ich noch alles. Und leider generalisieren nach meiner Erfahrung viele Erwachsene, die viele solcher Erfahrungen mit Jugendlichen gemacht haben. Sie sagen dann ganz schnell und pauschal: Alle Jugendlichen sind so, anstatt genau hinzuschauen und jeden einzelnen wahrzunehmen. Denn es gibt nach meiner Wahrnehmung sehr viele Jugendliche, die ausnehmend zuvorkommend und höflich sind.

Und dann muss man auch bedenken, dass die Pubertät sehr häufig für alle beteiligten eine sehr irritierende Phase ist. Jugendliche, die in die Pubertät eintreten, verlieren oft die kindliche Sicherheit im Umgang mit ihrer Außenwirkung und Ausstrahlung und sind praktisch ständig verunsichert. Die früher oft so selbstverständliche kindliche Freundlichkeit verliert ihre Unschuld, wenn man zu viel davon ausstrahlt, gilt man schnell als uncool.

Das führt häufig dazu, dass sie oft kein richtiges Gefühl dafür haben, wann sie mürrisch und abweisend und wann sie freundlich wirken. Das muss ja alles im Laufe der Pubertät erst wieder gelernt werden. Deshalb wirken Pubertierende eben oft abweisend, obwohl sie es eigentlich gar nicht sein wollen. Das wieder um ist natürlich auch für Erwachsene anstrengend und irritierend - und deshalb reagieren diese mitunter genauso abweisend. Verständlich, aber weiterführender wäre es natürlich, wenn die Erwachsenen an der Stelle aus ihrer Lebenserfahrung und der Erinnerung an die eigene Pubertät schöpften und sich vergegenwärtigen würden, dass die in Mimik, Körpersprache ausgedrückte Stimmung und Haltung eines Jugendlichen nicht immer mit dem übereinstimmt, was wirklich in dem Jugendlichen vorgeht.

Und dann gibt es noch diese eher witzigen Anwandlungen, an die ich als Jugendlicher hatte und die ich oft schmunzelnd bei Jugendlichen heute beobachte: Dass sie einem manchmal die Welt erklären und meinen, Leuten, die sich seit Jahrzehnten mit einem bestimmten Problem beschäftigen, eine einfache Lösung präsentieren zu können. Ich weiß noch, wie ich, obwohl ich noch nie ein Auto gesteuert hatte, meinte, ich könne das viel besser, als der, der da gerade seinen Wagen in eine enge Parklücke manövrierte. ;)

Wenn man so was nicht persönlich nimmt sondern mit Humor, mit innerem Schmunzeln, und sich vergegenwärtigt, dass das keine Arroganz ist sondern ganz normaler Ausdruck jugendlichen Überschwangs, jugendlicher Kraftentfaltung und des Willens, etwas beizusteuern, dann kann man meiner Meinung nach als Erwachsener gut damit umgehen und es bewahrt einen davor, den Respekt vor dem betreffenden Jugendlichen zu verlieren. (Allerdings denke ich, wenn Leute den jugendlichen Gestus, älteren und erfahreneren die Welt zu erklären, mit 28 immer noch nicht abgelegt haben, dann wird es peinlich).

Finde Respekt haben und Lebenserfahrung haben sind zwei verschiedene Dinge und das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Erwachsene respektieren einen aber wenn du eine Entscheidung beispielsweise treffen willst, denken Erwachsene oft, dass Sie es besser wissen weil sie eben vielleicht dasselbe auch erlebt haben. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht dass sie keinen Respekt vor dir haben.

Ich behandle auch junge Leute gerne mit Respekt und Anstand, wenn diese es in gleicher Weise entgegenbringen.

Wenn man als älterer gleich schon mit Opa, alter Sack begrüßt wird, dann ist das weder lustig noch respektvoll und wird entsprechend beantwortet.

Ich hörte öfters von Erwachsenen den Satz "mit 15 hat man noch nicht so viel Lebenserfahrung".

Eine derartige Aussage ist eine Tatsache, das hat mit fehlendem Respekt nichts zu tun.

Wer so einen Satz fallen lässt in der Konstellation, der hat halt nicht um die Ecke gedacht. Der Satz hat jetzt aber noch nichts mit mangelnden Respekt zu tun - denn diese Aussage ist schlichtweg war und korrekt. Jugendliche HABEN klar weniger Lebenserfahrung als Erwachsene (zumindest hierzulande, ich rede mal nicht von Ländern wo du gezwungenermaßen schneller erwachsen werden musst). Dazu kommt, dass manche (nicht alle) Jugendliche mit einer Naivität daherkommen, die manche Erwachsene (mich inklusive) ein bisschen zur Weißglut treibt.

Ich denke das liegt eher an dem verschiedenen Gedankengut, ein Jugendlicher sieht die Welt nicht mehr wie ein Kind, aber nicht so wie jemand der noch älter ist. Die ältere Person hingegen sieht unterbewusst sich selbst in dem Jugendlichen und denkt sich im Kopf dann meistens nur "wie kann man nur so blöd sein" - obwohl wir ja ganz genau wissen dass wir damals nicht besser waren. Wir verdrängen es nur, weil wir uns jetzt ja als lebenserfahren, klug und sonstwas sehen wollen ;) Aber zum Punkt "Respekt" noch - man muss sich Respekt schlichtweg erarbeiten, das kommt nicht von heute auf morgen und das kommt auch nicht davon wenn man sich als Jugendlicher ja ach so reif und erwachsen fühlt - und das ohne von der Härte der Welt etwas zu wissen

Mit 15 habe ich auch noch gedacht, dass ich alles über das Leben wüsste und es nur endlich mal so richtig losgehen muss. ;) Jetzt, mit Mitte 30, sehe ich das ein bisschen anders.

Ältere Menschen haben einfach mehr Lebenserfahrung. Die muss sie nicht unbedingt cleverer oder vernünftiger gemacht haben, aber sie hat sie reifen lassen, in welche Richtung auch immer.

Ich habe übrigens großen Respekt vor Jugendlichen, zumal ich mit ihnen wegen ihrer Social-Media-dominierten Lebenswelt, in der jeder zu jedem und allem eine Meinung hat und die auch kundtut, überhaupt nicht tauschen möchte.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung