Warum gibt es Menschen bei denen die Chemie mit anderen nie stimmt?

15 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

"Die Chemie stimmt (nicht)" ist eine Redewendung, die metaphorisch ausdrückt, dass zwei Menschen sich magisch zueinander hingezogen fühlen/ sich nicht füreinander bestimmt fühlen. Mit biochemischen Reaktionen ist das zunächst sekundär verbunden - diese spielen erst viele Rollen bei der Verliebtheit. Ansonsten als Grundlage einer Zueinanderhingezogenheit sind eigene Vorstellungen eines passenden Gegenübers/ Du wesentlich bedeutungstragender. Dazu hat jeder Mensch ein eigenes Projektionsbild - gegenseitige Interessen, gleiche Einstellungen in persönlich als besonders wichtig angesehenen Bereichen, überhaupt die eigene innere Disposition und Neigung sich weiteren Menschen gegenüber zu öffnen. Wenn Du einen Menschen/ Menschen findest, die Deine geistigen Interessen teilen, eine gleiche Ideen von Lebensinn/ Freundschaft/ Liebe usw. haben, die eine ähnliche geistige wie affektive Wachheit mit Dir teilen, werden sie Dich ansprechen/ magisch anziehen - unabhängig davon, ob Du biochemisch auf sie reagierst. Ich denke, Du fühlst Dich in (Freundschafts-)Liebe zu ihnen hingezogen und kannst sie automatisch "riechen", weil sie Dir zuvor in anderen Bereichen zusagten. Die "Chemie" kann wandeln und wesentlich schneller verwischen als eine tiefere Grundlage der Gemeinsamkeiten in gleichen Ansichten und Interessen - man riecht eine potentiell passendes Gegenüber an anderen denn biochemischen Prozessen. Das Sich-darin-Täuschen ist zudem in diesem Verständnis wesentlich geringer.

Die Aussagen über "die Chemie", also über die Wirkung von Pheromonen, von körpereigenen Duftstoffen, die Sympathiegefühle erzeugen oder auch nicht, sind im Prinzip richtig. Jeder Mensch hat dabei bestimmte Vorlieben und was den einen anlockt, stößt den anderen ab. Es gibt auch allgemein wirksame Sympathie-Duftstoffe, die alle Menschen anziehend finden. Gute Körperpflege ist auf jeden Fall wichtig. Die Chemie allein kann aber nicht für alles verantwortlich gemacht werden. Es gibt auch Menschen, die von ihrer Chemie her durchaus Sympathien erhalten und sich diese dann durch ihre Kommunikationsformen sehr schnell wieder zerstören. Es gibt Verhaltensweisen und Gesprächstechniken, die den anderen mehr oder weniger zwingen, sich bald zu verschließen. Genauso wie es verbale "Türöffner" gibt. Wer die Türöffner bewusst oder unbewusst kennt und anwendet, rennt offene Türen ein. Wer bestimmte Fehler im Gesprächsverhalten gewohnheitsmäßig macht, verdirbt sich alles.

 

evaness  04.04.2011, 06:21

Um von Anderen akzeptiert zu werden, ist es wichtig  ihnen zu signalisieren, dass man auch sie akzeptiert. Manche Menschen versuchen das durch positives Bewerten. Sie sagen, sie würden dies oder jenes toll finden usw. und erzeugen damit eine gewisse Beklemmung, denn der Andere bekommt den Eindruck, da stünde jemand mit einem Notenbuch in der Hand, der für alles Zensuren einträgt. Bald verfehlt das Lob die gewünschte Wirkung, denn Menschen wollen keine Einser sondern sie wollen sich als Mensch verstanden fühlen. Ein zustimmendes Nicken und Lächeln kommt viel besser an.

Manche machen Aussagen über die andere Person, die diese besser selbst machen sollte, denn wer weiß über sich und seine Dinge besser Bescheid als man selbst? Solche Du-Botschaften erzeugen eine Konfliktspannung, denn der/die Angesprochene muss dann die gemachte Aussage korrigieren oder er/sie ist beleidigt und zieht sich zurück. Wenn der/die Angesprochene die Aussage zurück weisen oder berichtigen muss, befinden sich die Gesprächspartner schon in Opposition. Das kann nicht gut gehen. Auch indirekte Botschaften durch Andeutungen und Anspielungen erzeugen eine Konfliktspannung. Wir brauchen aber eine spannungsfreie zwischenmenschliche Atmosphäre.

Wichtig für eine harmonische Kommunikation ist eine gewisse Geschicklichkeit, dem Anderen Fragen zu stellen, die nicht indiskret sind, die es ihm aber erlauben, mehr von sich zu erzählen. Dabei sollte man seine Aussagen wertungsfrei annehmen. Das nennt sich "aktives Zuhören". Dabei gibt man dem Anderen lediglich Rückmeldung über das, was man selbst von seiner Aussage verstanden hat, und gibt ihm dann die Möglichkeit, seine Aussage zu präzisieren oder noch mehr oder anderes zu erzählen.

1
evaness  04.04.2011, 06:26
@evaness

Vielleicht erinnerst Du Dich an Situationen, wo Du jemanden nach einem ersten Gespräch richtig sympathisch fandest, obwohl Du gar nicht so viel über ihn erfahren hast. Er/sie hatte Dir Fragen gestellt, Dir gut zugehört, Du konntest von Dir sprechen und fühltest Dich dabei wohl.

"Wie geht es Dir? Wie war Dein Tag? Wie geht es dem und dem? Was machst Du eigentlich in diesem oder jenem Bereich? Erzähl doch mal, wie sich das und das verhält. Ich verstehe nicht, warum das so und so ist. Verstehst Du das?" Solche Gesprächsaufforderungen öffnen den Anderen, weil er sich akzeptiert und anerkannt fühlt.

Ich kenne Leute, die wenn man etwas erzählt hat, das  Gesagte entweder bewerten oder etwas dagegen setzen. So einem Gesprächspartner weicht man ziemlich bald aus.

Wenn eine Tür offen ist, muss man mit dem Vertrauen des Anderen so umgehen, dass sie auch offen bleibt. Keine Wertung, keine Diskussion, einfach nur Verständnis zeigen. Wenn andere sich verschließen, liegt das häufig an der eigenen fehlenden Offenheit. Das kann auch Schüchternheit oder Unbeholfenheit sein. Die Angst selbst abgelehnt zu werden, kann die eigenen Verhaltensschwierigkeiten verstärken. Kommunikation muss man lernen. Dabei geht es um sinnvolle Gesprächstechniken. Nicht jeder hat da als Kind von seinen Eltern ein gutes Vorbild bekommen.

1
evaness  04.04.2011, 06:37
@evaness

Die Einen können es aus dem Bauch heraus, weil ihre Eltern es ihnen vorgelebt haben. Die Anderen müssen sich Gesprächstechniken mühsam aneignen. Lernen kann es jeder. Pheromone spielen in der Sexualität eine wichtige Rolle aber nicht in der normalen Kommunikation. Gefühle bewirken, dass entsprechende Pheromone gebildet werden als Duftsignale. Deshalb muss man lernen, keine Angst zu haben aber auch keine unbewussten Ängste zu erzeugen sondern Vertrauen.

Und wenn man jemanden selbst eigentlich gar nicht leiden kann, sollte man sich das eingestehen sich keine übertiebene Mühe geben. Die Leute, die man ehrlich mag, mögen einen auch, wenn die Kommunikation gelingt.

0
taigafee  04.04.2011, 07:40
@evaness

tolle antwort. aber was ist mit denen, die sich gar nicht anpassen wollen? die so genommen werden wollen, wie sie sind, und schmollen, wenn das nicht funktioniert? denen es lästig ist, sich kommunikationsweisen anzutrainieren und den macken anderer anzupassen, vorsichtig zu sein und nicht - wusch - anderen einfach geraderaus die meinung zu sagen? die überall deswegen anecken und selbst mimosen sind, wenn es darum geht, kritik einzufahren?

0
evaness  04.04.2011, 08:34
@taigafee

Dazu kannst Du bei WIKIPEDIA folgende Suchbegriffe eingeben:

Narzistische Persönlichkeitsstörung, Paranoide P. und Borderline P.

Solche Menschen haben häufig das Problem, nicht unterscheiden

zu können, ob sie das So-sein bzw. Anders-sein eines Anderen

tolerieren sollen, oder ob es um Unterordnung geht. Tolerieren

bedeutet NICHT, sich unterzuordnen. Es bedeutet gleichwertiges

Nebeneinander, eine friedliche Koexistenz mit dem ganz Anderen.

Nicht nur der Andere soll seine Ich-Botschaften selbst formulieren.

Auch man selbst soll das tun und sich damit abgrenzen, ohne den

Anderen abzuwerten: "Dir gefällt das Eine und mir gefällt das Andere."

Menschen die in der Kindheit schweren Übergriffen ausgesetzt waren,

fällt es häufig schwer, Toleranz und Unterordnung zu unterscheiden.

Eine Psychotherapie kann sehr hilfreich sein. Außer jemand will ein

Außenseiter sein und gefällt sich so. Dann braucht er keine Hilfe.

 

0
evaness  04.04.2011, 08:43
@evaness

Übergriffiges Kritisieren Anderer und mimosenhafter Rückzug

kann in der Pubertät als vorübergehende Phase vorkommen.

Da ist es nicht bedenklich und verläuft sich von selbst wieder.

Aber manche Menschen verharren in einer Art Dauerpubertät

als Zeichen einer seelischen Entwicklungsverzögerung. Ein

Kind akzeptiert vieles unkritisch. In der Pubertät lernt man,

zu erkennen und zu kritisieren. Als Erwachsener lernt man:

 "Leben und leben lassen im Verständnisse des fremden

Wollens ist die Maxime des freien Menschen" (Rudolf Steiner).

Die Betonung liegt auf "frei". Wer innerlich nicht frei ist, wird

das nicht können. Deshalb ist dann eine Therapie sinnvoll.

0
evaness  04.04.2011, 09:05
@evaness

Ziel der Kommunikation soll nicht sein, dass eine bestimmte andere Person so funktionieren muss, wie ich es haben möchte, sondern dass jeder für sich so leben kann, wie er/sie es für sich braucht - mit dem anderen oder ohne ihn. Wenn eine gewünschte Kooperation nicht möglich ist, muss jeder sich andere Kooperationspartner suchen, oder auch einfach erst einmal zu sich selbst finden.

Anpassung ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Wenn sie nicht freiwillig geschieht, hat sie keinen Sinn. Für manche Menschen ist es besser,  neue Entfaltungsräume zu finden, wo sie nach ihren eigenen Vorstellungen leben können. Das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Geborgenheit erfordert einen lebenslangen Entwicklungsprozess, bei dem auch die eigenen Standpunkte sich immer wieder wandeln.

0
evaness  04.04.2011, 09:41
@evaness

Wenn etwas kritisch beleuchtet werden muss, gibt es die Möglichkeit, nur die Sache zu kritisieren aber nicht die Person. Auch nicht das, was diese Person getan hat, sondern eine Bedingung, die zu diesem Ergebnis beigetragen hat. Anstatt: "Was hast Du für ein scheußliches Bild gemalt" lieber sagen:

"Wie dumm, dass die Aquarellfarben immer so leicht verlaufen. Das passiert mir auch manchmal. Aber mit Acrylfarben hat man eben nicht diese wunderbaren Transparenzeffekte". Wenn man so vorgeht, kann der Andere seine Probleme vertrauensvoll selbst beschreiben und verletzende Kritik wird überflüssig.

0

Man sagt ja nicht für umsonst "Gleich und gleich gesellt sich gern".,also bei dieser Redensweise kann man schon erkennen das sich Menschen mit den gleichen Interessen und Vorlieben schon deshalb gut verstehen. Kommen jetzt aber z.B. zwei Menschen zusammen, die jeweils eine andere Schulbildung und total anderes Niveau haben, also haben beide meist eine völlig andere Lebenseinstellung, was dann auch oft zu verbalen Auseinandersetztungen führt. In diesem Fall wird man sagen, die Chemie bei den beiden stimmt nicht.

lichtschatten  04.04.2011, 02:23

Tolle, reflektierte Antwort.

0
lichtschatten  04.04.2011, 20:07
@taigafee

Doch. Dich Chemie zweier Menschen zieht sie an, wenn sie gemeinsame geistige und affektive Interessen, gleiche Einstellungen teilen, von gleichem "Wert" sind - wesentlich bedeutender als biochemische Reaktionen. Die Redewendung wird metaphorisch gebraucht.

1

Ich werde jetzt mal philosophisch:

Was sind Sonderlinge? Definiere Sonderlinge = Menschen, die sich zurückziehen, Einzelgänger sind und bestimmen Normen nicht entsprechen.

Da kommt gleich die nächste Frage: Was sind Normen? Wer setzt sie fest und bestimmt, was gut / schlecht / annehmbar / inakzeptabel ist?

Im Zuge einer ständig zunehmenden Enttabuisierung fällt es mir immer schwerer, bestimmte Dinge und Eigenschaften noch als NORM anzusehen.

Sehr oft sind die, die wir als Sonderlinge ansehen, deswegen zurückgezogen, weil sie mit den Normen und Werten ihrer Umgebung nicht zurechtkommen. Sie sind oft sehr empfindsam für gut und böse bzw. was sie dafür halten. Sie sehen sehr viel mehr Lüge, Betrug und Heuchelei in unserer so "gut normierten" Gesellschaft, der sie dann irgendwann den Rücken zukehren.

Und dann gibt es natürlich auch die, die fast keine Normen und Regeln kennengelernt und akzeptiert haben. Von denen scheint es leider auch immer mehr zu geben.

Warum? Weil Menschen ganz unterschiedlich sind und eine völlig eigene Persönlichkeit haben. Manche orientieren und entwickeln sich an den Maßstäben der "Norm" entlang, nach dem Mehrheitsempfinden. Manche Menschen entscheiden sich bewußt oder unbewußt für etwas anderes. Manche sind einfach von ihren Anlagen her so besonders, daß sie nur bei wenigen anderen Menschen gut ankommen. Nach meinem Geschmack ist das auch in Ordnung so, denn ich möchte keine uniforme Masse von Menschen auf diesem Planeten, in  der sich alle anpassen. Ich hab es lieber, wenn es unangepaßte Querdenker und bunte Falter gibt. Gruß, q.