Warum funktioniert Wissenschaft und Religion nicht zusammen wenn es früher funktioniert hat?

21 Antworten

Deine Beobachtung ist korrekt. Alle blühenden Hochkulturen des frühen Altertums hatten sowohl einen soliden Wissenschaftsbetrieb als auch eine lebendige Götterwelt. Die Ansicht, dass Wissenschaft und Religion nicht zusammenpassen, kam erst in der Neuzeit auf. Was war da passiert? Die Gelehrten der ,,christlichen" Auslegungstradition hatten biblische Aussagen mit spätbabylonischen (Schöpfungs-)Mythen vermischt. Das Ergebnis widerspricht wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Form des 18.,19. und 20. Jahrhunderts. Ein Paradebeispiel ist die herkömmliche Schöpfung-Evolution-Debatte, die zwei Zerrbilder einander gegenüberstellt: Auf der einen Seite eine planlos vor sich hinwerkelnde ,,Evolution" (Darwin) und auf der anderen Seite eine funkensprühende Instantschöpfung, bei der alles separat entsteht (siehe Auslegungstradition). So hält sich obige Ansicht bis heute wacker, die Fronten verhärten sich geradezu.

Dabei war schon in der frühen Neuzeit erkannt worden, dass es z. B. schon vor und während Adam und Eva Menschen tierischen Ursprungs gab, sogenannte Präadamiten (Gen. 1.26-31). Leider fristete diese korrekte Erkenntnis neben der mächtigen Auslegungstradition stets ein Schattendasein und tritt erst seit einigen Jahren vermehrt ans Licht.

Woher ich das weiß:Recherche

Weil die Bevölkerung damals von Haus aus religiöser war & das natürlich auf die Generation abfärbt.

Außerdem konnte man oft nur ein Forscher sein, wenn man irgendwelche religiösen Verbindungen hatte, denn oft hatte man nur dann Zugriff auf Ressourcen (Bücher). Das ist ein Mitgrund, warum so viele Naturwissenschaftler auch Mönche waren.

In der jetzigen Zeit sind immer weniger Leute religiös, bei Wissenschaftlern sogar noch weniger als der Durchschnitt.

Hängt auch damit zusammen, dass viele Inhalte der Bibel, etc. schon so oft logisch widerlegt worden sind, dass sie an Glaubwürdigkeit verloren hat.

Religion und Wissenschaft mischen sich nicht gut. Es ist richtig, daß man als Wis­sen­­schafter gläubig sein kann, aber man darf seine Religion nicht in die wis­sen­schaft­­li­che Arbeit einfließen lassen — sonst wird es leicht Pseudo­wissen­schaft, ak­tu­ell zu sehen bei kreationistischen Geologen und Biologen.

Aber selbst, wenn man diese Falle vermeidet, bleibt noch ein Problem: Wissenschaft will neue Erkenntnisse produzieren und dorthin gehen, wo noch niemand war; dazu braucht man eine offene Denkweise, weil man das bestehende Wissen immer kri­tisch hin­ter­fragen muß. Reli­gi­on ist dagegen tendenziell dogmatisch und erwartet nichts Neu­es, ins­besondere nichts, was gegenwärtigem Wissen widerspricht.

Die mit­tel­alter­li­che Wis­sen­schaft hat genau deshalb nicht funktioniert, weil sie zu dog­ma­tisch war. Wer in einem Lebensbereich den Autoritäten blind folgt, der wird das ge­wohn­heits­mäßig auch in anderen tun, und dann bleiben die wissenschaftli­chen Er­fol­ge bescheiden.

Meiner Erfahrung nach sind gute und zugleich gläubige Wissenschafter (die Kom­bi­na­tion ist nicht selten!) daher eher Freidenker. Sie glauben zwar an Gott und an die Bi­bel, aber sie lassen sich nicht von irgendwem vorschreiben, wie sie die Bibel zu le­sen und die Re­li­gi­on zu leben haben, sondern wählen sich ihre Interpretationen selbst. Um­ge­kehrt kenne ich auch Beispiele von sehr dogmatischen Katholiken, deren wis­sen­schaft­li­che Lorbeeren allesamt nicht besonders glänzen.

Bei Goethe war das übrigens ähnlich. Der war zwar gläubig, hielt das aber für eine Her­zens­sache und hatte ein humanistisches Weltbild; er folgte nicht den bigotten Mo­ral­vor­stel­lun­gen seiner Zeit (überleg Dir z.B., wieviele Ehebrecher und -innen er sym­pa­thisch portraitiert hat und daß z.B. Gretchen vor Faust in den Himmel kommt).

Wenn ein Wissenschaftler privat gläubig ist: da sehe ich kein Problem. Nur darf man nicht den Fehler machen, die Methodik der Wissenschaft mit Religion zu mischen (das betrifft den Beruf).

Die meisten Wissenschaftler sind auch in der Abstraktion so gut, dass ich dieses Problem hierzulande auch nicht so stark sehe (dennoch muss man erwähnen, dass es - gerade auch in den USA - Tendenzen gibt, diese Grenze "aufzuweichen", was problematisch ist).

Der Punkt ist ja: Wissenschaft trifft keine Aussage über zentrale Punkte der Religion, weil dies nicht ihre Aufgabenstellung ist. Sie arbeiten sozusagen in verschiedenen Stockwerken (ohne Wertung).

Hallo LoveKitten,

Im Mittelalter hat es zbm sehr wohl funktioniert

Ja, klar hat das funktioniert.

Man hat Leute wie Giordano Bruno einfach verbrannt. Man hat Leute wie Galilei einfach zum Schweigen gezwungen.

Im Interesse des Wissensfortschrittes und der Menschenrechte würde man allerdings sagen, dass "funktioneren" hierbei einen höchst unschönen sarkastischen und menschenverachtenden Beigeschmack hat.

selbst Goethe war kein Atheist und war streng gläubig

Aber halt auch Dichter und kein Naturwissenschaftler.

Und jetzt bitte nicht mit dem "Universalgelehrten" daherkommen. Goethes Farblehre - sein einziger halbwegs naturwissenschaftlicher Aufsatz - ist dermaßen schlecht, dass ihm schon Zeitgenossen gesagt haben "Jo, lass es...."

Auch Darwin der, die Evolutionstheorie in gang gesetzt hat war kein Atheist.

Er hat sich gegen Ende seines Lebens als Agnostiker bezeichnet.

Das sagt aber sowohl über Gott als auch über die Evolution in etwa so viel aus, als wenn wir daraufhinweisen, dass Prinz Charles Anhänger der Alternativmedizin ist.

Warum funktioniert Wissenschaft und Religion nicht zusammen (...) ?

Tut es, wenn man nicht kreationistisch ist.

NUR der Kreationismus fragt "glaubst Du an Gott oder die Evolution"?

Nur der Kreationismus konstruiert hier ein falsches Dilemma, indem er vortäuscht, dass wir es mit einer einzigen Frage zu tun hätten.

Tatsächlich beschreitet der Kreationismus hierbei den Weg einer schlechten Theologie: Er missbraucht die Bibel (oder die jeweils andere heilige Schrift) als Naturkundebuch und verkauft die darin enthaltenen Naturschilderungen als unveränderliche wortwörtliche Wahrheit. Tatsächlich ist die Bibel ein Glaubenszeugnis - die Texte erzählen vom Glauben der Menschen und müssen im sozialen und kulturellen Kontext der Zeit damals gedeutet werden. Es war nicht die Absicht der antiken Autoren, ein Naturkundebuch zu schreiben, sondern über Gleichnisse religiöse Aussagen für die Menschen damals verständlich zu machen.

Religion überschreitet deshalb ihre Kompetenz, wenn sie Aussagen machen will, die mit Gott und der Deutung des Daseins im Kontext der Religion gar nichts zu tun haben.

Für Fragen, welche Prozesse in der Natur ablaufen, wie alt die Erde ist und wie sich die Lebensformen entwickelt haben, ist Religion nicht zuständig. Das sind naturwissenschaftliche Fragestellungen - die wir auf Basis und anhand der Beobachtungsbefunde begründet entscheiden können. "Glauben" spielt hier keine Rolle.

Tatsächlich kann man mit der Erkenntnis der Evolution Gott nicht widerlegen... genausowenig wie ein Scheitern der aktuellen Evolutionstheorie bedeuten würde, dass eine religiöse Vorstellung an ihren Platz rücken würde. - Nein, wir hätten dann ein erweitertes naturwissenschaftliches Modell, in dem Gott wieder genausowenig vorkommt. Weil "Gott" weder vollständig als innerhalb der Natur noch als gesetzmäßiger Prozess gedacht wird.

Das Zusammenspiel funktioniert also genau dann, wenn wir verstehen, dass der Kreationismus einen falschen Widerspruch konstruiert, um zu manipulieren. Wenn wir verstehen, dass Naturwissenschaft uns die Welt erklärt und Religion eine Deutung des Daseins aus einer religiösen Überzeugung heraus anbietet.

https://ncse.ngo/god-and-evolution

https://www.ekd.de/ekdtext_94_02.htm

Grüße

VortexDani  13.06.2020, 02:55
Im Mittelalter hat es zbm sehr wohl funktioniert
Ja, klar hat das funktioniert.
Man hat Leute wie Giordano Bruno einfach verbrannt. Man hat Leute wie Galilei einfach zum Schweigen gezwungen.

Wobei das wohl in die Zeit der Reformation innerhalb der Frühen Neuzeit fiel, in der teils Dinge passierten, die den "düsteren" Kapiteln des Mittelalters durchaus Konkurrenz machten :( https://de.wikipedia.org/wiki/Hexenverfolgung (Ist ja ein weit verbreiteter Mythos, dass die Hochkonjunktur dieser Verfolgung gedanklich in die Zeit des sog. dunklen Mittelalters [der Begriff wird unter Historikern ungern verwendet, da es fast immer negative und positive Entwicklungen gab: https://en.wikipedia.org/wiki/Dark_Ages_(historiography)] gelegt wird; unterstelle ich dir selbstverständlich nicht!)

Aber vielleicht hast du dich auf "früher" bezogen, so entschuldige ich mich, sollte ich dir etwas in den Mund gelegt haben ^^ Und natürlich für die Kaperung deiner exzellenten Antwort x)

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