Warum brauchen Photonen 100.000 Jahre vom Sonnenkern nach draußen, obwohl sie keine Masse haben, und Neutrinos (die eine kleine Masse haben) brauchen...?

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Photonen haben zwar keine Masse, aber sie wechselwirken sehr stark mit anderen Teilchen und das hat nichts mit der Masse zu tun. In der Sonne sind vorallem Atomkerne (vorrangig Wasserstoffkerne) und Elektronen vorhanden, also ein Plasma. Diese geladenen Teilchen absorbieren quasi ein Photonen das mit ihnen zusammenstößt um es dann wieder sofort zu emittieren, die anderen haben das schon im Detail beschrieben. Dabei verliert das Photon jedesmal ein wenig von seiner Energie (dagegen wird das Plasma aufgeheizt), zudem wird es in eine zufällige Richtung abgelenkt. Dadurch entsteht ein Zickzack-Kurs, bis das Photon Mal an die Sonnenoberfläche gelangt und das kann eben auch Mal 100.000 Jahre dauern, aber auch weniger. Hat es die Oberfläche erreicht, dann ist die Energie des Photonen schon so gering durch die vielen Zusammenstöße mit Plasmateilchen, dass es vorallem als Licht und Wärmestrahlung (IR) abstrahlt, energiereichere Photonen (diese haben die Oberfläche schneller erreicht) strahlen z.B. als UV Licht ab oder Röntgenstrahlung. Letztere ist aber im Sonnenspektrum geringer vorhanden und Gammastrahlung wird von der Sonne so gut wie garnicht abgestrahlt (bei normaler Aktivität). Wenn aber die Photonen im Kern durch die Fusion von Wasserstoff zu Helium entstehen, dann sind es sehr hochenergetische Gammaphotonen und glücklicherweise verlieren sie ihre Energie bis sie die Sonnenoberfläche erreichen, sonst gäbe es kein Leben auf der Erde. Neutrinos hingegen wechselwirken so gut wie garnicht mit anderen Teilchen, daher können sie die Sonne nahezu ungehindert durchdringen bevor sie ins All abstrahlen. Das ist auch für die Sonne wichtig, da so quasi auch überschüssige Energie aus dem Kern weggetragen wird.

laidio 
Fragesteller
 18.09.2018, 21:21

Tausend Dank!

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Hi,

letztlich ist die Diskussion um den ,,Wechselwirkungsquerschnitt" der Teilchen für die Beantwortung der Frage relevant. Photonen besitzen keine Ruhemasse. Ihnen kann höchstens ein Masseäquivalent zugeordnet werden. Die Entstehung der Photonen liegt den Fusionsprozessen im Kern eines jeden Sterns zugrunde.

Vornehmlich in der Radiationszone eines Sterns wechselwirken die Photonen sehr stark mit der umliegenden Materie. Das bedeutet, dass sämtliche Lichtteilchen dort häufig mit anderen Teilchen kollidieren, abgelenkt werden und sich ihre Wellenlänge bzw. Energie ändert. Photonen verlassen einen Stern aufgrund des verglichen mit Neutrinos hohen Wechselwirkungsquerschnitts also nicht linear sondern in Form des sogenannten ,,Random-Walks" und der zögert das Entlassen der elektromagnetischen Strahlung aus dem Sterninnern Jahrtausende hinaus.

Neutrinos besitzen hingegen einen deutlich geringeren Wechselwirkungsquerschnitt. Sie stoßen nur extrem selten mit normaler (baryonischer) Materie zusammen und sind darum nicht dem Random-Walk untergeordnet. Innerhalb von nur einigen Sekunden entweichen sie darum aus dem Sonneninnern.

Lg Nikolai

Woher ich das weiß:Hobby – Langjähriger Hobbyastronom

Hallo laidio,

ChePhyMa hat es ganz richtig begründet: Es liegt nicht an der Masse, es liegt daran, wie Photonen und Neutrinos mit Materie wechselwirken.

Photonen unterliegen der elektromagnetischen Wechselwirkung. Neutrinos spüren die dagegen nicht. Sie unterliegen nur der schwachen Wechselwirkung. Und die ist, wie der Name andeuten soll, sehr viel schwächer als die elektromagnetische Wechselwirkung.

Nehmen wir zum Beispiel Deinen Daumen: Auf die Fläche Deines Daumennagels treffen pro Sekunde etliche Milliarden Neutrinos... und dringen durch ihn durch, als wäre er gar nicht da. Das Licht wechselwirkt dagegen mit den Elektronenhüllen der Atome und Moleküle in Deinen Zellen.... und kann deshalb nur maximal bis in die obersten Hautschichten eindringen und wird dort teils absorbiert, teils reflektiert.

Genau das ist auch in der Sonne so: Die Photonen stoßen bei den in der Sonne vorhandenen extrem hohen Dichten praktisch sofort mit einem Materieteilchen zusammen, werden absorbiert und reemittiert. Und das eben sehr, sehr oft. Deswegen dauert es so lange, bis sie - übrigens mit deutlich weniger Energie - letzten Endes dann die Sonne verlassen. Das ist gut für uns, denn die Photonen, die im Sonnenkern entstehen, haben sehr hohe Energie, von denen sie im Laufe unzähliger Materiewechselwirkungen dann sehr viel verloren haben, bevor sie als sichtbares Licht zu uns kommen. Neutrinos mit ihrer schwachen Wechselwirkung dringen durch die Sonnenmaterie ganz einfach durch und kommen ungehindert zu uns.

So. Eine kleine Ergänzung muss ich noch machen:

Das eben gezeichnete Bild ist ein Modell. Man darf es nicht falsch verstehen: Es handelt sich natürlich nicht mehr um "dasselbe Photon", das nach einer langen Odyssee endlich die Sonnenoberfläche erreicht. Ächz. Ein Photon existiert immer nur bis zum nächsten Absorptionsprozess. Ausgesendet wird dann wieder ein anderes Photon, weshalb die obige Erklärung im Wellenbild ganz genauso funktioniert...

Grüße

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU
laidio 
Fragesteller
 18.09.2018, 20:37

Vielen Dank!!

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laidio 
Fragesteller
 18.09.2018, 20:38

Was für ein Licht außer sichtbares schickt denn die Sonne zu uns? IR und UV denke ich mal, und sonst?

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uteausmuenchen  18.09.2018, 20:48
@laidio

Hallo laidio,

das geht über das ganze elektromagnetische Spektrum, also auch noch kurzwelliger als UV (Röntgen- und Gammabereich) und auch noch langwelliger als IR (also zum Beispiel Radiowellen, Mikrowellen,...) Deswegen beobachten wir die Sonne ja auch mit allen möglichen Satelliten in diesen unterschiedlichen Wellenlängenbereichen, weil zum Beispiel die Röntgen- und Gammastrahlung (zum Glück für uns) weitestgehend von der Atmosphäre verschluckt werden.

https://www.spektrum.de/lexikon/physik/sonnenspektrum/13460

Grüße

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laidio 
Fragesteller
 18.09.2018, 20:53
@uteausmuenchen

Aber hast du nicht eben gesagt, dass die Photonen auf dem Weg nach draußen Energie verlieren (auch wenn es nicht die gleichen sind)? Warum sendet die Sonne dann trotzdem Gammastrahulg aus?

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uteausmuenchen  18.09.2018, 21:43
@laidio

Weil das statistische Prozesse sind.

Oder um es auch mal im Wellenbild zu sagen: Ein Planckscher Strahler sendet bei etwa 6000 Kelvin zwar sein Strahlungsmaximum im sichtbaren Bereich aus, dieses Maximum hat aber eben zu beiden Seiten abfallende Flanken hin zu sehr kurzen bzw. sehr langen Wellenlängen.

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Im Gegensatz zu Neutrinos, die nur über die (nicht sehr weit reichende) schwache Kernkraft mit Materie wechselwirken (die Gravitation ist völlig vernachlässigbar, da sie bei weitem die schwächste der vier Grundkräfte ist und die Masse von Neutrinos wirklich winzig ist), wechselwirken Photonen über die (theoretisch unendlich weit reichende) elektromagnetische Kraft.

Und ein Stern wie die Sonne besteht vor allem aus Plasma, also einem Gemisch aus (elektrisch negativ geladenen) Elektronen und (elektrisch positiv geladenen) Atomkernen. Dadurch wechselwirken Photonen viel stärker mit der Materie der Sonne und anderer Sterne als Neutrinos, die, da sie eben nur über die kurzreichweitige schwache Kernkraft wechselwirken, viel leichter zwischen den Atomkernen und Elektronen hindurchfliegen können, ohne mit ihnen zu wechselwirken und damit abgebremst zu werden.

Photonen wechselwirken sehr stark mit Materie (Atome, Moleküle, Plasma). Sie können absorbiert werden und wieder emittiert. Sie können auch gestreut werden.

Neutrinos wechselwirken so gut wie gar nicht mit Materie.

Das sollte deine Frage beantworten. Es hat nichts mit der Masse zu tun.