Waren die altertümlichen griechischen Stadtstaaten Theben und Korinth auch demokratisch wie Athen in der klassischen Antike?

2 Antworten

Von Experte Neugier4711 bestätigt

Die antiken Poleis (griechisch: πόλεις; Singular: Polis; griechisch: πόλις) Theben (griechisch: Θῆβαι [Thebai]) und Korinth (griechisch: Κόρινθος [Korinthos]) hatten nur zeitweise eine demokratische Verfassung.

In Korinth waren es ungefähr 6 Jahre.

In Theben waren es bei großzüger Verwendung des Begriffes »demokratisch« rund 50 Jahre.

In einer sehr frühen Zeit hat es in Griechenland verbreitet Königsherrschaft gegeben. Für Korinth und Theben ist dies in Mythen/Sagen greifbar. In archaischer Zeit kam es zur Bildung der Polis (eine eher ungenaue deutsche Wiedergabe ist „Stadtstaat“). Damals war zuerst Aristokratie üblich.

Besonders schwierig ist bei wenig erhaltenenn Informationen die Unterscheidung zwischen gemäßigter Oligarchie und gemäßigter Demokratie.

In hellenistischer Zeit war die Verfassung einer Polis gängerweise nominell demokratisch, in der Praxis dabei aber oft eher gemäßigt oligarchisch.

Korinth

Korinth ist sehr lange aristokratisch bzw. oligarchisch gewesen. Es gab auch Tyrannen aus der Adelsfamilie der Kypseliden im 7. - 6. Jahrhundert v. Chr. und Timophanes, der sich 366 v. Chr. zum Tyrannen erhob, aber bald ermordet worden ist.

Im Korinthischen Krieg (395 - 387 v. Chr.) hat 392 v. Chr. anscheinend vor allem aus außenpolitischen Gründen (Wunsch nach Fortsetzung des Kampfes gegen Sparta) eine politische Gruppe einige ihrer Gegner ermordet, hingerichtet und verbannt, eine Demokratie eingeführt und sich (390 – 386 v. Chr.) mit Argos in einer Art Doppelstaat vereinigt (Xenophon, Hellenika 4, 4, 1 - 19; 4; Diodor(os), Bibliotheke historike [griechisch: Βιβλιοθήκη ἱστορική; Historische Bibliothek; lateinischer Titel: Bibliotheca historica] 14, 86; 14, 91, 2; 14, 92, 1). Aber die Vereinigung und die Demokratie wurden nach den Bestimmungen des Königsfriedens/Antalkidasfriedens 386 v. Chr. beseitigt, verbannte Korinther wurden in Argos und Athen aufgenommen (Xenophon, Hellenika 5, 1, 34; 5, 1, 36; Diodor(os), Bibliotheke historike [griechisch: Βιβλιοθήκη ἱστορική; Historische Bibliothek; lateinischer Titel: Bibliotheca historica] 15, 40, 3; Demosthenes, Logos [griechisch: λόγος]/Oratio/Rede 20 [Peri tes ateleias pros Leptinen (griechisch: Περὶ τῆς τελείας πρὸς Λεπτίνην; Über die Atelie (Abgabenfreiheit) gegen Leptines; lateinischer Titel: De immunitate adversus Leptinem] 52 - 54).

Theben

Die Polis Theben ist lange Zeit aristokratisch bzw. oligarchisch gewesen.

Eine nach einer Niederlage der Thebaner gegen die Athener in der Schlacht bei Oinophyta 457 v. Chr. eingeführte demokratische Verfassung ist später von den Wohlhabenden/Reichen (griechisch: εὔποροι [euporoi]) vernichtet worden (Aristoteles, Politik 5, 2, 1302 b). So ist nach dem Sieg der Boioter über die Athene in der Schlacht bei Koroneia 447 v. Chr. eine oligarchische Verfassung eingerichtet worden, die bis 382 v. Chr. bestand (Hellenika Oxyrhynchia 19, 3, 385 – 386).

382 v. Chr. besetzte ein spartanischer Feldherr mit Truppen die Kadmeia, die Burg von Theben. Radikale spartafreundliche thebanische Aristokraten/Oligarchen bekamen die Herrschaft. Davar hat es wahrscheinlich keine wirklich demokratische Verfassung gegeben, sondern eine gemäßigte Oligarchie.

Nach Sturz der radikalen spartafreundlichen thebanischen Aristokraten/Oligarchen und Vertreibung der Besatzung bekam Theben 379 v. Chr. eine als demokratisch geltende Verfassung (IG 2 VII 2407 – 2408).

Nach der Niederlage gegen Makedonien in der Schlacht bei Chaironeia 338 v. Chr. brachte König Philipp II. von Makedonien in Theben eine extreme Oligarchie an die Macht. Ein Rat der Dreihundert, gebildet aus in der Zeit davor verbannten promakedonischen Politikern, wurde neue Regierung, eine exklusive Oligarchie. Führende Politiker der Gegenseite wurden hingerichtet oder verbannt, ihr Vermögen konfisziert (eingezogen/beschlagnahmt). Nach Gerüchten über einen Tod des Königs Alexander III. von Makedonien kamen einige verbannte Thebaner kamen in Zusammenarbeit mit einigen Leuten in Theben nachts heimlich in die Stadt, töteten zwei promakedonische Oligarchen, Amyntas und Timolaos, kamen in eine einberufene Volksversammlung und riefen zu Freiheit auf, wählten Boiotarchen (führende Amtsträger im Boiotischen Bund), begannen eine Belagerung der makedonischen Besatzung in der Burg (Arrian(os), Alexandrou Anabasis [griechisch: Ἀλεξάνδρου ἀνάβασις; Alexanderzug; lateinischer Titel: De expeditione Alexandri] 1, 7, 1 – 3 und 1, 7, 10; 17, 9, 5; Diodor(os), Bibliotheke historike [griechisch: Βιβλιοθήκη ἱστορική; Historische Bibliothek; lateinischer Titel: Bibliotheca historica] 17, 8, 3; Pausanias 9, 6, 5; nach Plutarch, Demosthenes 23,1 griffen die Thebaner die Besatzung an und töteten viele, wobei Demosthenes zur Beschaffung von Waffen behilflich war; nach [Kallisthenes], Alexanderroman 1, 27, 2 töteten die Thebaner die Besatzung, wie man sagt, von Demosthenes dazu überredet; die makedonische Besatzung hat sich aber am Kampf in der Stadt Theben außerhalb der Kadmeia beteiligt nach Arrian(os), Alexandrou Anabasis [griechisch: Ἀλεξάνδρου ἀνάβασις; Alexanderzug; lateinischer Titel: De expeditione Alexandri] 1, 8, 6 und Plutarch, Alexander 11, 10) und riefen andere zur Unterstützung auf (nach Deinarchos, 1 (Logos kata Demosthenous [griechisch: Λόγος κατα Δημοσθένους; Rede gegen Demosthenes; lateinischer Titel: Oratio contra Demosthenem] 19 haben thebanische Gesandte zu Arkadiern am Isthmos von Korinth zu ihrem Aufstand erklärt, nicht mehr ertragen zu können, was bei ihnen durch die Makedonen geschah, weder die Knechtschaft aushalten noch die gegen freie Personen stattfindenden Frevel ansehen zu können). Im anschließenden Krieg 335 v. Chr. wurde Theben vernichtet.

ein Buch zum Weiterforschen:

Hans-Joachim Gehrke, Stasis : Untersuchungen zu den inneren Kriegen in den griechischen Staaten des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. München : Beck, 1985 (Vestigia : Beiträge zur alten Geschichte ; Band 35). ISBN 3-406-08065-0 (zu Korinth S. 82 – 87; zu Theben und anderen boiotischen Städten S. 164 – 184).

Neugier4711  23.06.2023, 17:18

Wow, wie toll ist das denn! Vielen Dank! Ich hatte zu Beginn öfter bei der Frage hinein geschaut und wusste nur in etwa das, was in der anderen Antwort stand. Nun weiß ich wieder viel mehr. Du bist eine Quelle des Wissens!

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Nach gegenwärtigem wissenschaftlichen Kenntnisstand wurde

https://de.wikipedia.org/wiki/Theben_(B%C3%B6otien)

von einem König regiert. In Athenischer Zeit hat Athen, als es als Sieger in Konflikten mit Theben hervor ging versucht eine demokratische Verfassung zu installieren.

https://de.wikipedia.org/wiki/Theben_(Thessalien)

war möglicherweise der Ursprung des Böotischen Thebens.

https://de.wikipedia.org/wiki/Korinth_(antike_Stadt)

wurde von Königen regiert und schließlich möglicherweise von den Spartanern übernommen, die wohl ihre Verfassung auf Korinth ausgedehnt haben.