Historischer Hintergrund über das Buch Antigone?

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Das ist ganz gut geschrieben. Kréōn ist zwar nicht gänzlich unsympathisch gezeich­net, aber sein Staatsverständnis, das er anläßlich seiner Thronrede klar artikuliert, kol­lidiert mit den demokratischen Werten Athens: Er setzt sich selbst mit dem Staat gleich, er ist mißtrauisch gegenüber den Bürgern und will auch gegen den Willen der Bürger herrschen. Deshalb fällt er in die Falle seines Stolzes und begeht Unrecht gegenüber Antigónē, und seine Familie wird zerstört. In einer Demokratie wäre das nicht passiert.

Ich habe vor nicht allzu langer Zeit das Stück vollständig gelesen und mit einigen anderen Leuten, u.a. einem Gräzisten, ausführlich diskutiert. Vieles an der Sprache ist schwierig, und ich frage mich immer mehr, ob die feministische Lesart, die heute na­tür­lich sehr populär ist, wirklich im Stück drinnensteckt. Antigónē wird in dem Stück durchaus starrköpfig, unnachgiebig und todessehnsüchtig dargestellt, Kréōn als prag­matisch, irgendwie verantwortungsvoll gegenüber dem Staat aber mindestens genau­so stur und vor allem sehr stolz (hýbris). Die Rolle des Chors finde ich besonders ver­wirrend, weil der niemandem im Stück eine Hilfe ist sondern immer nur nachplappert, was vorher schon andere gesagt haben, nämlich zuerst Kréōn und dann Teiresías. Eine eigene Meinung hat er nicht, und ich lese das so, daß in einer Mon­archie, anders als in einer Demokratie, die Bür­ger aus Angst nie sagen was sie denken sondern sich immer auf die Seite der Mäch­tigen schlagen, und dann sind sie kein Korrektiv mehr sondern verstärken das Unheil.

Insgesamt finde ich das Stück faszinierend.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik