Verwandtschaft bei Pflanzen?

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Homologien können zur Verwandtschaftsforschung herangezogen werden, wenn sie apomorph sind. Analogien und Plesiomorphien jedoch nicht, weil man dann ein falsches Bild der Verwandtschaftsbeziehungen skizziert.

Man muss deshalb aufpassen, dass man hier die Begriffe nicht in einen Topf wirft. Wie @DiegoderAeltere schon beschrieb, können Homologien sowohl apomorph als auch plesiomorph sein. Es kommt immer auf die Ebene an, die man betrachtet.

Homologie heißt "Ursprungsgleicheit". Homologien sind also nichts anderes als Merkmale, die sich aus einem gemeinsamen Ursprungsmerkmal heraus entwickelten. Homologien belegen damit, dass zwei Gruppen (Taxa), z. B. zwei Arten, einen gemeinsamen Urahn haben und somit verwandt sind. Homologe Merkmale können einander sehr ähnlich sehen, sie können aber auch sehr unterschiedlich aussehen und sogar ganz verschiedene Funktion haben.

Analogien sind dagegen Merkmale, die unabhängig evolvierten. Sie sind also nicht auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückführbar. Analogien entstehen durch eine gleichartige Anpassung (konvergente Evolution). Indem zwei Taxa sich unabhängig voneinander an dieselbe Lebensweise anpassen, entstehen einander sehr ähnliche Strukturen, weil ja die Merkmale dieselbe Funktion erfüllen müssen. Flügel beispielsweise müssen immer den physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Aerodynamik standhalten und sehen daher auch immer mehr oder weniger gleich aus - form follows function. Innerhalb der Tiere ist die Fähigkeit bei Insekten, Flugsauriern, Dinosauriern und Fledertieren entstanden. Wenn man nun davon ausgeht, dass Flügel ein homologes Merkmal sind, würde man fälschlicherweise alle Tiere mit Flügeln als eine Verwandtschaftsgruppe betrachten, was sie ja aber in Wirklichkeit gar nicht sind, weil die Flügel sich mehrmals unabhängig voneinander entwickelten. Insekten sind im Stammbaum der Tiere sogar sehr weit von den übrigen flugfähigen Tieren entfernt, die alle zu den Landwirbeltieren (Tetrapoda) gehören. Erkennen zu können, ob zwei Merkmale homolog oder analog sind, ist daher sehr wichtig.

Eine Schwierigkeit besteht darin, dass Merkmale auf verschiedenen Eben gleichzeitig sowohl homolog als auch analog sein können. Manchmal nennt man solche Merkmale Homoiologien. Bleiben wir bei unserem Beispiel der Flügel. Landwirbeltiere haben drei Mal Flügel entwickelt. In allen drei Fällen entstanden sie aus den Vordergliedmaßen. Als Vordergliedmaßen sind sie homolog, denn sie leiten sich von den Vorderbeinen aus dem Grundbauplan der Landwirbeltiere ab. Als Flügel sind sie aber nicht homolog, sondern analog, weil Flugsaurier, Dinosaurier und Fledertiere eben unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeiten aus ihren Vorderbeinen Flügel entwickelten.

Für die Rekonstruktion der Verwandtschaftsverhältnisse bringen uns als Zwischenfazit nur Homologien weiter. Um die richtigen Verwandtschaftsbeziehungen zu ermitteln, müssen wir aber außerdem erkennen, ob es sich um plesiomorphe oder um apomorphe Merkmale handelt.

Plesiomorphe Merkmale sind ursprüngliche Merkmale. Sie gehören also zum Grundbauplan. Drei Paar Extremitäten beispielsweise gehören zum Grundbauplan der Insekten. Als Apomorphien oder abgeleitete Merkmale bezeichnet man Merkmale, die evolutive Neuerungen sind. Es sind sozusagen Merkmale, die den ursprünglichen Bauplan neu abwandeln. Die Flügel der Insekten etwa sind im Lauf der Evolution erst später hinzugekommen. Sie gehören nicht zum Grundbauplan der Insekten, sie sind ein abgeleitetes Merkmal der Geflügelten Insekten (Pterygota). Aber eine Apomorphie muss nicht unbedingt ein neu hinzu kommendes Merkmal sein, auch der Wegfall eines Merkmals kann eine Apomorphie sein. Sekundäre Flügellosigkeit z. B. ist eine Apomorphie der Flöhe (Siphonaptera). Sekundär flügellos bedeutet, dass Flöhe von geflügelten Insekten abstammen, die ihre Flügel wieder verloren haben (ähnlich wie etwa Strauße oder Pinguine Vögel sind, die von Vorfahren abstammen, die früher einmal fliegen konnten).

Man kann dabei unterscheiden zwischen Autapomorphien und Synapomorphien. Autapomorphien sind abgeleitete Merkmale, die die Monophylie einer Verwandtschaftsgruppe belegen, sie sind also kennzeichnend für diese eine (und nur für diese) Verwandtschaftsgruppe. Eine Autapomorphie der Säugetiere (Mammalia) ist z. B. das Vorhandensein eines sekundären Kiefergelenks in Verbindung mit drei Gehörknöchelchen (Steigbügel, Hammer, Amboss) im Mittelohr. Alle Säugetiere haben diese drei Gehörknochen und es gibt kein Tier mit drei Gehörknochen, das kein Säugetier wäre. Synapomorphien sind gemeinsame abgeleitete Merkmale, sie belegen folglich, dass zwei Verwandtschaftsgruppen einen gemeinsamen Vorfahren haben, d. h. Schwestertaxa sind und eine übergeordnete Verwandtschaftsgruppe bilden (für die das Merkmal wiederum autapomorph ist). Klingt kompliziert, schauen wir es uns daher an einem Beispiel an. Das Brechscherengebiss ist eine Synapomorphie der Hundeartigen (Canoidea) und der Katzenartigen (Feloidea). Beide Gruppen bilden zusammen das Taxon Raubtiere (Carnivora). Für die Raubtiere allgemein ist das Brechscherengebiss somit eine Autapomorphie - die Brechschere kommt bei keiner anderen Säugergruppe vor.

Wie wichtig es sein kann entscheiden zu können, welche Merkmale plesiomorph und welche apomorph sind, soll ein abschließendes Beispiel zeigen. Zu den Rückensaitentieren oder Chordatieren (Chordata) gehören die Manteltiere (Tunicata), die Schädellosen oder Lanzettfischchen (Acrania) und die Schädeltiere (Craniota), die man früher Wirbeltiere (Vertebrata) nannte. Die Monophylie der Chordata ist gut begründet. Wie aber sehre die genauen Verwandtschaftsbeziehungen der drei Gruppen zueinander aus? Die Acrania und die Cranioten zeigen eine ganze Reihe gemeinsamer Merkmale, die lange als gemeinsame abgeleitete Merkmale gedeutet wurden. Demnach wären die Manteltiere die Schwestergruppe der beiden anderen, die gemeinsam das Taxon Notochordata bilden. Die Tunikaten sind vergleichsweise einfach gebaute Chordaten und man nahm an, dass der Urahn aller Chordaten ähnlich einfach gebaut gewesen wäre. Die Vorfahren der Notochordata hätten ihre abgeleiteten Merkmale dann entwickelt, nachdem sie sich von den Tunicaten trennten. Dieser Notochordata-Hypothese steht seit einiger Zeit auf Grundlage neuer molekularbiologischer Befunde, insbesondere der Hox-Gene, eine alternative Hypothese gegenüber, demnach wären die Acrania die Schwestergruppe der Tunicata und der Craniota, die gemeinsam das Taxon Olfactores bilden. Die gemeinsamen Merkmale der Acrania und der Craniota wären dann gar keine Synapomorphien, sondern plesiomorphe Merkmale, die sie vom gemeinsamen Ur-Chordaten behalten hätten. Die Tunikaten hätten diesen Bauplan dann später, nachdem sie sich von den Cranioten getrennt hätten, sehr stark abgewandelt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Sowohl Apomorphien als auch Plesiomorphien sind Homologien, d.h. sie beruhen auf Verwandtschaft und nicht auf Konvergenz. Apomorphien sind evolutionär neue Merkmale, Plesiomorphien sind evolutionär alte Merkmale. Das alles wird nicht klar aus den Definitionen in deinem Bild. Auch ist nicht richtig, dass Homologien zwangsläufig verschieden aussehen müssen.

Jedenfalls stimmt es, dass man nur Apomorphien für die Bestimmung von Verwandtschaften heranziehen kann. Ein Beispiel aus dem Pflanzenreich: Das Fruchtblatt ist eine Apomorphie, d.h. ein neues Merkmal der Blütenpflanzen. Wenn wir zwei Pflanzenarten vergleichen und bei beiden ein Fruchtblatt finden, wissen wir, dass sie zumindest insoweit miteinander verwandt sind, als dass sie beide zu den Blütenpflanzen gehören.

Die Abwesenheit eines Fruchtblatts ist der ursprüngliche Zustand, d.h. eine Plesiomorphie, die wir bei allen anderen Pflanzengruppen finden, die mit den Blütenpflanzen unterschiedlich eng verwandt sind. Wenn wir Pflanzenarten ohne Fruchtblatt vergleichen, können wir nur anhand dieses Merkmals deshalb nicht sagen, welche von ihnen mit den Blütenpflanzen enger verwandt sind oder wie ihre Verwandtschaft untereinander aussieht. Damit ist die Plesiomorphie uninformativ für die Erstellung eines phylogenetischen Baums.

Um monophyletische Gruppen zu finden, d.h. Gruppen, die die gesamte Nachkommenschaft eines gemeinsamen Vorfahren umfassen, können wir nur Apomorphien heranziehen. Betrachten wir Plesiomorphien, landen wir bei paraphyletischen Gruppen, also Gruppen, die durch ihre Ursprünglichkeit und nicht durch ihre Verwandtschaft verbunden sind. Und wenn wir Konvergenzen betrachten, landen wir bei polyphyletischen Gruppen, wir werfen also zusammen, was gar nicht zusammengehört.