Verfassungsinstitutionen?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Der Satz hebt eine bedeutende Veränderung der Stellung und Aufgabe der Parteien in der deutschen Verfassungsgeschichte hervor.

Es besteht hinsichtlich der Rolle der Parteien in der Verfassung (Theorie und Wirklichkeit) in der Gegenwart (Bundesrepublik Deutschland mit dem Grundgesetz) und der Vergangenheit ein deutlicher Unterschied.

Bei der Vergangenheit ist vermutlich in erster Linie die Weimarer Republik mit ihrer Verfassung (Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919) gemeint.

Weimarer Republik

In der Weimarer Republik waren die Parteien keine Institutionen (Einrichtungen) der Verfassung. Über ihre Stellung und Aufgaben hat es im Verfassungstext selbst keine Aussage gegeben. Sie werden nur an einer Stelle (Beamtenrecht) am Rand erwähnt und dies in negativer Weise:

Artikel 130 Absatz 1

„Die Beamten sind Diener der Gesamtheit, nicht einer Partei.“

Die Weimarer Republik war eine parlamentarische Demokratie. Die Tätigkeit von Parteien war vorausgesetzt und mitgedacht (z. B. bei Wahlen, der Aufstellung von Kandidaten auf Listen, dem Wahlkampf und der Tätigkeit und den Beschlüssen des Reichstags). In Wahlgesetzen wurden die Parteien erwähnt. In der politischen Praxis waren die Parteien wichtig. In den letzten Jahren der Weimarer Republik zeigte sich eine Schwäche des Reichstags (im dem Vertreter von Parteien Abgeordnet waren) bei fehlender klarer politisch handlungsfähiger Mehrheit gegenüber Reichspräsident und Reichsregierung.

Es gab Probleme damit, die Rolle der Parteien in der neuen Staats- und Regierungsform gut in die politische Theorie und Staatsrechtslehre einzubauen.

Staatsorgane waren die Parteien nicht, sondern sie waren im staatlichen Vorfeld tätig. Die Entgegenstellung von Staat und Gesellschaft (in der die Parteien ihren Platz haben) war aber oft zu einseitig und übertrieben stark. Parteien wurde ein Platz ganz außerhalb der Verfassung angewiesen.

Parteien hatten eine Grundlage in der Vereinigungsfreiheit (Artikel 124). Gegenüber den Parteiorganisationen galt überwiegend Vereinsrecht, gegenüber Fraktionen in Parlamenten eher Verfassungsrecht.

Parteien galten häufig als Träger gesellschaftlicher Teilinteressen, denen der Staat einen einheitlichen, auf das Allgemeinwohl bezogenen Willen entgegenzusetzen hätte. Der Einwand, das Allgemeinwohl könne unterschiedlich gedeutet werden und je nach Parteistandpunkt einen unterschiedlichen Inhalt besitzen, wurde weniger berücksichtigt. Die Auffassung, im Staat käme eine Willensbildung über die Parteien vermittelt zustande, konnte sich nicht durchsetzen. Nachwirkungen obrigkeitstaatlichen Denkens aus dem Kaiserreich und fehlende Erfahrung in einer parlamentarischen Demokratie (in einer konstitutionellen Monarchie standen die Parteien dem Monarchen und dessen Regierung gegenüber) förderten die Neigung, einen angeblich Parteien stehenden Staat zu betonen und Parteien und Parlamenten entgegenzusetzen, obwohl dieser Staat tatsächlich nicht unbedingt so unparteilich/überparteilich war.

Es gab eine Beschreibung der Weimarer Republik in ihrer Praxis als Parteienstaat. Dies war aber oft verächtlich gemeint und stand in Verbindung mit einem verbreiteten antidemokratischen Denken. Abfällige Äußerungen über Parteiengezänk, die Bezeichnung der Erörterungen in Parlamenten als Geschwätz und der politischen Verhandlungen von Vertreten der Parteien mit einer Suche nach Kompromissen als eigensüchtiges und würdeloses Feilschen (»Kuhhandel«) sind dafür typisch.

Bundesrepublik Deutschland

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Artikel 21 Absatz 1) werden Parteien ausdrücklich in einer Weise, die sie anerkennt, erwähnt und ihnen eine Aufgabe zugebilligt.

Artikel 21

„(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(3) Das Nähere regeln Bundesgesetze.“

Parteien sind damit Verfassungsinstitutionen (Einrichtungen der Verfassung) und es gibt in einigen Hinsichten in der Verfassung verankerte Regelungen für sie (politische Ausrichtung, Finanzen, eventuelles Verbot).

Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes ist als Aufgabe anerkannt.

In der Praxis kann durch Parteien Diskussion und eine Bündelung von Interessen und Überzeugungen stattfinden. Die Rolle der Parteien für das Funktionieren einer parlamentarischen Demokratie ist mehr beachtet.

Amra37 
Fragesteller
 20.06.2013, 07:00

Vielen dank leicht zu verstehen :)

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Im Grundgesetz werden die Parteien allgemein erwähnt und ihnen wird eine zentrale Rolle bei der politischen Willensbildung des Volkes zugemessen. Insofern genießen sie auch einen besonderen Bestandsschutz durch das Grundgesetz. Insofern kann man sie als "Einrichtungen" ansehen, die den besonderen Schutz der Verfassung genießen, also als verfassungsinstitutionen. Das kommt z.B. auch darin zum Ausdruck, dass sie viel schwerer zu verbieten sind, als z.B. Vereine.