Unterschiede Lehnsmann, Vasall und Leibeigener?

3 Antworten

Es tut mir fast Leid, das so sagen zu müssen, aber du stichst mit der Frage in ein Wespennest geschichtswissenschaftlicher Forschung der letzten 20 Jahre. Ich kann zu dieser Frage einfach nur auf das ausgzeichnete Buch von Steffen Patzold verweisen. Er arbeitet die Kontroverse gut heraus. Es ist kurz und gut zu lesen.

Ich verlinke dir hier mal eine Sammelrezension (HSozKult) zu Dendorfer - Das Lehnswesen im Hochmittelalter und Patzold - Das Lehnswesen. Ich finde schon aus dieser gut geschriebenen Rezension dürfte dir klar werden, dass man mit diesen Begriffen äußerst vorsichtig umgehen muss und von einer Trennschärfe, wie sie der Verfassungs- und Rechtshistoriker gerne hätte, nicht ausgehen darf.

Insgesamt würde ich mit Susan Reynolds gehen, und von einem "Lehnswesen" frühstens ab dem 12./13. Jh. sprechen.

https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-18637

Diese Begriffe zu erklären würde Seiten füllen. Ein Lehnsmann steht nicht zwingend im Dienst seines Herrn. Zunächst wird er mit einem Gut (im weitesten Sinne) belehnt. Das kann auch der Zehnte eines Dorfes sein. Hierfür zahlt er einen gwissen Betrag. Häufig standen Lehnsleute im Dienst ihres Lehnsherrn. Aber es gibt auch genug andere Beispiele, in denen der Lenhsmann oder Lehnsnehmer über die wechselseitigen Pflichten einer Belehnung in keinem Dienstverhältnis zu seinem Lehnsherrn steht. Der Lehnsmann führt keine Bauern. Falls er im Dienst seines Lehnsherrn steht, dient er ihm mit der Waffe oder als Vogt. Die (leibeigenen) Bauern, die zu seinem Lehen gehören, haben ihre Höfe wiederum von ihm, dem Lehnsmann, in Bewirtschaftung genommen (Meierhöfe, Erbenzinshöfe, Lehnshöfe). Aber er "führt" diese Bauern nicht. Lehnsleute konnten Leibeigene sein, waren es häufig auch. Man nannte sie Ministerialen. Später, im Spätmittelalter, teilweise früher, wurden sie persönlich frei und es gelang ihnen auch, ihre Lehen zu Eigengut zu machen. Aber das führt jetzt zu weit. Andere Lehnsleute waren frei. Den Schutz ihres Lehnsherrn genossen sie, wie dies auch die Vasallen taten. Leibeigene sind übrigens nicht mit Sklaven gleichzusetzen!

Erst einmal - ja. Aber gerade bei der Definition der Leibeigenschaft habe ich so meine Bedenken. Viele ziehen hier keine Grenze zwischen Leibeigenschaft und Sklaverei. Ein Sklave gehörte seinem Herrn persönlich. Er muss alles tun was sein Herr ihm aufträgt. Das trifft auf den Leibeigenen nicht zu. Die Basis der Leibeigenschaft war die Tatsache, dass man das bestellte Land nicht kaufen, pachten oder mieten konnte. Man bestellte es also sozusagen im Auftrage. Das aber trifft auf die meisten der modernen Angestellten- oder Arbeitsverhältnisse auch zu.

Stellt sich noch die Frage, wie frei der Leibeigene in seinen persönlichen Entscheidungen war. Durfte er beispielsweise heiraten wen er wollte? Durfte er sein Land und seinen Beruf hinter sich lassen wenn er sich so entschied? Ich denke, ja. Anders wäre die Abwanderung in die Städte ja auch nicht zu erklären. Was den Leibeigenen fesselte, waren eher gesellschaftliche Normen. Ein Bauer war ein Bauer. Mit 20 oder 30 Jahren noch einmal umsatteln um Hufschmied oder Korbflechter zu werden, dürfte schwierig gewesen sein. Den Beruf erlernte er von seinem Vater und dessen Altersversorgung stellte er auch dar. Damit war der Grundstein für eine lange Familietradition gelegt. Insofern unterschied sich die Leibeigenschaft des Mittelalters gar nicht so sehr von modernen Arbeitsverhältnissen. Wahrscheinlich zahlte ein leibeigener Bauer sogar weniger Steuern als ein moderner Arbeiter.

Und wahrscheinlich wurde der Leibeigene von seinem Herrn/Arbeitgeber auch deutlich besser behandelt als heutige Arbeiter. Denn ein Bauer war ein rarer Spezialist auf seinem Gebiet und man konnte ihn nicht mal eben so ersetzen. Gleichzeitig garantierte er die Versorgung seines Herrn.