Unterschied Polynom und Polynomfunktion?

Willibergi  02.08.2020, 20:06

Wie genau habt ihr den Polynomraum denn definiert? Als Menge von n-Tupeln?

xam193 
Fragesteller
 02.08.2020, 20:16

nope, einfach als Menge der Polynome. Also meistens heißt er P_n oder Pi_n bei uns und das ist dann einfach die Menge aller Polynome vom grad kleiner gleich n.

Willibergi  02.08.2020, 20:17

Dann müsst ihr ja davor irgendwann den Begriff des Polynoms definiert haben.

xam193 
Fragesteller
 02.08.2020, 20:20

Es ist lange her und ich finde das Skript nicht mehr... habe nur gerade darüber nachgedacht... und wenn man das googled kommt nur Schulstoff...

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Jein. Kurz: Ein Polynom ist formal eine Folge, eine Polynomfunktion eine Abbildung. Meistens ist der Formalismus aber gar nicht so wichtig, deswegen verwendet man die beiden Begriffe oft einfach synonym.

Bei dir scheinen die Polynomräume P_n zum Verständnis gar nicht so wichtig zu sein, weil das nur eine Einschränkung des eigentlichen Polynomraumes auf einen maximalen Grad ist.

Die Frage suggeriert aber ein bisschen, dass die tatsächliche Konstruktion des Polynomraums noch nicht ganz rübergebracht wurde. Disclaimer: Zwischen Polynom und Polynomfunktion liegen einige Homomorphismen und Uminterpretationen. Es ist also nicht trivial, wie wir zu einem Element des Polynomraum die entsprechende (eindeutige) Polynomfunktion konstruieren können.

Also genauer: Formal ist ein Polynom selbst erstmal nur eine Folge, die ab einem bestimmten Index null ist, wobei die Folgenglieder dann für die Koeffizienten der Polynomfunktion stehen sollen. Mit anderen Worten: Polynome über einem Ring R in x sind Elemente des Polynomrings



wobei mit x nur eine einfachere Bezeichnung für die Folge/das Polynom



eingeführt wird. Die Eigenschaft, dass ein Polynom nur endlich viele nicht-triviale Glieder hat macht Sinn, denn hätte das Polynom unendlich viele nicht-triviale Glieder, also die Polynomfunktion unendlich viele nicht-triviale Koeffizienten, wären einfache Eigenschaften wie der Grad nicht mehr wohldefiniert. Weiter definiert man dann elementare Verknüpfungen zwischen diesen Polynomen (die immer noch einfach Folgen sind!), etwa





wodurch der Polynomraum, den wir erstmal nur als Menge betrachtet haben, zu einem kommutativen Ring wird. Um dann von Polynom zumindest mal zu einer Summe zu kommen, zieht man das ganze einfach formal auf: Wir hatten oben unser x definiert - ist nun f ein Polynom, so kann man zunächst



mit der Definition des Produktes einfach Nachrechnen (intuitiv: je höher der Exponent von x wird, desto weiter rutscht die 1 in der Folge nach rechts). Weiter können wir mit dem injektiven Einbettungshomomorphismus



den Ring R als Teilmenge des R[x] identifizieren (dass i ein Homomorphismus ist, zeigt, dass die Verknüpfungen damit verträglich sind) und es ergibt sich



und damit schon mal die bekannte Darstellung des Polynoms als Summe (dass wir im vorletzten Schritt ein Ringelement einfach mit einer Folge multiplizieren können, erlaubt uns der Einbettungsmonomorphismus: wir können statt a einfach i(a) schreiben und multiplizieren dann wieder Folgen mit Folgen). Wichtig: Auch hier ist das Polynom immer noch eine Folge und keine Funktion und das x ist keine Unbekannte (zumindest nicht formal), sondern ein fixes Element des Polynomraums. Das ist aber so auch nicht weiter schlimm, denn um ein bestimmtes Element c aus einer R-Algebra A in das Polynom einzusetzen, definiert man einen Einsetzungshomomorphismus



und der liefert dann auch tatsächlich das Ergebnis nach dem Einsetzen (die Eigenschaft, dass das eingesetzte Element aus einer R-Algebra stammt, sichert nur, dass die "Polynomsumme" wohldefiniert ist und die üblichen Eigenschaften erhalten bleiben - man will eben auch andere Elemente wie Matrizen oder Abbildungen in Polynome einsetzen können). Das passiert hier aber alles auch ohne jemals eine tatsächliche Polynomfunktion definiert zu haben.

Was oft also lapidar als Polynomfunktion f(x) bezeichnet wird, ist also formal eigentlich eine Abbildung



zwischen zwei R-Algebren und entspricht dem Einsetzen des Polynoms f in den Einsetzungshomomorphismus bzgl. x.

Aber wie gesagt: So formal braucht man es selten. Es ist eben die formale Konstruktion des Polynomraums, die einige Identifikationen benötigt, damit wir damit ungestört rechnen können. Normalerweise interpretiert man ein Polynom aber auch einfach als Abbildung und geht nicht den Weg über Einbettungs-, Einsetzungs- und Abbildungshomomorphismus. Das ist dann eher etwas für perverse Formalisten.

Und um jetzt den Rundumschlag zur Frage zu machen: Ein Polynom ist ein Element aus dem R[x] - also eine Folge - eine Polynomfunktion ist mit gegebenem Polynom f die zugehörige Abbildung ℓ_f.

LG

xam193 
Fragesteller
 04.08.2020, 15:58

Omg ich sehe die Antwort erst jetzt! vielen danke für die ausführliche Antwort!

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Andersherum: Die Polynomfunktion ist die Abbildung p, das Polynom ist dann das Element im Polynomring (in welchen du K^n einbetten kannst).

xam193 
Fragesteller
 02.08.2020, 19:50

okay danke super

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