Strukturformel Natriumhydrogensulfat?

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Moin,

warum sollte die Oktettregel für Schwefel im Natriumhydrogensulfat (NaHSO4) nicht gelten?! Selbstverständlich kannst du eine Lewisformel darstellen, in der alle beteiligten Nichtmetallatome die Edelgasregel und die Sauerstoffatome sowie das Schwefelatom außerdem noch die Oktettregel erfüllen. Das sieht dann zum Beispiel so aus:

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Das zentrale Schwefelatom hat vier bindende Elektronenpaare zu den vier Sauerstoffatomen ausgebildet. Die Sauerstoffatome haben dann umgekehrt logischerweise alle jeweils ein bindendes Elektronenpaar zum Schwefelatom.

Außerdem ist ein Sauerstoffatom (in der oben gegebenen Darstellung das obere) noch mit einem Wasserstoffatom verbunden und hat zwei freie, nichtbindende Elektronenpaare.

Die drei anderen Sauerstoffatome (hier links, rechts und unten) haben jeweils drei freie, nichtbindende Elektronenpaare.

Wenn du nun die Valenzelektronen von jedem Nichtmetallatom zählst, kommst du beim Wasserstoff auf zwei (durch das bindende Elektronenpaar zum Sauerstoffatom), was die Edelgasregel insofern erfüllt, als dies der Konstellation in einem Heliumatom entspricht.
Alle Sauerstoffatome haben jeweils acht Valenzelektronen (plus zwei Rumpfelektronen, also insgesamt zehn Elektronen), was der Situation in einem Neonatom entspricht. Da es acht Valenzelektronen sind, ist damit sowohl die Edelgasregel als auch die Oktettregel erfüllt.
Bleibt noch das Schwefelatom. Durch seine vier bindenden Elektronenpaare im äußeren Energieniveau hat es acht Valenzelektronen, so dass auch hier die Oktettregel erfüllt ist. Diese acht Valenzelektronen plus die zehn Rumpfelektronen, die das Atom in seiner K- und L-Schale noch hat, kommt dieses Atom insgesamt auf 18 Elektronen. Genau wie die Atome des Edelgases Argon. Daher sind auch hier sowohl die Edelgasregel als auch die Oktettregel erfüllt.

Was dein Problem mit dem Natrium angeht, so hast du übersehen, dass es sich bei Natriumhydrogensulfat um ein Salz handelt. Es ist daher eine Ionenverbindung. Ein Natriumatom hat an irgendeinen Reaktionspartner mal ein Elektron abgegeben. Dadurch wurde es zu einem positiv geladenen Natriumion (ein Natriumkation). Als Kation hat es nur noch zehn Elektronen in seiner Hülle (wie ein Atom des Edelgases Neon), so dass es die Edelgasregel als Kation erfüllt.

Kommen wir noch kurz auf die Ladungen in der Darstellung zu sprechen:

Du siehst an dem Natriumkation die positive Ladung direkt drangeschrieben. Auch das Sauerstoffteilchen neben ihm hat eine echte Ladung. Sie entstand, als das Schwefelsäuremolekül (aus der das Hydrogensulfat-Anion entstammt) ein zuvor gebundenes Wasserstoffatom in Form eines Protons abgespalten hat. Der ehemals gebundene Wasserstoff ließ dabei sein Elektron beim Sauerstoffatom zurück, wodurch dieser seine negative Ladung erhielt. Die entgegengesetzt geladenen Natriumkationen und Hydrogensulfatanionen ziehen sich gegenseitig elektrostatisch an und bilden eine Ionenbindung aus.

In Wirklichkeit ziehen die geladenen Ionen sich aus allen Raumrichtungen an, so dass sich ein Hydrogensulfat-Anion mit so vielen Natriumkationen umgibt, wie diese Platz finden, bevor sie weitere Natriumkationen durch ihre gleiche Ladung abstoßen. Umgekehrt umgeben sich die Natriumkationen dann ihrerseits wiederum mit so vielen Hydrogensulfatanionen, wie diese Platz finden. Auf diese Weise entsteht also ein dreidimensionales Ionengitter aus entgegengesetzt geladenen Ionen. Ab einer bestimmten Größe kannst du das dann als Kristall mit bloßem Auge sehen. Wenn du so willst gibt die obige Darstellung also das Verhältnis (1:1) an, in dem die entgegengesetzt geladenen Ionen im Natriumhydrogensulfat vorliegen.

Was dagegen die eingekreisten Ladungen angeht, so sind das sogenannte Formalladungen. Sie entstehen - wie der Name schon sagt - formal dadurch, dass sich theoretisch Ionen ergeben würden, wenn man die betrachteten Atombindungen zwischen den Sauerstoffatomen und dem Schwefelatom gleichmäßig zwischen den Bindungspartnern aufteilen würde.

Anders ausgedrückt: Wenn ich jede Elektronenpaarbindung zwischen Schwefel und Sauerstoff gerecht aufteilen würde (also jeder Bindungspartner erhält jeweils ein Elektron aus jedem Elektronenpaar), dann hätte das Schwefelatom nach dieser formalen Aufteilung noch vier Elektronen. Als ungebundenes Schwefelatom hat es jedoch sechs Valenzelektronen. Das ist also formal so, als hätte das Schwefelatom zwei Elektronen abgegeben. Darum bekommt es die Formalladung „2+” (im Kreis).

Umgekehrt haben zwei der vier Sauerstoffatome neben dem bindenden Elektronenpaar zum Schwefelatom noch drei freie, nichtbindende Elektronenpaare. Nach der gedachten Aufteilung des bindenden Elektronenpaares hätten diese Sauerstoffteilchen also formal sieben Valenzelektronen (drei nichtbindende Paare plus ein Elektron aus dem bindenden Elektronenpaar). Das ist aber im Vergleich mit einem ungebundenen Sauerstoffatom (das bekanntlich nur sechs Valenzelektronen hat) formal so, als hätten diese Sauerstoffatome ein Elektron aufgenommen. Deshalb erhalten sie jeweils die Formalladung „–” (im Kreis).

Diese ganzen Überlegungen sind eher formaler (theoretischer) Natur. Dem Atom in seinem Verband ist es nämlich völlig egal, ob man ihm Formalladungen zuspricht oder nicht. Genauso ist es einem Ion völlig piepe, ob es positiv oder negativ geladen ist. Worauf es ankommt, ist, ob energetisch ein Zustand erreicht werden kann, in dem das atomare Teilchen stabil existieren kann. Und besonders stabil sind nun einmal Teilchen (Atome oder Ionen), die den Edelgaszustand erreichen.

Und das tun alle in der oben gelieferten Darstellung...

Übrigens hatten schon andere deine geschilderten Probleme. Deshalb hört oder liest man dann so Ansichten, dass die Oktettregel streng nur für die Elemente der 2. Periode gelten würde, was so aber auch nicht stimmt, weil weder Lithium noch Beryllium die Oktettregel in ihren Verbindungen erfüllen. Bor und Stickstoff sind auch so spezielle Atome mit besonderen Bindungsverhältnissen (man denke nur an so stabile Radikale vom Stickstoffmonoxid oder Stickstoffdioxid), so dass die Oktettregel demnach streng genommen also nur für die Elemente Kohlenstoff, Sauerstoff und Fluor gilt. Was ist das aber für eine erbärmliche Regel, die streng nur für drei Elemente (von immerhin 118!) gilt.

Dann wird außerdem gerne behauptet, dass bei den Atomen von Schwefel (oder auch Phosphor) eine sogenannte Oktetterweiterung möglich sei. Im Normallfall wird dabei gleichzeitig behauptet, das ginge, weil angeblich in solchen Fällen die d-Orbitale dieser Atome für Bindungen mit benutzt würden.
Das erscheint mir - gelinde gesagt - ebenfalls eine ziemlich erbärmliche Notbehauptung zu sein. Der Energieniveau-Unterschied zwischen den p- und den d-Orbitalen bei Schwefel oder Phosphor ist doch ziemlich groß. So groß jedenfalls, dass es hier nur mit noch mehr Hilfskonstruktionen und Zusatzerklärungen möglich wird, solche Bindungen als untereinander gleichwertig anzusehen.
Es mehren sich jedoch die Erkenntnisse, dass die oben gebotene Darstellung da schon viel genauer ist, weil gemäß von Untersuchungen das Sulfat-Anion nämlich offenbar tetraedrisch gebaut ist und sowohl vom Energiegehalt als auch von der Bindungslänge her vier gleiche Bindungen zu den Sauerstoffatomen besitzt. Das passt nicht zu einer Oktetterweiterung oder der zusätzlichen Nutzung von d-Orbitalen.
Ich wiederhole es noch einmal: Die Formalladungen sehen vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig aus, aber den atomaren Teilchen ist es schnurzpiepegal, ob sie (formal oder tatsächlich) geladen sind. Für sie zählt so gut wie immer nur, ob sie durch die Ausbildung von Bindungen einen Edelgaszustand erreichen können, damit sie einen möglichst niedrigen energetischen Zustand annehmen.

Alles klar?

LG von der Waterkant

 - (Schule, Chemie)
nastassia257 
Fragesteller
 06.01.2021, 00:45

Vielen lieben Dank! Das hat mir sehr geholfen,

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Schwefel ist ein Spezialfall. Bei ihm gilt die Oktetterweiterung, das heißt er kann insgesamt mehr als 8 Elektronen in Bindungen haben

So sieht es beim Sulfat SO4 2- auch aus. Hier hat er insgesamt 10 Elektronen in der Verbindung:

Schwefel in der Mitte, zwei Sauerstoffe mit Doppelbindung dazugehängt und zwei Sauerstoffe mit Einfachbindung dazugehängt. Die Sauerstoffe mit der Einfachbindung sind einfach negativ geladen.

Beim Natriumhydrogensulfat hängt an einem dieser negativen Sauerstoffe ein Wasserstoff, wodurch die Ladung ausgeglichen wird.

Die letzte negative Ladung beim zweiten negativ geladenen Sauerstoff wird durch das 1+ geladene Natrium Ion ausgeglichen.

Somit ist die Verbindung insgesamt neutral und stabil.

Hoffe, das konnte deine Fragen einigermaßen beantworten.

Mfg

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
nastassia257 
Fragesteller
 05.01.2021, 00:56

Super, vielen Dank!

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