Rousseau Naturzustand

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Nach Rousseaus Auffassung ist die menschliche Natur etwas, das sich entwickelt (ein Prozeß) und nicht ein für allemal festgelegt ist, sondern inhaltlich unbestimmt.

Im ersten Naturzustand ist der Mensch noch kaum etwas Weiteres als ein bloßes Tier, mit seinem Bewußtsein nicht über die natürliche Umwelt hinausgehend. Erst mit der Vorstellung des eigenen Todes (Todesbewußtsein) stellt sich eine Abstandnahme zur animalischen Lebensform ein.

In der menschlichen Natur gibt es eine Fähigkeit zur Selbstentwicklung (perfectibilité) , die den Menschen dann aus diesem Naturzustand herauslöst.

Dies ist unumkehrbar. Der Mensch ruht nicht einfach selbstverständlich in einer Umwelt. Seine Selbstbezüglichkeit ist eine natürliche Anlage und ihre Entfaltung kann nicht abgestreift und durch reines Instinktverhalten ersetzt werden.

Das Leben im Naturzustand wird von Rousseau als einfach und selbstgenügsam, aber auch hart, bindungslos und ohne Annehmlichkeiten beschrieben.

Beim Verlassen des Naturzustandes geht nach Rousseaus Darstellung ein Gleichgewicht verloren. Die Natur des Menschen wird gesellschaftlich überformt, wobei Besitz eine wichtige Rolle spielt. Die wahren Bedürfnisse werden entstellt.

Die Lösung kann aber nur sein, auf neuen Wegen einen angemessenen Ausdruck für die menschliche Natur zu finden und ein Gleichgewicht zwischen Bedürfnissen und Möglichkeiten, zwischen Wollen und Können herzustellen.

Darstellungen über Rousseau in Büchern bieten Erklärungen, z. B.:

Francis Cheneval, Jean-Jacques Rousseau. In: Frankreich (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie des 18. Jahrhunderts – Band 2/2). Herausgeben von Johannes Rohbeck und Helmut Holzhey. Basel : Schwabe, 2008, S. 646 – 668

Dieter Sturma, Jean-Jacques Rousseau. Originalausgabe. München : Beck, 2001 (Beck'sche Reihe : Denker ; 549), S. 54 - 160

S. 55: „In den weitläufigen Überlegungen zur Kulturgeschichte läßt Rousseau keinen Zweifel offen, daß dem Menschen die Rückkehr zu präkulturellen Zuständen nicht offensteht. Er stellt ausdrücklich heraus, daß die Konstruktion des Naturzustandes lediglich die Funktion zu erfüllen hat, das Ursprüngliche vom Künstlichen in der Natur des Menschen zu unterscheiden. Seine methodische Vorgehensweise besteht in der Entgegensetzung von gegenwärtigen, vergangenen und möglichen Kulturzuständen, um so die Selbstverständlichkeiten unserer gesellschaftlichen Ordnung zu problematisieren und sich dem Naturgemäßen des Menschen nähren zu können.“

Im Naturzustand ist nach Rousseau der natürliche Mensch primitiv und von animalischem Verhalten geprägt. Sein Verlangen reicht kaum über die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse hinaus. Der zur Verfügung stehende zeitliche Horizont ist sehr beschränkt und reicht nicht über die Gegenwart täglicher Handlungsabläufe hinaus Nach Rousseaus Meinung hat der Mensch in seiner Natur die Fähigkeit, sich zu vervollkommnen, womit er eine Schritt aus der natürlichen Umwelt vollziehen und aus dem Naturzustand herausgehen kann. Die Fähigkeit zur Selbstvervollkommnung (perfectibilité) bedürfe eines Anstoßes von außen. Durch Anpassungsprozesse, auf die durch Veränderungen ein erhöhter Druck hinwirkt, werden Möglichkeiten der Anlage zur Selbstvervollkommnung entfaltet. Diese Selbstentwicklung ist aber nicht zwangsläufig eine Vervollkommnung im Sinn von Fortschritt und Vollendung, sondern der Übergang von der Natur zur Kultur kann auch in mehrfacher Hinsicht mißlingen.

Albrecht  23.02.2012, 03:36

S. 83 – 84: „Die anthropologische Rehabilitierung des natürlichen Menschen ist vorwärtsgewandt. Rousseaus anthropologische Formel lautet nicht ‚Zurück zur Natur!‘, sondern ‚Die menschliche Natur schreitet niemals zurück!‘. Er ist gerade nicht davon ausgegangen, daß die Zeit der Unschuld und der unbefangenen Gleichheit durch einen kulturellen Rückzug wiedererlangt werden könnte. Seine Mutmaßungen behalten einen pessimistischen Unterton. Er stellt fest, daß es niemals einem Volk gelungen sei, die ethische Integrität zurückzugewinnen, die es einmal verloren hat. Rousseau billigt diesem Sachverhalt prinzipielle Bedeutung zu: Wird die Zeit der Unschuld einmal verlassen, ist sie für immer verloren. Aus diesem möglicherweise beklagenswerten Umstand müssen dennoch konstruktive Schlüsse gezogen werden, denn die Menschen werden untergehen, wenn sie nicht lernen, ihre Lebensweise zu ändern und den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen. Über die Fähigkeit zur neuen Ausrichtung können sie aufgrund der inneren Verfassung ihrer Natur immer verfügen. In dieser Hinsicht ist die perfectibilité janusköpfig. Sie führt den Menschen auf kulturelle Abwege und hält gleichzeitig die Möglichkeit der Revision offen.

Aufgrund der eigenen Dynamik kultureller Entwicklungen wäre es unsinnig, die Vielfalt der Lebensweisen in eine erste Einfachheit zurückzuzwingen. Diese Einsicht überträgt Rousseau auch auf die Wissenschaften und Künste. Ihre Herausbildung soll schon deshalb nicht rückgängig gemacht werden, weil das nur zu anderen Formen von Aberglauben und Barbarei führen würde.“

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http://lars-hartfelder.suite101.de/der-naturzustand-bei-jeanjacques-rousseau-a50861

erkennst Du schnell, dass Rausseau mit dem Naturzustand ein Ideal beschreibt, das Ähnlichkeit mit den im Paradies geschilderten Zuständen hat. Im Naturzustand ist der Mench eigentlich noch kein Mensch, sondern ein Tier ohne ein außerhalb der Natur stehendes Bewusstsein. Offensichtlich lebt er auch noch allein in der Wildnis. Dieses paradiesische Bild wird nicht wirklich aufgelöst, also gezeigt, wie es denn dann zum Menschen mit Bewusstsein kommt. Es soll nur seine These untermauern, dass - anders als bei Hobbes, der Mensch von Natur aus gut ist.

Mit dieser Hypothese macht Rausseau einen Sprung in die Gesellschaft des Jetztmenschen und da er den Schritt vom Naturzustand zum Gesellschaftszustand mit Bewusstsein nicht wirklich erklärt, kann er auch den Weg zurück nicht erklären, weil das auch nicht in seiner Absicht liegt. Der Unterschied wird im Vergleich zu Hobbes klar: Für Hobbes ist der Gesellschaftsvertrag eine Zähmung des "wilden Menschen", das Gesetz ein Zuchtmittel - für Rousseau ist der Gesellschaftsvertrag eine Möglichkeit, wieder die naturgegebenen guten Eigenschaften des Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen. Beide kommen zum Gesellschaftsvertrag, aber jeder aus einer anderen Perspektive.

hexelilifee 
Fragesteller
 22.02.2012, 20:16

ist also der naturzustand nícht so gut und deshalb will er ihn nicht erneut haben, außerdem gibt es jetzt soziale kontakte--> eifersucht, hass-->macht über andere-->eigentum???

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berkersheim  22.02.2012, 21:03
@hexelilifee

Der Naturzustand ist für Rousseau ein Hilfsmittel, um zu begründen, dass der Mensch gut ist, und nicht, wie Hobbes vor ihm dargestellt hat, ein Mensch des anderen Feind. Zurück in eine Zeit des Vorbewussten führt kein Weg. Wer aus dem Paradies vertrieben ist, kann nicht mehr zurück. Der Gesellschaftsvertrag soll jedoch helfen, wieder die guten Seiten des Menschen zu stärken und ihn so wieder seinem Gutsein im Naturzustand näher zu bringen.

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