Relativitätstheorie einfach erklärt?

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Hallo drspargelitus,

wenn von der Relativitätstheorie die Rede ist, ist oft die Spezielle Relativitätstheorie (SRT) gemeint. Umbenannt wurde sie, nachdem sie zur Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) erweitert worden war.

Ich kann nur sagen, dass sie mir damals ungefähr so erklärt wurde:

Wahrscheinlich ist diese Erinnerung falsch, denn die Erklärung ist es in jedem Fall:

Ich sitze in einer Rakete und habe eine Geschwindigkeit mit mehr als der von Licht.
Ein Lichtstrahl ist vor mir und bewegt sich weiter vor der Rakete weil, ja nichts schneller als Licht sein kann.

Diese Aussagen widersprechen einander, und die erste ist gerade nach der SRT unphysikalisch. Der Betrag der Geschwindigkeit¹) eines Körpers relativ zu²) einem Bezugskörper kann die Lichtgeschwindigkeit³)

(1) c = 299792458 m⁄s ≈ 3×10⁸ m⁄s

nicht einmal exakt erreichen, geschweige denn überschreiten. So kann die Erklärung also nicht ausgesehen haben.

Die wahrscheinliche Original-Erklärung

Wahrscheinlich sah diese eher so aus, dass Du relativ zur Erde²) nur wenig langsamer bist als das Licht. Dein Freund sieht, dass Dich ein nach vorn bewegendes Lichtsignal langsam überholt und sich danach langsam von Dir entfernt.

Du selbst kommst bei einer Messung seines Tempos auf c, weil "Deine Uhr langsamer geht" ("Zeitdilatation") und "Deine Maßstäbe in Bewegungsrichtung verkürzt sind" ("Längenkontraktion").

Kritik am Wording

Grundsätzlich ist diese Erklärung nicht ganz falsch, aber die immer noch standardmäßig verwendeten Wörter aus dem letzten Abschnitt suggerieren freilich ein brontales Gezerre und Gequetsche, das der SRT nicht wirklich gerecht wird.

In Wahrheit haben wir es lediglich mit einer ganz "sanften" Uminterpretation zu tun, oder besser ausgedrückt, mit einem Verhältnis zwischen absoluten Abständen und Koordinatendifferenzen in der Raumzeit.

Das Konzept ist im Grunde ganz einfach: Wenn Du ein Date hast, braucht ihr eine gemeinsame Bezugsuhr U und müsst natürlich den Ort – die Position r› relativ zu U, die sich in einem von U aus definierten Koordinatensystem Σ als (x | y | z) darstellt – …

Bild zum Beitrag

Abb. 1: Eine Uhr U und ein Punkt P als Ort

und die Zeit t verabreden, die U dann anzeigen soll, wenn Ihr Euch trefft. Was in Abb. 1 nicht dargestellt ist, ist die Zeitachse von Σ, die Weltlinie (WL) von U.

Das geplante Treffen ist ein Beispiel für ein Ereignis, in diesem Fall eines, das in der Zukunft liegt.

Abstände und Koordinatendifferenzen

Stell Dir vor, Du zeichnest zwei Punkte P₁ und P₂ mit Abstand Δs auf ein Blatt Papier. Darauf legst Du eine durchsichtige, vielleicht karierte Folie mit Koordinatensystem drauf.

Das verleiht den Punkten die Koordinaten (z₁ | x₁) und (z₂ | x₂) und macht die Verbindungsstrecke zur Diagonalen eines Rechtecks Δz×Δx mit Δz = z₂ − z₁ und Δx = x₂ − x₁.

Drehst Du die Folie um einen Winkel θ, ändern sich die Koordinaten zu (z°₁ | x°₁) und (z°₂ | x°₂) und damit natürlich auch Δz° und Δx°, nicht aber die Länge Δs, deren Quadrat durch den Satz des PYTHAGORAS gegeben ist:

(2) Δs² = Δz² + Δx² ≡ Δz°² + Δx°².

In der Raumzeit ist das Punktepaar durch Paare Ereignisse €₁ und €₂ zu ersetzen. Das können zum Beispiel mein erster und mein letzter Schluck aus einer Tasse Cappuccino sein, für die meine Uhr Ώ die Zeiten τ₁ und τ₂ anzeigt. Damit ist namentlich die Dauer

Δτ = τ₂ − τ₁

eine direkt gemessene Zeitspanne, die Eigenzeit. Sie entspricht einer Weglänge entlang eines Pfades – tatsächlich ist sie eine, nämlich entlang der WL von Ώ – und somit etwas Absolutes.

Mache ich das im Bordbistro eines Raumfahrzeugs B', das sich relativ zu U bewegt, sind t₁ und t₂ die von U aus ermittelten (d.h. aus Messwerten berechneten) Zeitpunkte und die Zeitspanne Δt = t₂ − t₁ eine Koordinatendifferenz, die U- Koordinatenzeit.

In der NEWTONschen Mechanik (NM) ist Δt = Δτ ("absolute Zeit").

In ihr ist aber auch schon das Ende der absoluten Zeit und vor allem des absoluten Raumes angelegt, und darauf komme ich jetzt:

GALILEIs Relativitätsprinzip (RP)
Kann mir das jemand nochmal anhand des Beispiels oder eines anderen Beispiels erklären?

Mein Lieblingsbeispiel ist nicht unbedingt eine Rakete und die Erde, sondern einerseits 3 Raumfahrzeuge A, B und C, die in ihrem gemeinsamen Ruhesystem Σ einer Linie bei x = −d, x = 0 und x = d liegen und an denen ein viertes Raumfahrzeug B' mit konstanter Geschwindigkeit¹) v› = (v | 0 | 0) vorbei gleitet (ohne Antrieb). U mag die Borduhr von B sein, ich – mit Ώ – sitze in B'.

Nun gilt aber schon in der NM das RP, d.h., wir können auch B' als Bezugskörper und damit als stationär im Ursprung eines Koordinatensystems Σ' beschreiben, an dem A, B und C als Konvoi mit (−v | 0 | 0) vorbei gleiten; die Naturgesetze (= grundlegenden Beziehungen zwischen physikalischen Größen) sind in beiden Fällen dieselben.

Das heißt nun aber auch, und zwar schon für die NM: Die Gleichortigkeit zweier zeitlich aufeinanderfolgender Ereignisse wie €₁ und €₂ ist relativ. In Σ' von B' sind sie gleichortig, in Σ sind sie um Δx = v∙Δt auseinander.

Wir müssen das Konzept der Gleichortigkeit dahingehend verallgemeinern, dass wir solche Ereignispaare zeitartig getrennt nennen.

Da Raum so etwas wie die Menge aller Orte ist, ist in Σ' etwas anderes "Raum" als in Σ. Schon deshalb ist schon in der NM eigentlich NEWTONs eigenes Konzept des absoluten Raumes nicht aufrechtzuerhalten.

Die Umrechnung zwischen Σ und Σ' erfolgt in der NM durch die GALILEI- Transformation, die im Prinzip eine raumzeitliche Scherung ist.

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Abb. 2: Koordinatensysteme: Räumlich, raumzeitlich (NM) und raumzeitlich (SRT)

GALILEI meets MAXWELL

Zu den Naturgesetzen gehören auch MAXWELLs Grundgleichungen der Elektrodynamik und damit auch seine elektromagnetische Wellengleichung mitsamt der Naturkonstanten c. Dieses c ist nicht einfach irgendein Tempo, sondern das absolute Tempo: Was sich relativ zu²) einem Körper mit c bewegt, das bewegt sich relativ zu²) jedem Körper mit c.⁴)

Unter diesen Umständen ist NEWTONs absolute Zeit nicht länger haltbar; wie die Gleichortigkeit zeitlich aufeinanderfolgender Ereignisse ist auch die Gleichzeitigkeit räumlich getrennter Ereignisse relativ:

In unserem Beispiel geht es um Signale von A und C, die zur Zeit t₀ bzw. t'₀ der Begegnung von B und B' gleichzeitig auf beide treffen. Da die Uhren von A und C mit der von B synchronisiert sind, tragen sie denselben Zeitstempel tA = tC = t₀ − d⁄c.

Von B' aus sieht allerdings C, das sich nähert, um den Faktor

(3) (c + v)/(c − v) = (1 + β)/(1 − β) =: K²

weiter entfernt aus, was in Σ als Aberration zu deuten ist: Durch die Bewegung von B' scheint das Licht von C noch weiter von vorn zu kommen.

In Σ' lässt sich diese Interpretation nicht aufrecht erhalten, denn B' wird als stationär interpretiert. Daher muss das ein Retardierungseffekt sein: C war bei seinem Absenden um K² weiter entfernt (genauer: K∙d) als A bei seinem (d⁄K) und muss sein Signal zur Zeit

t'C = t'₀ − K∙d

ausgesendet haben, A hingegen zur Zeit

t'A = t'₀ − d⁄K.

Bild zum Beitrag

Abb. 3: Raumzeit-Diagramm zur Relativität der Gleichzeitigkeit mitsamt ihren Nebeneffekten

Daher muss auch das Konzept der Gleichzeitigkeit von €A und €C auf die Eigenschaft verallgemeinert werden, raumartig getrennt zu sein.

Die MINKOWSKI- Metrik

Der absolute Abstand Δς zwischen €A und €C muss natürlich ein räumlicher sein. In Σ ist er Δς = Δx = 2d, also muss das auch für Σ' gelten.

Es stellt sich heraus, dass für das Verhältnis zwischen Δς und den Koordinatendifferenzen so etwas Ähnliches wie (2) gilt:

(4.1) Δς² = Δx² − c²Δt² ≡ Δx'² − c²Δt'²

Für zeitartig getrennte Ereignisse muss die Gleichung umgedreht werden:

(4.2) Δτ² = Δt² − Δx²⁄c² ≡ Δt'² − Δx'²⁄c²,

wobei Δτ natürlich die Eigenzeit ist.

Die Umrechnung zwischen Σ und Σ' heißt LORENTZ- Transformation und lässt sich am ehesten als hyperbolische Drehung bezeichnen, weil gleich lange Strecken vom Ursprung eines Koordinatensystems aus nicht auf Kreisen und auch nicht auf Geraden, sondern auf Hyperbeln enden.

Bild zum Beitrag

Abb. 4: Zwei relativ zueinander gedrehte gleiche Salami- Abschnitte und im Vergleich dazu zwei Vorgänge auf gleichem Raum (entsprechend dem Querschnitt der Salami) und gleicher Dauer (entsprechend der Länge der Salami)

______________________

¹) Geschwindigkeit (engl. velocity) im engeren physikalischen Sinne ist eine Vektorgröße, eine Größe mit Richtung. Ich schreibe gern v›. Der Betrag v bzw. ⎜v⎟ einer Geschwindigkeit (engl. speed) lässt sich im Deutschen gut mit 'Tempo' wiedergeben.

²) Mit "Geschwindigkeit relativ zu ..." ist immer folgendes gemeint: Wenn wir sagen, B' bewegt sich mit einer Geschwindigkeit v› relativ zu B, so fassen wir in diesem Zusammenhang B als stationär auf. Es ist also nicht dasselbe wie die Differenzgeschwindigkeit.

³) Das Wort 'Lichttempo' wäre treffender, s.o.. Im Englischen heißt c speed of light.

⁴) Daraus folgt übrigens schon direkt, dass sich kein Körper relativ zu einem anderen mit genau c bewegen kann; schließlich müsste er sich dann auch relativ zu sich selbst mit c bewegen, was natürlich absurd ist, denn relativ zu sich selbst bewegt er sich definitionsgemäß überhaupt nicht fort.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
 - (Schule, Physik, Relativitätstheorie)  - (Schule, Physik, Relativitätstheorie)  - (Schule, Physik, Relativitätstheorie)  - (Schule, Physik, Relativitätstheorie)

drspargelitus 
Fragesteller
 26.10.2021, 20:04

Joo danke

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Die Relativitätstheorie sagt nur aus das die Beschreibung von Ereignissen davon abhängig ist wo man sich befindet und wie man sich bewegt.

Jeder darf behaupten das seine Beobachtung richtig ist.

Der Rest deiner Frage enthält Aussagen die physikalisch nicht möglich sind. Es fehlen auch Angaben zb die Bewegungsrichtung. Fliegst du auf ihn zu ? Von ihm weg? An ihm vorbei?

Ohne diese Angaben kann man nicht sagen wer etwas wie sehen wird.

Zumindest ist in deiner Ausgangssituation ein Fehler, denn ein Raumschiff kann sich nicht schneller als das Licht bewegen.

Die Ausgangssituation ist vielmehr die, dass die Lichtgeschwindigkeit immer gleich ist, egal aus welchem Bezugssystem du sie misst. Also wenn du z.B. aus einem Raumschiff mit 90% LG einen Lichtstrahl nach vorn schickst, wird ein Beobachter auf dem Planeten, an dem du grad vorbeifliegst (und dem gegenüber die 90 % gelten!) dieselben knapp 300.000 km/s messen wie du.

Das konsequent zuende gedacht ergibt die Spezielle Relativitätstheorie.

<< Ich sitze in einer Rakete und habe eine Geschwindigkeit mit mehr als der von Licht. >> Das geht nicht, ist in keinster Weise Bestandteil der AR. Trägt also nicht zum Verständnis bei.

Ansonsten ist das Video von ghul666 gut.

Da sind dir einige Sätze durcheinander geraten, so dass deine 'Erklärung' nicht mehr sehr klar ist. Insbesondere klingt falsch, wenn du schreibst:

"... wie ich langsam die den Lichtstrahl überhole, ..."

Du überholst den Lichtstrahl sicher nicht.