Philosophie: Argumentationsgang erabeiten

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Ein Argument (lateinisch arguere = in hellem Licht zeigen, erhellen, veranschaulichen, beweisen; argumentum = Veranschaulichung, Gehalt, Beweis) ist ein Beweisgrund, auf den eine Behauptung zurückgeführt werden muß, um begründet bzw. bewiesen zu werden. Ein Argument ist eine Folge von Aussagen, von denen eine als Schlußfolgerung aus den anderen auftritt. Ein Argument ist eine Begründung für eine Behauptung.

Eine Argumentation (lateinisch argumentatio = Beweisführung) kann aus einer Reihe/Kette von Argumenten bestehen. Dann enthält eine Begründung mehrere Argumente.

Ein Argument zielt darauf, von der Wahrheit einer bestimmten Aussage zu überzeugen, indem die Wahrheit dieser Aussage auf andere Aussagen zurückgeführt wird, von deren Wahrheit man schon überzeugt ist/die als unproblematisch gelten.

Die Aussagen, die begründet werden sollen, können auch Thesen genannt werden. Die Aussagen, auf deren Wahrheit die Wahrheit einer anderen Aussage zurückgeführt werden heißen Prämissen (lateinisch praemissa = das Vorausgeschickte). Sie stellen in logischer Hinsicht Voraussetzungen dar.

Die Aussage (die zu begründende These), deren Wahrheit auf die Wahrheit der Prämissen zurückgeführt wird, heißt als Ergebnis innerhalb einer Argumentation Konklusion (lateinisch conclusio = Schlußfolgerung).

(zu erfassende) Bestandteile eines Arguments sind:

  • Prämissen
  • Konklusion
  • gegebenenfalls Annahmen um des Argumentes willen (angenommen, etwas ist wahr, was folgt daraus?)
  • zugrundeliegende Schlußregel (ein Argument ist schlüssig, wenn eine logisch gültige Schlußregel zugrundegelegt – die Konklusion folgt logisch aus den Prämissen des Arguments)
  • In einem Argumentationsgang können mehrere Argumente aufeinander folgen und in Zusammenhang stehen.

Zum Erfassen ist es nützlich, sich das Gesamtthema und die Thesen, die dazu vertreten werden, klarzumachen. Ein Nachvollziehen, wie die Argumente aufeinander aufbauen bzw. ineinandergrifen, ist erforderlich.

Zum Erfassen gehört, die einzelnen Gedankenschritte zu verstehen und angeben zu können. Die Argumentation kann in viele einzelne Schritte unterteilt ein. Es kommt darauf an, den Ablauf mit den einzelnen Teilschritten zu erschließen und genau wiederzugeben (zu rekonstruieren).

Ein philosophischer Text ist gewöhnlich aber nicht nur eine Standarddarstellung in einem trockenen logischen Gerüst. Eine stilistische vielfältige und sprachlich anspruchsvolle Darbietung von Argumenten kann beim Hören und Lesen besser genossen werden. Ein gewisses Maß an Wiederholung, etwas anders ausgedrückt, kann dafür sorgen, daß der Inhalt nicht unverstanden vorbeirauscht. Gefühlseinstellungen zu Überzeugungen können sich hinzugesellen.

In einem Texte können auch Prämissen nicht ausdrücklich angegeben sein, z. B. weil es dem Autor zu peinlich ist oder zu pedantisch vorkommt, offensichtliche Prämissen noch auszubreiten. Verwendete Schlußregeln sind nicht unbedingt ausdrücklich erwähnt.

Bei einem Versuch eines Gottesbeweises durch René Descartes in seiner dritten Meditation kommen in einem Teilargument als Prämissen und Konklusion vor:

  1. Es muß das vollkommenste Wesen uns die Idee Gottes eingepflanzt haben.
  2. Wenn das vollkommenste Wesen uns die Idee Gottes eingepflanzt hat, dann muß das vollkommenste Wesen auch tatsächlich existieren.
  3. Also muß Gott als das vollkommenste Wesen tatsächlich Existieren.

Die auf die Aussageformen bezogene (logisch gültige) Schlußregel ist:

Wenn p, dann q, p ist der Fall: Also ist q der Fall.

Herangezogen ist der Modus ponens, ein grundlegendes logisches Gesetz.

Andererseits können in einem Text Aussagen näher erläutert werden, Beispiele verwendet werden oder Versuch vorkommen, Annahmen plausibler zu machen.

Zum Erfassen des Textes trägt bei, nicht ausdrücklich genannte Gedankenschritte ebenfalls zu erkennen.

nützlich zu der Frage kann sein:

Holm Tetens, Philosophisches Argumentieren : eine Einführung, Originalausgabe. 3., unveränderte Auflage. München : Beck, 2010 (Beck'sche Reihe ; 1607), S. 22 – 65 (enthält Beispiele)

Albrecht  01.07.2012, 02:59

Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft. I. Transscendentale Elementarlehre. Erster Theil. Die transscendentale Ästhetik. 1. Abschnitt. Von dem Raume. § 2. Metaphysische Erörterung dieses Begriffs (AA III 053/ B 39) wird als Beispiel eines nicht ganz leicht zu durchschauenden Textes behandelt (S. 59 – 60):

„Der Raum ist kein diskursiver, oder wie man sagt, allgemeiner Begriff von Verhältnissen der Dinge überhaupt, sondern eine reine Anschauung. Denn erstlich kann man sich nur einen einigen Raum vorstellen, und wenn man von vielen Räumen redet, so versteht man darunter nur Teile eines und desselben alleinigen Raumes. Diese Teile können auch nicht vor dem einigen allbefassenden Raume gleichsam als dessen Bestandteile (daraus seine Zusammensetzung möglich sei) vorhergehen, sondern nur in ihm gedacht werden. Er ist wesentlich einig, das Mannigfaltige in ihm, mithin auch der allgemeine Begriff von Räumen überhaupt beruht lediglich auf Einschränkungen. Hieraus folgt, daß in Ansehung seiner eine Anschauung a priori (die nicht empirisch ist) allen Begriffen von demselben zum Grunde liegt. So werden auch alle geometrischen Grundsätze, z. E. dass in einem Triangel zwei Seiten zusammen größer sind, als die dritte, niemals aus allgemeinen Begriffen von Linie und Triangel, sondern aus der Anschauung und zwar a priori mit apodiktischer Gewißheit abgeleitet.“

Eine Darstellung in einer Standardform, mit den Prämissen 1. und 2., der Konklusion 3., den Prämissen 4. und 5. und der Konklusion 6. ist:

„1) Es gibt nur einen einzigen Raum, er ist ein individueller Einzelgegenstand.

2) Individuelle Gegenstände lassen sich nicht rein begrifflich oder durch bloße Schlüsse aus Begriffen erkennen, sondern verlangen Anschauung, um sie zu erkennen.


3) Also lässt sich der Raum nur unter Zuhilfenahme von Anschauung erkennen.

4) Durch Anschauung des Raumes werden wahre synthetische Aussagen a priori verifiziert, etwa die Aussagen der Geometrie.

5) Werden Aussagen durch Anschauungen eines Gegenstandes verifiziert und sind sie apriorisch wahr, so ist die Anschauung des Gegenstandes eine apriorische Anschauung.


6) Also ist die Anschauung des Raumes eine apriorische Anschauung.“

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