Philosophie-Abi: Wieso gilt die Existenz der Außenwelt bei Locke als gesichert?

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John Locke vertritt einen Empirismus (erkenntnistheoretisches Hauptwerk: An Essay concerning Humane Understanding [1690]; „Ein Versuch über den menschlichen Verstand“). Seiner Meinung nach stammen alle Bewußtseinsinhalte (z. B. auch Vorstellungen und Begriffe) aus der Erfahrung.

Locke unterscheidet äußere Wahrnehmung, die Sinneswahrnehmung/Sinnesempfindung (sensation), und innere Wahrnehmung, die Selbstbeobachtung (reflection).

Bei der Sinneswahrnehmung gelangen nach seiner Auffassung nicht die Dinge der Umwelt selbst, sondern ihre Qualitäten/Eigenschaften ins Bewußtsein. Bei der inneren Erfahrung beobachte das Bewußtsein seine eigene Tätigkeit. Die grundlegenden Bestandteile des Erkennens seien einfache Ideen/Vorstellungen (simple ideas), die einfache Abbilder von Eindrücken seien. Komplexe Ideen/Vorstellungen (complex ideas) bilde der Verstand durch Kombination einfacher Ideen/Vorstellungen, ohne aber neue einfache Ideen/Vorstellungen hinzufügen zu können.

Eine gewisse Rechtfertigung, die Existenz einer Außenwelt anzunehmen, gibt John Locke mit seiner Theorie primärer Qualitäten. Bei primären Qualitäten wie z. B. Festigkeit/Undurchdringlichkeit, Ausdehnung, Gestalt/Figur, Bewegung oder Ruhe und Anzahl entspreche die Wahrnehmung den Eigenschaften der Dinge selbst, bei sekundären Qualitäten wie z. B. Farbe, Geschmack, Geruch seien die Empfindungen von Kräften hervorgerufen, der Verstand erzeuge durch Kombination einfacher Ideen/Vorstellungen die sekundären Qualitäten.

John Locke hält die primären Qualitäten für real, weil sie den Dingen unabhängig vom wahrnehmenden Subjelt zukämen. Von den Dingen untrennbare Qualitäten erzeugen nach seiner Auffassung abbildende Ideen/Vorstellungen in den Menschen. Locke vertritt die Hypothese, nicht wahrnehmbare äußerst kleine Teilchen seien Träger beim Abbildungsvorgang.

Die Wahrnehmung nimmt er anscheinend im Abbildungsvorgang zumindest im Wesentlichen als passiv und rein rezeptiv (empfangend) an.

John Locke unterscheidet Grade der Erkenntnis in abnehmender Gewißheit:

1) intuitive Erkenntnis (Anschauung, sehr evident [einleuchtend])

2) demonstrative Erkenntnis (über Einzelschritte, die als Beweise dienen, vermittelt, mit Ideen/Vorstellungen und ihrem Zusammenhang)

3) sensitive Erkenntnis (Sinneswahrnehmung)

John Locke hält die Existenz einer Außenwelt mit der Beschaffenheit, wie sie sich nach der menschlichen Erfahrung ergibt, nicht für völlig sicher. Seiner Auffassung haben die Menschen darüber kein endgültiges unzweifelhaftes Wissen, sondern nur ein vorläufiges Wissen. Erreichbar ist seiner Überzeugung nach eine Wahrscheinlichkeit.

Die Argumentation mit dem Alltag setzt keinen Sinn des Lebens bzw. der Wahrnehmung voraus. Eine theoretische uneingeschränkte Sicherheit der Erkenntnis über eine Außenwelt soll mit dem Argument nicht nachgewiesen werden. Es geht nur darum, in der Lebenspraxis irgendwie handeln (mit einem Tun und Unterlassen) zu müssen. Es ist nicht praktisch durchzuhalten, eine Außenwelt und Dinge in ihr als gar nicht existent zu behandeln, nicht auf Umstände und andere Personen zu reagieren.

Wir sind uns heute gar nicht mehr bewusst, was für eine ungeheure, ungeheuerliche, geradezu monströse Revolution es war, die Existenz der Außenwelt überhaupt infrage zu stellen.

Offensichtlich sind hier implizit Reste dieser Grundannahme vorhanden. Derer muss man sich erst einmal bewusst werden, was eine ganz andere Gewöhnung an diesen Gedanken erfordert, als Locke sie damals zu haben scheint.

KnorxyThieus 
Fragesteller
 29.05.2017, 13:21

Das heißt, dieses Argument Lockes wäre in der Tat als fragwürdig kritisch zu beurteilen? Okay, mach ich immer gerne :)

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