Orientierung: könnten Einsatzkräfte wirklich die Richtung bestimmen?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ja und nein.

Ist das wahr? Wenn nun in einem Lagerhaus (Selfstorage) ein Brand ausbricht, alles voller Rauch ist, die Gänge hin-und-her verlaufen - kann die Feuerwehrperson wirklich die Orientierung behalten? Wenn, wie?

Es ist tatsächlich so, dass man im Laufe der Zeit lernt, sich auch bei Nullsicht zu orientieren. Das sehe ich zum Beispiel immer wieder, wenn ich in Hamburg bei "Dialog im Dunkeln" ( https://dialog-in-hamburg.de/erlebnisausstellungen/dialog-im-dunkeln/ ) bin - Atemschutzgeräteträger mit etwas Erfahrung können sich dort deutlich besser zurecht finden als andere.

  1. Als Atemschutzgeräteträger absolviert man regelmäßig Übungen und Einsätze bei Nullsicht und gewöhnt sich in gewisser Weise an die Situation. Man bleibt also ruhiger.
  2. Man erlernt Techniken, nach denen man vorgeht. Beispielsweise, dass man sich immer rechts (oder links) durch einen Raum und ein Gebäude vorarbeitet. Oder wie man in einem Raum eine möglichst große Fläche absucht, ohne den Kontakt zu einem Festpunkt und zu dem/den Kameraden zu verlieren.
  3. Man lernt, Dinge, die man wahrnimmt (Geräusche, Abtastung von Dingen, Richtungsänderungen usw.) im Kopf in ein dreidimensionales Bild umzusetzen.

Das alles hilft. Aber du hast natürlich Recht: Je größer, verwinkelter ein Gebäude ist, desto schwieriger ist es, sich darin bei Nullsicht zu oientieren. Deshalb geht man normalerweise auch nicht "einfach so" in ein Gebäude vor, sondern führt entweder eine Schlauchleitung mit oder eine Leine, so dass man anhand dieser Schlauchleitung oder Leine auch den Weg zurück finden kann.

ich finde es immer wieder spannend, wenn im TV Einsatzkräfte (Polizei, Feuerwehr, etc.) wissen, wo die z. B. nordwestl. Wand ist.

Das kommt immer ganz auf die Situation drauf an. In der Regel rückt man ja innerhalb eines bestimmten, begrenzten Einsatzgebiets aus - und in dem kennt man sich dann ganz gut aus. Man orientiert sich dann beispielsweise an Gebäuden, Türmen, Parks, großen Straßen usw. Wenn ich dann weiß, dass Kirche A nördlich von Bahnhof B liegt und weiß, wo von meinem Standort aus beide liegen, dann kann ich das auch auf das Gebäude vor mir übertragen.

Bei größeren Einsätzen kommen dann sowieso entsprechende Karten usw. zum Einsatz, um die Einsatzstelle in Einsatzabschnitte einzuteilen, Windrichtung und Rauchausbreitung (bei Bränden) zu bestimmen usw. - da ist das dann kein Problem mehr.

Grundsätzlich hat man aber keinen Kompass o.ä. dabei - entweder weiß man, wo Norden ist oder eben nicht.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Stv. Wehrführer und Zugführer bei der Freiwilligen Feuerwehr

schorle22 
Fragesteller
 08.03.2022, 22:01

Du beschreibst die beiden Techniken,die wir auch als Taucher nutzen. Allerdings bei Sicht bzw. bei Null-Sicht mit Leinenführung.

Aber vielen Dank für deine Erläuterung - auch was die A.-Schutzträger betrifft. Schau mir gleich mal den Link an.

Dir noch einen schönen Abend!

0

Einen Kompass hat man im Einsatz nicht dabei.

Also für mich persönlich ist die Orientierung sowohl in Räumen als auch im Freien kein Problem, aber das ist eine individuelle Sache.

Allerdings wird im Feuerwehreinsatz im Innenangriff nicht mit Himmelsrichtungen als Lagebezeichnung gearbeitet. Eben weil das für die meisten Menschen ein Problem ist. Ich habe noch nie gehört oder es selbst gemacht, dass eine Himmelsrichtung als Lagebezeichnung verwandt wurde. Im Innenangriff werden bei schlechter Sicht andere Techniken verwandt, wie zB "rechte Hand an der Wand", also dass man immer mit der rechten Hand oder Fuß an der Wand bleibt.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

schorle22 
Fragesteller
 08.03.2022, 21:07

danke, wie immer!

Ich fand diese Szene auch merkwürdig. Als Taucher ist es kein Problem sich zu orientieren. Doch ich war mir nicht sicher, ob ihr ggfs. identische Möglichkeiten/Ausrüstungsgegenstände habt.

0
iwaniwanowitsch  08.03.2022, 22:30
@schorle22

Kein Problem. Ja, Szenen in Filmen/Dokus sind oft sehr merkwürdig, wenn man "vom Fach ist".

0
schorle22 
Fragesteller
 08.03.2022, 22:34
@iwaniwanowitsch

Danke - aber nein, ich bin def. nciht vom Fach. Habe nur meine Logik und Vorstellungskraft :-)
Daher freue ich mich, wenn ich mich an Euch, die ihr wirklich Ahnung habt, wenden kann.

0

Nein, da geht man nicht nach Himmelsrichtungen vor. Natürlich gibt es viele Hilfen, die man nutzt:

  • Immer an einer Wand entlang kriechen
  • Wo verläuft bisher meine Schlauchleitung / Feuerwehrleine (also wo war ich schon)
  • Wärmebildkameras
  • etc

Aber wenn der Rauch wirklich so dicht ist, dass man nicht mal mehr seine eigenen Füße sehen kann (sog. 0 Sicht), ist es eigentlich fast unmöglich in einem fremden Objekt die Orientierung zu wahren. Da bleibt dann irgendwann nur der Tastsinn als einzige Wahrnehmung und Hilfe.

Man weiß natürlich ungefähr wo man reingekommen ist, aber wenn viele verwinkelte Räume und Gänge vorhanden sind, ist das irgendwann auch kein Anhaltspunkt mehr. Räumlicher und zeitlicher Orientierungssinn sind dann nicht mehr wirklich vorhanden.


schorle22 
Fragesteller
 08.03.2022, 20:43

Dann ist diese Situation also typisch Hollywood? Feuerwehr im Haus - sitzen fest - sagen draußen Bescheid - die sagen "kommt an sw-Mauer" - brechen durch - eingesperrte klettern raus?

0
SimonL15  08.03.2022, 20:45
@schorle22

Naja, ich weiß jetzt nicht von welcher Sendung du sprichst, aber nach einer echten Doku hört sich das nicht grade an :D

1
schorle22 
Fragesteller
 08.03.2022, 20:47
@SimonL15

Neim, keine Doku sondern Hollywood :-)
war in der Serie Chigago Fire. Super gemacht, doch ich hatte so meine Zweifel. Aber Zweifel ist eben nicht Wissen. Und manchmal bin ich neugierig auf die Realität und stelle hier Fragen, in der Hoffnung, das jemand Ahnugn hat und Lust zum antworten.

Also: Danke.

1

Bei der Feuerwehr nicht. Aber wenn Polizisten das auf Verfolgungsjagd sagen zeigt es ja theoretisch das GPS.


schorle22 
Fragesteller
 08.03.2022, 21:52

Ha, hatte ich vergessen. Meinte wirklich zu Fuß, im Haus, im Dunkeln, etc.

1