Nur 2 Geschlechter oder über 70?

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Der Begriff "Geschlecht" hat verschiedene Bedeutungen. Davon wird es abhängen, wieviele es davon gibt.

TL;DR: Es gibt zwei biologische Geschlechter, im Deutschen drei grammatikalische Geschlechter, zu "psychologischem" und "sozialem" Geschlecht gibt es keine richtigen oder falschen Antworten, da es zu diesen Begriffen keine klaren Definitionen gibt.

Biologisches Geschlecht

Das ist die Art von Geschlecht, die in Aussagen wie den folgenden vorkommt.

  • Ein Hahn ist ein männliches Huhn
  • Die geschlechtliche Fortpflanzung macht Arten anpassungsfähiger
  • Ein erwachsener, männlicher Mensch ist ein Mann
  • Bei Seepferdchen werden die Männchen trächtig
  • Clownfische können ihr Geschlecht von männlich zu weiblich ändern
  • Marihuana wird aus Blüten der weiblichen Hanfpflanze gewonnen.
  • Die meisten anderen Blütenpflanzen sind allerdings Zwitter. Das heißt, eine einzige Pflanze trägt sowohl weibliche als auch männliche Blüten.

Worauf sich das Geschlecht in allen diesen Aussagen bezieht, das sind (Größen)unterschiede in den Keimzellen der Organismen (Anisogamie). Hiebei werden die Organismen, welche darauf angelegt sind, die kleineren Keimzellen (Spermien, Pollen) produzieren männlich genannt. Diejenigen Organismen, welche darauf angelegt sind, die größeren Keimzellen (Eizellen) produzieren, weiblich genannt:

To a biologist, "male" means making small gametes, and "female" means making large gametes. Period! By definition, the smaller of the two gametes is called a sperm, and the larger an egg. Beyond gamete size, biologists don't recognize any other universal difference between male and female.

Roughgarden, J. (2013). Sex versus Gender. In Evolution’s Rainbow: Diversity, Gender, and Sexuality in Nature and People. University of California Press.

Joan Roughgarden ist Prof. em. für Biologie, Editorin mehrerer Fachjournale für Biologie und selbst eine Trans-Frau. Das zitierte Buch von ihr beschäftigt sich über 500 Seiten mit der Vielfalt der Geschlechter in Tier- und Pflanzenwelt sowie der menschlichen Gesellschaft.

Es gibt also innerhalb einer Art immer nur zwei Geschlechter. Wobei bei vielen Arten ein Organismus beide Geschlechter hat. Eine einzelne Wassermelonenpflanze beispielsweise bildet zugleich männliche und weibliche Blüten aus.

Dieses und andere Probleme, die biologischen Geschlechter zu definieren werden in diesem Artikel dargestellt:

Rifkin, Maximiliana Jewett & Garson, Justin (2023). Sex by design: a new account of the animal sexes. Biology and Philosophy 38 (2):1-17.

Grammatikalisches Geschlecht

Englisch "gender", deutsch "Genus"

Im deutschen und englischen werden drei Genus unterschieden: weiblich, männlich, neutral (she, he, it / die, der, das). Im Spanischen zwei (el, la)

Im deutschen geht es dabei allerdings ziemlich durcheinander und biologisches und grammatikalisches Geschlecht stimmen regelmäßig nicht überein: Die Frau, der Mann, das Mädchen, die Person, der Mensch, das Individuum, der Tisch, der Mond, die Sonne… Der Diminutiv ist immer neutral: Das Männchen, das Weibchen, das Knäblein, das Tischlein…

Personenstandsregister

Dort gibt es drei mögliche Geschlechtseinträge: weiblich, männlich, divers. Außerdem besteht die Möglichkeit, den Eintrag leer zu lassen. Divers ist nicht mit "intersexuell" gleichzusetzen. Siehe dazu auch weiter unten.

Geschlechtsmerkmale

Primäre Geschlechtsmerkmale sind diejenigen Unterschiede zwischen den zwei (biologischen) Geschlechtern einer Art, welche direkt der Fortpflanzung dienen. Beim Menschen sind dies Eierstöcke, Eileiter, Gebärmutter, oberer Anteil der Scheide, Vulva bzw. Hoden, Nebenhoden, Samenleiter, Bläschendrüse, Prostata, Penis. Diese sind, wenn keine DSD (disorder of sex development / Störung der Geschlechtsentwicklung) vorliegt eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen.

Sekundäre und tertiäre Geschlechtsmerkmale dienen nicht unmittelbar der Fortpflanzung oder sind unbedeutend für die Fortpflanzung. Beispiele sind die Brustdrüse, Beckenform, Knochendichte, Körpergröße, Lungenvolumen, Verhalten, Behaarung. In diesen Merkmalen gibt es zwar statistische Unterschiede zwischen den zwei Geschlechtern. Es gibt aber keine scharfe Trennung zwischen den Geschlechtern in der Merkmalsausprägung: Männer sind im Durchschnitt größer als Frauen. Es gibt auch Frauen, die größer als 180cm sind und Männer, die kleiner als 160cm sind.

Störungen der Geschlechtsentwicklung

Oft werden irrtümlicherweise Störungen der Geschlechtsentwicklung angeführt als Beispiel dafür, dass es auch Menschen gäbe, die keinem bzw. einem dritten biologischen Geschlecht zuzuordnen wären. Oft wird hierfür der veraltete und irreführende Begriff "Intersexualität" gebraucht. Siehe hierzu das Consensus Statement der Lawson Wilkins Pediatric Endocrine Society und der European Society for Paediatric Endocrinology aus 2006:

Advances in identification of molecular genetic causes of abnormal sex with heightened awareness of ethical issues and patient advocacy concerns necessitate a re-examination of nomenclature. Terms such as intersex, pseudohermaphroditism, hermaphroditism, sex reversal, and gender based diagnostic labels are particularly controversial. These terms are perceived as potentially pejorative by patients, and can be confusing to practitioners and parents alike.

Der Begriff "intersex" suggeriert, betroffene Menschen wären inter, also zwischen den Geschlechtern, einzuordnen. Dies trifft in manchen Fällen tatsächlich auf einige Geschlechtsmerkmale zu, betrifft jedoch nie das eigentliche biologische Geschlecht, also die Keimdrüsen (Gonaden) oder Keimzellen, wie auch diese wissenschaftliche Stellungnahme der endocrine society betont:

The classical biological definition of the 2 sexes is that females have ovaries and make larger female gametes (eggs), whereas males have testes and make smaller male gametes (sperm); the 2 gametes fertilize to form the zygote, which has the potential to become a new individual. The advantage of this simple definition is first that it can be applied universally to any species of sexually reproducing organism. Second, it is a bedrock concept of evolution, …

Bhargava A, Arnold AP, Bangasser DA, Denton KM, Gupta A, Hilliard Krause LM, Mayer EA, McCarthy M, Miller WL, Raznahan A, Verma R. Considering Sex as a Biological Variable in Basic and Clinical Studies: An Endocrine Society Scientific Statement. Endocr Rev. 2021 May 25;42(3):219-258.

Die endocrine society ist Fachgesellschaft für Endokrinologie, also ein medizinisches Fachgebiet, welches besonders mit DSDs / "Intersexualität" beschäftigt.

Betroffene Menschen selbst sehen sich ebenfalls fast immer als männlich oder weiblich und nicht als "zwischen den Geschlechtern". Nicht immer entspricht diese Selbsteinordnung (gerechtfertigterweise) dem eigentlichen biologischen Geschlecht. Gerade für diese Menschen ist es sehr hilfreich, dass auf der Geburtsurkunde bzw. auf dem Pass auch eine dritte Option "divers" möglich ist, die keine Festlegung auf ein Geschlecht erfordert.

Gender / soziales Geschlecht

Der Begriff Gender wird häufig als Gegenstück zum biologischen Geschlecht gebraucht und soll ein soziales Geschlecht bezeichnen. Hierunter fällt ein weites Spektrum an geschlechtsbezogenen Verhaltensweisen (Geschlechterrollen, Geschlechtspräsentation wie Kleidung, Frisur, Makeup, …), geschlechtsbezogene Erwartungen, Geschlechtsidentität, geschlechtsbezogene Prägungen, geschlechtsbezogene Diskriminierung, …

Was in diesem Kontext geschlechtsbezogen heißt oder heißen sollte ist Gegenstand aktueller akademischer Arbeiten und öffentlicher Diskussion. Hiervon wird es letztlich abhängen, wie viele verschiedene "Gender" es gibt.

Einen Überblick über Arbeiten zu dem Thema gibt Bogardus, Tomas (2022). Why the Trans Inclusion Problem cannot be Solved. Philosophia 50 (4):1639-1664.

Insbesondere der Begriff Gender, aber auch Geschlecht, Mann, Frau, sind inzwischen so umstritten, dass man mit ihnen nicht mehr verständlich kommunizieren kann. Sie sollten gemieden werden und stattdessen klar definierte Begriffe wie biologisches Geschlecht, Geschlechtspräsentation, -rolle, -merkmale, -identität, Männchen, Weibchen, … verwendet werden.

Wieviele Geschlechter gibt es nun also?

Ich halte mich an das biologische Geschlecht im engen Sinne. Das ist klar definiert, verständlich und für viele Fragen im sozialen Zusammenleben irrelevant: Ob sich jemand Rock oder Hosen anzieht, auf die Männer- oder Damentoilette geht, sich Sara, Paul oder Robin nennt, das hat alles nichts mit den Keimzellen zu tun, die er produziert. Hier gibt es zwei Geschlechter. Alles, was darüber hinausgeht, ist sozial / kulturell konstruiert und es gibt folglich auch keine allgemeingültige richtige oder falsche Antwort.

Hi,

es gibt das biologische und das soziale Geschlecht, der generelle Begriff Geschlecht wird aus einer mischung von beidem definiert; genau ist das nicht geregelt. Vom biologischen Geschlecht her gibt es bis auf seltene Fälle zwei mögliche Geschlechter: männlich und weiblich. Allerdings nicht wirklich Mann und Frau, denn jede Person muss für sich entscheiden ob sie sich in jene Stereotype einordnen möchte oder sich nicht jenem binären System zugehörig fühle. Ich persönlich finde, dass das biologische Geschlecht niemanden ausmache und alleinig das soziale Geschlecht, nach welchem sich die Person selbst und niemand anderes definiert (Gender) zählt.

VG Hdhdidbs

Wenn man 100 Männer und 100 Frauen auf einer Insel aussetzt und in 200 Jahren wieder kommt wird man eine kleine Zivilisation finden.

Wenn man 100 Männer und 100 Trans€n auf einer Insel aussetzt und in 200 Jahren wieder kommt wird man 200 Männliche Skelette finden.

Du musst zwischen biologischem Geschlecht und Geschlechtsidentität unterscheiden.

Das biologische Geschlecht ist ein Spektrum mit zwei Extremen, nämlich männlich und weiblich. Dazwischen gibt es noch intergeschlechtlich, was manche als eigenes biologisches Geschlecht ansehen, andere nicht.

Geschlechtsidentitäten gibt es weitaus mehr als nur zwei. Es gibt z.B. das Trans* Spektrum, darunter fällt das nicht-binäre Spektrum, welches viele Geschlechtsidentitäten beinhaltet. Nicht-binär oder non-binary sind alle Geschlechtsidentitäten, die außerhalb der binären Geschlechter liegen.

Daher muss man auch differenzieren. Geschlecht ≠ Geschlechtsidentität. Das eine ist biologisch, das andere nicht.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Teil der LGBTQ+ Community
iqKleinerDrache  09.05.2023, 17:59

das biologische geschlecht durchsetzen würde jeden erstmal zum gentest verpflichten ... wird nicht gemacht

und selbst dann: was ist wenn 50% seiner zellen das XX haben und 50% das XY ? Der Einfachheit deswegen ... so wie er nackt am ähnlichsten einen dieser 2 zuzuordnen ist .. egal wie die Gene sind.

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iqKleinerDrache  09.05.2023, 18:02
@iqKleinerDrache

Und Grenzfälle wären dann eben das 3te Geschlecht. Also wenn man 100 unabhängige Personen befragt und die aufteilung der entscheidung liegt bei 60:40 oder näher an 50:50. das wäre 3tes

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LunarEclipse  09.05.2023, 18:19
@iqKleinerDrache

Ja, ich bin auch dafür, intergeschlechtlich als eigenes Geschlecht zu klassifizieren, aber da spalten sich die Meinungen, daher die Formulierung.

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ich sehe geschlecht als ein spektrum.

so wie schwarz und weiß farben sind und alle aus den beiden resultierenden mischformen der graustufen auch farben sind.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – selbst nicht hetero