Notfallsanitäter und Partnerschaft/Familie geht das?


11.02.2022, 07:48

Wie viel Zeit habe ich mit meinem Partner? Sieht man sich Morgens oder Abend?

Das Ergebnis basiert auf 12 Abstimmungen

Ja, man kann es gut verbinden und hat genügend Zeit für Familien 75%
Nein, das wird eher schwierig 25%

5 Antworten

Von Experte RedPanther bestätigt
Nein, das wird eher schwierig

Prinzipiell ist es natürlich möglich, die Arbeit im Rettungsdienst und Partnerschaft/ Familie unter einen Hut zu bekommen und miteinander zu vereinbaren, es ist jedoch deutlich schwieriger als in einem Berufsbild ohne Schichtdienst und erfordert mehr Organisation, Verständnis von Partnerin oder Partner und mehr Mitwirkung der übrigen Familienmitglieder.

Wie du bereits erwähnt hast, gibt es verschiedene Schichtmodelle, ob man sich morgends oder abends sieht ist nicht pauschal zu beantworten, da dies auf mehrere Faktoren ankommt. Arbeitet man zum Beispiel bei einem Rettungsdienst, welcher in der Notfallrettung mit 8 Stunden Diensten arbeitet und somit im 3- Schicht- System mit Früh-, Spät- und Nachtdienst, dann geht der Spätdienst zum Beispiel regulär bis um 23.00 Uhr und somit ist vollkommen klar, dass die Partnerin oder der Partner den Abend alleine verbringen muss und bereits im Bett liegt wenn man vom Spätdienst nach Hause kommt. Wird in 12 Stunden Schichten gearbeitet, also im 2- Schicht- System mit Tag- und Nachtdienst, dann kann man Glück haben und sich sehen wenn man Tagdienst hat, denn der geht dann beispielsweise von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr. Hat man jedoch Nachtdienst, dann fängt man eben um 19.00 Uhr an zu arbeiten was wiederum bedeutet, dass man sich ungefähr um 18.00 Uhr auf den Weg zur Rettungswache machen muss. Hier sieht man sich dann ebenfalls nicht, denn man geht nunmal dann zur Arbeit hin, wenn die Partnerin oder der Partner in der Regel von der Arbeit nach Hause kommt. Es muss einem auch klar sein, dass der Rettungsdienst an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr arbeitet und demnach Wochenende, sämtliche Feiertage und dergleichen zu den "ganz normalen" Arbeitstagen gehören. Man arbeitet häufiger auch am Wochenende und hat dafür unter der Woche dann freie Tage. Dies bedeutet, dass die Partnerin oder der Partner am Wochenende alleine zu Hause ist und man selber in der Regel an seinen freien Tagen unter Woche ebenfalls alleine zu Hause ist. Hat man irgendwann gemeinsame Kinder, dann geht es eigentlich nur, wenn die übrige Familie regelmäßig mithilft und die Kinder betreut während man Dienst hat, denn kein regulärer Kindergarten, hat bis um 0.00 Uhr geöffnet.

Deiner Fragestellung her, würdest du die Ausbildung erst absolvieren müssen. Das macht es zusätzlich schwierig, denn die Ausbildung zum Notfallsanitäter ist nach Allem was ich über sie jemals gehört und gelesen habe eine sehr anspruchsvolle Berufsausbildung!. Sie befindet sich vom Niveau her deutlich über den Meisten anderen, dreijährigen Berufsausbildungen. Während der praktischen Ausbildung, die über 50% ausmacht, hat man bereits Schichtdienst und ich persönlich kenne niemanden, der sich noch hinsetzt und Theorie lernt, wenn er nacht's um 0.00 Uhr von einem Spätdienst nach Hause kommt. An den Tagen, wo man Unterricht an der staatlich anerkannten Schule hat, kommt man je nachdem um 19.00 Uhr nach Hause und lernt dann nochmal bis um 22.00 Uhr. Solange man sich also in der Ausbildung befindet, bedeutet "Freizeit" auf dem Papier zu haben also keinesfalles Freizeit im Sinne von ich nutze diese Zeit wie ich möchte sondern in der Regel "ich brauche diese Zeit um zu Lernen". Tatsächliche Freizeit, haben die Auszubildenden wenig, dadurch, dass ihre praktische Ausbildung im Schichtdienst erfolgt und die Theorie ja auch noch gelernt werden muss und es keinesfalles ausreichend ist den Unterricht an der staatlich anerkannten Schule zu besuchen, um sich das theoretische Fachwissen einzuprägen.

Allgemein sind die Ausbildungsplätze zum Notfallsanitäter auch sehr begehrt und es ist gar nicht gesagt, dass man einen Ausbildungsplatz bekommt, wenn man gerade einen haben möchte. Zehn Bewerber/innen auf einen freien Ausbildungsplatz, sind der absolute Durchschnitt und die Rettungsdienste haben dadurch bedingt durchaus die Gelegenheit, sich die Rosinen unter den Bewerbern herauszusuchen. Freie Ausbildungsplätze werden zumindest hier bei mir in der Region nahezu ausschließlich an qualifizierte Rettungssanitäter*innen mit ein- bis zweijähriger Berufserfahrung und Fahrerlaubnis der Klasse C1 vergeben. Mein Rat wäre allgemein, wenn du es im Rettungsdienst versuchen möchtest, zunächst die Qualifikation als Rettungssanitäter zu absolvieren und ggf. danach auch eine Zeit lang als solcher zu arbeiten. Die Arbeitsbedingungen mit Schichtdienst undsoweiter sind absolut identisch und dann merkst du auch, wie es mit der Partnerschaft klappt oder eben auch nicht klappt. Falls es nicht klappt, hast du mit dem Rettungssanitäter wenigstens eine rettungsdienstliche Qualifikation, mit der du zum Beispiel nebenberuflich im Rettungsdienst tätig sein kannst. So hättest du ein Stück weit Rettungsdienst aber deutlich mehr Zeit für deine Partnerschaft.

Mfg

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.
NotSaniSophie  11.02.2022, 14:24

Es kommt aber auf die Region an, mit den Plätzen...

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tile1907 
Fragesteller
 11.02.2022, 14:29
@NotSaniSophie

Ich komme von Land. Ist es Dorf noch anders geregelt bzw wo arbeitest du momentan? Bist du eher städtisch oder Dörflich eingesetzt?

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NotSaniSophie  11.02.2022, 14:35
@tile1907

Also, eine Wache im Nirgendwo ;) 2 NFS pro Schicht ein RTW, oft noch eine Azubine. Ja es wirkt manchmal wie ein Familienbetrieb, wenn ich mit meinem Bruder Dienst habe... Zu den Ausbildungsplätzen, kann ich dir sagen, ich denke auf dem Land ist es leichter, aber es kommt einfach nur auf die Region an.

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Nein, das wird eher schwierig

Hi,

wenn man einfach ehrlich ist: besonders gut lässt sich die Arbeit im Rettungsdienst nicht mit Familie, Partner und Freizeit in Einklang bringen - Ausnahmen bestätigen die Regel.

Hat jemand von euch erfahrung damit wie man Partnerschaft/Familie und die Arbeit unter einen Hut bekommt?

Die Erfahrungen variieren von "funktioniert über Jahrzehnte super" bis zu "ist nach drei Monaten Haupttrennungsgrund".

Es hängt stark davon ab, was man selbst und was Familie/Partner/Freunde erwarten - sind beide Seiten (zeitlich) flexibel und kann das romantische Abendessen auch auf Mittwoch Vormittag verlegen, weil's dann gerade passt, funktioniert es oft recht gut.

Wenn man allerdings unbedingt freie Wochenenden will, noch andere zeitlich unflexible Verpflichtungen hat oder man noch Kinder zuhause hat, die irgendwie betreut werden müssen oder einfach auch Zeit einfordern, wird es ziemlich schnell ziemlich belastend.

Dass die regelmäßige Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeit dazu gehört muss man ebenso auf dem Schirm haben wie einen nicht planbaren Feierabend.

Wie ist es mit Ausgleichstagen gibt es sowas bzw. habe ich dann nach einer 12 Stunden Schicht den nächsten Tag frei?

Wie Du schon festgestellt hast: abhängig von dem lokalen Dienstplan.

Wie ich allerdings aus Erfahrung berichten kann: mehrere 12-Stunden-Schichten "am Stück" sind die absolute Regel - einen "Ausgleichstag" nach einer regulären 12-Stunden-Schicht gibt es nicht. Wozu auch? Es ist eben eine normale Schichtlänge, wie im Büro der 8-Stunden-Tag.

Die Wochenarbeitszeit, die typischerweise zwischen 45 - 48 Stunden liegt, sollte man darüber hinaus auf dem Schirm haben.

Wie viel Zeit habe ich mit meinem Partner? Sieht man sich Morgens oder Abend?

Abhängig davon, wie der Partner arbeitet - und wie die jeweiligen Schichtwechsel fallen, typisch sind bspw. von 7 - 19 Uhr oder von 6 - 18 Uhr.

Mein Partnerin weiß über meine überlegung bescheid und für sie ist es auch keine Problem

"Bescheid wissen" heißt nicht unbedingt, die Konsequenzen verstanden zu haben und mit diesen auch tatsächlich einverstanden zu sein - und in der Praxis gelebt ist es dann immer noch nicht.

Gerade wenn auch noch die Ausbildung als Hürde vornedran steht: Berufsschule erfolgt als Blockunterricht (und die nächste Berufsfachschule kann ziemlich weit weg sein), Lernzeiten kommen zusätzlich zu den Schulblöcken, Klinik und Wache on top dazu.

Fazit

Wenn man pauschal fragt, ob es gut geht, muss man sagen: nein - dafür gibt es zu viele Probleme.

Ob es bei Dir im Einzelfall passen würde? Schwierig zu beurteilen. Eine gründliche Überlegung und Abwägung nach Berücksichtigung aller Faktoren der rettungsdienstlichen Arbeitswelt würde ich Dir als Menschen, der auf eine gute Partnerschaft Wert legt, zweifellos anraten.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent

Mein Dienstplan sieht in etwa so aus das ich nach Tarifvertrag 45 Wochenstunden habe. Es gibt verschiedene Tagfahrzeuge mit verschiedenen Schichtzeiten von 8 bis 12 Stunden. Außerdem gibt es 24-Stunden-Fahrzeuge mit 10h Tag und 14h Nachtschicht. Den Plan schreiben die Mitarbeiter flexibel "wunschgemäß" mit ein paar Grundvorgaben. Es müssen mindestens zwei Wochenenden eingetragen werden und ausreichend Dienste um die Sollarbeitszeit zu erreichen. Außerdem müssen sich alle flexibel zeigen um die Lücken im Plan zu schließen. Bei dem Konzept entstehen sehr wilde, individuelle Dienstpläne die letztlich nur an die Arbeitszeitgesetze gebunden sein müssen.

Die Scheidungs- und Trennungsrate ist trotzdem in der Berufsgruppe mit eine der höchsten.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Seit über 10 Jahren RA/NFS beim DRK
Von Experten Rollerfreake und iwaniwanowitsch bestätigt
Nein, das wird eher schwierig

Rein von der Beobachtung her: Es gibt sehr viele geschiedene, getrennte, alleinstehende Kollegen im Rettungsdienst. Deren Beziehungen explizit am Beruf gescheitert sind. Gefühlt sind jene, deren Beziehungen schon seit >10 Jahren stabil funktionieren, deutlich in der Unterzahl.

Es kommt natürlich immer auch auf die individuelle Situation an. Wie genau der Arbeitgeber den Dienstplan schreibt, welche Arbeitszeiten der Partner hat... Und wie man sich arrangiert.

Ob man sich z.B. morgens sieht, hängt schlichtweg davon ab ob der Partner auch zu dieser Zeit wach ist. Ich gehe zur Tagschicht zwischen 5:00 und 5:30 aus dem Haus und komme von der Nachtschicht zwischen 6:00 und 6:30 zurück. Hätte ich eine Partnerin, die wegen Spätschicht erst gegen 8:00 aufstehen möchte, könnte ich sie nicht guten Gewissens aufwecken und wir würden uns morgens definitiv nicht sehen.

Man kann als Rettungsdienstler auch nicht so recht Absprachen für "nach dem Dienst" treffen... denn wenn es 30 min vor Dienstende noch einen Einsatz gibt, bei dem der Patient 100 km weit in die Spezialklinik gefahren werden muss, wird es eben auch mal spontan 2-3 h später. Das ist nicht die Regel, aber nach Murphy's Law passiert das genau dann, wenn man sich z.B. aufgrund des Jahrestages zum Candlelight-Dinner verabredet hat.

Es kann auch sehr belastend für die Beziehung sein, dass die freien Tage so unterschiedlich verteilt sind. Im Rettungsdienst ist es eben vollkommen normal, am Wochenende und an Feiertagen zu arbeiten und dafür unter der Woche frei zu haben... während das freie Wochenende für andere vollkommen selbstverständlich ist und es wirklich auch mal sein kann, dass man 2-4 Wochen am Stück keinen gemeinsamen freien Tag hat.

Wie ist es mit Ausgleichstagen gibt es sowas bzw. habe ich dann nach einer 12 Stunden Schicht den nächsten Tag frei?

Wie es geregelt wird, dass man mit 12h-Schichten und gelegentlichen Überstunden auf einen Durchschnitt von 45 h pro Woche kommt, ist individuell Sache des Arbeitgebers. Oft gibt es einen festen Dienstplanrythmus, der sich alle x Wochen wiederholt und zum Ausgleich für Mehrarbeit gibt's dann eben mal einen Tag frei, wo es dem Dienstplaner gut reinläuft (manche Dienstplaner lassen mit sich reden^^).

Die 12h-Schicht ist der normale Arbeitstag im Rettungsdienst, so wie die 8 h bei jemandem im Büro. Man geht also danach nach Hause, ruht sich aus und kommt den nächsten Tag zurück. Mehrere Tage mit 12h-Schichten in Folge sind absolut die Regel. Das Gesetz verlangt 11 h Ruhezeit zwischen den Diensten ;)

Mein Partnerin weiß über meine überlegung bescheid und für sie ist es auch keine Problem

Es ist eine Sache, Bescheid zu wissen und sich zu sagen, dass das schon passen wird. Es ist eine andere Sache, es dann auch in der Praxis zu erleben.

Was meinst du, wie viele Kollegen sich mit ihren Partnern zoffen "wir können nie Weihnachten miteinander verbringen", obwohl man nur jetzt eben mal 2 Jahre in Folge an Weihnachten gearbeitet hat. Wie viele Kollegen von ihren Partnern zu hören bekommen "du hast nie Zeit, immer bist du auf Arbeit"... dabei hatten sie diese Woche von Montag bis Mittwoch frei und letzte Woche Dienstag, Donnerstag und Freitag. Jeder nimmt die negativen Eindrücke stärker wahr als das Positive.

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Fazit:

Unmöglich ist es sicher nicht, dass das mit dem Schichtdienst und Partnerschaft/Familie funktioniert.

Für mich war der Schichtdienst, bzw. die Komplikationen die sich daraus fürs Partnerleben ergaben, einer der Hauptgründe weshalb ich meine Zukunft nicht im Gesundheitssystem sehe.

NotSaniSophie  11.02.2022, 14:26

Ja ich bin seid ca. 10 Jahren glücklich mit meinem Mann unterwegs, bin 23 Jahre alt.

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tile1907 
Fragesteller
 11.02.2022, 14:30
@NotSaniSophie

Sehr ihr euch denn dennoch oft. Also morgens/Abend trotz Schichtdienst?

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NotSaniSophie  11.02.2022, 14:36
@tile1907

Ja eigentlich sehr oft. Er ist zwar oft 20 Stunden am Stück arbeiten, aber wir sehen uns dennoch sehr oft und lieben uns über alles.

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Ja, man kann es gut verbinden und hat genügend Zeit für Familien

Ja, warum nicht? Und wenn du die richtige Partnerin hast dann ist alles möglich. Übrigens finde ich deine Wahl als Notfallassistent super. DH

Liebe Grüße von bienemaus 63