Notfallsanitäter aus dem Beruf raus,trotzdem noch NotSan?

3 Antworten

Von Experte SaniOnTheRoad bestätigt

Nun, man muss es von verschiedenen Seiten her beleuchten:

Die Berufsbezeichnung "Notfallsanitäter" bleibt einem auch ohne aktive Tätigkeit im Rettungsdienst erhalten. Die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung basiert ja auf §1 Absatz 1 Notfallsanitätergesetz (NotSanG) und das NotSanG selber sieht keine jährlichen Pflichtfortbildungen vor. Die Pflichtfortbildungen basieren auf den Rettungsdienstgesetzen der Länder, ein nicht Besuchen dieser Fortbildungen führt nicht zu einer "Aberkennung" der Berufsbezeichnung "Notfallsanitäter/in" sondern lediglich dazu, dass der Einsatz im Rettungsdienst nicht mehr erfolgen darf. In einigen Bundesländern ist es allerdings auch so, dass auch das in den Leitstellen eingesetzte Rettungsfachpersonal an der jährlichen Pflichtfortbildung teilzunehmen hat, Beispiel: §9 Absatz 4 RDG BaWü.

Fazit bis dato: NotSan bleibt NotSan, egal ob er im Rettungsdienst aktiv arbeitet, in einem anderen medizinischen Bereich wie beispielsweise einer Notaufnahme tätig ist oder ob er überhaupt nicht mehr im medizinischen Bereich aktiv ist. Die Berufsbezeichnung gemäß §1 Absatz 1 NotSanG, bleibt erhalten!.

Heilkundliche/ invasive medizinische Maßnahmen:

Der neue §2a Notfallsanitätergesetz berechtigt Notfallsanitäter/innen bis zur Übernahme durch einen (Not-)Arzt zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten, wenn sie diese in ihrer Ausbildung erlernt haben und beherrschen und wenn die Maßnahmen jeweils erforderlich sind, um Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden von der Patientin oder dem Patienten abzuwenden. Der Knackpunkt könnte hier das "Beherrschen" der Maßnahmen sein, da es fraglich ist, ob jemand, der jahrelang nicht mehr im Rettungsdienst aktiv ist, die Maßnahmen noch "beherrscht". Allerdings schreibt der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu §2a NotSanG selber, dass der Zusatz des "Beherrschens" weniger eine rechtliche Einschränkung sein soll sondern vielmehr dazu führen soll, dass sich der handelnde Notfallsanitäter vor der Maßnahme die Frage stellt, ob er sie beherrscht. Es liegt also vorrangig im Ermessen des NotSan's zu entscheiden, ob er die Maßnahme (noch) beherrscht oder nicht.

Übrig bleibt als juristische "Rückfallebene" in jedem Falle auch der "rechtfertigende Notstand" gemäß §34 Strafgesetzbuch (StGB).

Außerdem muss man sich bei einer privaten Hilfeleistung sowieso die Frage stellen, ob der Heilkunde-/ Arztvorbehalt aus dem HeilprG hier überhaupt juristische Gültigkeit hat. Meines Erachtens nach hat er dies nicht, da das HeilprG seinem Volltext und der Definition von Heilkunde in §1 Absatz 1 ausschließlich die "Berufs- und gewerbsmäßige Ausübung der Heilkunde" unter Heilkundevorbehalt stellt. Wer privat handelt, handelt privat und nicht "Berufs- oder gewerbsmäßig". Defacto dürfte man ALLES machen, was man beherrscht, unabhängig von seiner formellen Qualifikation und wäre nicht an die Voraussetzungen des §2a NotSanG oder die Rechtfertigungsgründe des §34 StGB gebunden. Einzig und alleine der Arztvorbehalt in §13 BtMG hätte Gültigkeit.

Mfg

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.
Von Experte Rollerfreake bestätigt

Hi,

Was wäre wenn ein solcher NotSan, einen Patienten (auch mit Invasiven ) Maßnahmen versorgt, wäre das noch rechtlich zu rechtfertigen?

Zu rechtfertigen wäre es meines Erachtens durchaus - wobei man natürlich den Einzelfall betrachten muss.

Unter der Voraussetzung, dass die Maßnahmen erlernt wurden, beherrscht werden und in der jeweiligen Situation angemessen sind, werden diese nach wie vor durch § 2a NotSanG gedeckt.

Der Knackpunkt ist hierbei - wie Rollerfreake schon erwähnt hat - das Beherrschen. Und das hängt sowohl von der Maßnahme an sich, als auch dem individuellen Kenntnisstand des Kollegen ab - nachdem in der Fortbildung keine regelhafte Überprüfung der Beherrschung jeglicher invasiver Maßnahmen stattfindet, ist diese erstmal nicht von Belang.

Bei der Durchführung von "Routinemaßnahmen" wie der Anlage eines periphervenösen Zugangs, was man schon hunderte Male gemacht hat, kann man auch nach ein paar Jahren noch das Beherrschen annehmen - bei Exoten wie dem maximalinvasiven eskalierenden Atemwegsmanagement eher nicht.

Und, wie ebenfalls schon erwähnt wurde: der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB) kann auch für Notfallsanitäter gelten, wenn § 2a NotSanG eben nicht greift.

Hier ist natürlich ebenso die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu beachten, ebenso wie die Notwendigkeit, dass durch die Maßnahme keine neuen, unkontrollierbaren Gefahren entstehen. Und es ist eben in diesem Falle ein Rechtfertigungsgrund, und keine Erlaubnis.

Da die Fortbildungen zur Weiterführung der Berufsbezeichnung ja fehlen!

Achtung, Denkfehler!

Die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung ist vollkommen unabhängig vom Absolvieren etwaiger Fortbildungen (§ 2 NotSanG) - das Notfallsanitätergesetz selbst kennt keinerlei Fortbildungspflicht.

Letztere ergibt sich aus den Landesrettungsdienstgesetzen, welche die Voraussetzungen für die Fahrzeugbesetzung und das eingesetzte Personal regeln.

Ohne aktuelle Fortbildung entsteht lediglich die Konstellation: man ist NotSan, darf allerdings nicht als Verantwortlicher in der Notfallrettung eingesetzt werden und die etwaige Delegation von 2c)-Maßnahmen entfällt.

aber speziell im Medizinischen und ganz besonders in unserem Beruf haben wir eine Fortbildungspflicht.

Da stimme ich uneingeschränkt zu - das muss meines Erachtens allerdings auch über 30 - 35 Stunden Pflichtfortbildung fraglicher Qualität hinausgehen.

Fazit

wenn ich der nicht nachkomme, keine Berufliche Aktivität mehr nachweisen kann, darf ich dann noch als NotSan aktiv werden bzw mich auf die erweiterten Maßnahmen berufen?

Im Grunde genommen ja, aber Einzelfallentscheidung.

Es macht in der Bewertung "okay" oder "nicht okay" eben einen Unterschied, ob es eine Routinemaßnahme ist oder ein Exot, bei dem man das Beherrschen per se anzweifeln könnte - und es macht einen Unterschied, ob man zwei Jahre "fachnah" in Leitstelle oder Klinik unterwegs war oder 20 Jahre in einem komplett anderen Metier.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent

Ich finde es schon äußerst suspekt das selbst aktive Mitarbeiter außerhalb ihrer Arbeitszeiten mit solchen Equipment herumfahren und als Ersthelfer sowas wie zB. Zugänge legen. Das auch noch zu machen wenn man schon länger aus dem Job raus ist, ist m.e. eine rechtliche Grauzone. Man kann sich letzlich meistens mit dem gerechtfertigten Notstand rausreden, aber wehe dabei ensteht ein Patientenschaden. Dann wird da aber aufs genaueste geprüft werden ob diese Maßnahme zu dem Zeitpunkt indiziert war und derjenige die Berechtigung hatte diese durchzuführen. In deinem Beispiel einer eibfach bewusstlosen Person würde ich mir diesen Stress niemals aufhalsen. Warum war eine stabile Seitenlage zur Überbrückung der Ankunft des Rettungsdienst nicht ausreichend und eine Invasive Maßnahme notwendig? Das sind Fragen auf die man vor Gericht eine Antwort haben muss und die man dann klar mit akuter Gefahr für den Patienten beweisen sollte.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Seit über 10 Jahren RA/NFS beim DRK
Probsteier 
Fragesteller
 06.09.2021, 15:29

Hallo

Das war eine rein fiktive Konstellation, dass der Kollege lange nicht mehr im Dienst ist.
in dem geschildertem Einsatz b war das nicht der Fall.

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