Nehmen wir Kampfsport zu ernst?

Das Ergebnis basiert auf 23 Abstimmungen

andere Meinung 43%
Ja, wir nehmen uns selbst zu wichtig 35%
Nein, wir nehmen uns selbst nicht zu wichtig 22%

14 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
andere Meinung

Ich will nicht verallgemeinern. Deshalb schliesse ich mich der Aussage "Ja, wir nehmen uns selbst zu wichtig" nicht an.

Letztendlich ist das aber mit fast allen Dingen der Fall, die man intensiv und mit grosser persönlicher Widmung betreibt; egal, welches Hobby. Das führt zu einer Überbewertung des eigenen Wertesystems und zu einer Verzerrung der eigenen Rolle im Leben.

Denkt ihr Kampfsport und Selbstverteidigung sind gesellschaftlich relevantere Themen als andere Sportarten oder Freizeitbeschäftigungen?

Gewiss nicht.

Wer ständig von Menschen umgeben ist, die ihrem Machotum frönen und mit ihrer physischen Stärke protzen müssen, gerät zwangsläufig in die Lage, diesen Druck aushalten und sich diesen Werten auch unterwerfen zu müssen. Die Welt braucht nicht mehr gewaltbereite Menschen, die dem Machotum nacheifern, sondern Frieden und den moralischen und emotionalen Ausgleich von Unterschieden aller Art und die Geduld, diese Unterschiede auch wertefrei auszuhalten.

Stellt sich die Frage, weshalb es so populär ist, sich in diesen Kreisen zu bewegen. Nun, meiner persönlichen Erfahrung nach suchen Menschen, die wenig persönliche Erfolge aufzuweisen haben punkte Ausbildung und Beruf einen Ausgleich, bei welchem sie auch Erfolge einheimsen können. Das liegt in der Natur des Menschen. Und das Gute daran ist ja, dass persönliche Erfolge das eigene Selbstvertrauen aufbauen.

Das kann man allerdings auch übertreiben. An genau dieser Stelle beginnt man die Relevanz dieses, auf einer gesellschaftlichen Nebensächlichkeit basierenden Annahme, zu überbewerten und man hebt in eine Fantasiewelt des andauernden Überlebenskampfes ab und bläst dabei sein Selbstbild auf. Was dann rauskommt ist meist warme Luft.

Das alles ist nur allzumenschlich. Andere Menschen blasen ihr Ego mit anderen Dingen auf. Wichtig ist bloss zu erkennen, wann es aufgeblasen ist.

Woher ich das weiß:Hobby – betreibe seit bald 30 Jahren Aikido; 4. Dan-Grad
RagingDemon 
Fragesteller
 04.11.2021, 16:30

Sehr gut gesagt. Dem kann ich nichts hinzufügen.

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tenno5034  05.02.2022, 16:03

Danke für den Stern!

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andere Meinung

Du beschreibst in deinen Ausführungen eigentlich sehr treffend und schön, was passiert, wenn man seinen Fokus zu einseitig auf eine einzige Sache richtet. Das trifft beileibe nicht nur auf den Bereich des Kampfsports zu, denn wenn man einmal auf verschiedenen Seiten und Plattformen unterwegs ist, die sich mit Muskelaufbau- und Krafttraining beschäftigen, kann man schnell erkennen, dass die Sache in diesem Bereich ähnlich - fast sogar noch extremer ist.

(Ich nenne dieses Segment gerne "Kosmetik-Sport", was mittlerweile dazu geführt hat, dass fast eine ganze Generation junger Männer mit so genannten Adonis-Komplexen herumläuft, Tendenz steigend. Quasi die männliche Parallele zur Magersucht bei Frauen.)

Persönlich bin ich bis heute immer in mehreren Welten zuhause gewesen:

In meiner frühen Jugend bis zum 43. Lebensjahr Kunst- und Turmspringer mit leidlichen Erfolgen (u.a. Europameister der Masters 2007 in Jesenice, Slowenien im Turmspringen der Männer). Diese Sportart nahm natürlich immer einen großen Platz in meinem Leben ein.

Dann kam später noch das Shotokan-Karate hinzu (nachdem ich vorher einmal einige gewisse Zeit ins Shaolin-Kempo hineingeschnuppert hatte), dies allerdings über all die Jahre ohne jede Wettkampfambition, sondern aus Freude an der Bewegungsvielfalt, am geistig-philosophischen Hintergrund und am umfassenden und sehr ganzheitlichen Training. Zuletzt habe ich dann auch eine Zeitlang als Übungsleiter/Co.-Trainer zwei Gruppen trainiert (Kinder/Jugendliche und Erwachsene). Da ich keinerlei Wettkampfgelüste hatte, sah ich mein Training immer überaus entspannt, denn ein Leistungssport sollte bis dato gereicht haben. Auch mir fällt immer wieder auf, dass zahlreiche Kampfsportler sich überaus despektierlich über andere Trainingsarten, Stile oder z.B. Elemente wie Kata äußern. Ich tendiere dazu, diese Großspurigkeiten zu ignorieren, wenn mal wieder irgendein selbst ernannter "Super-Fighter" z.B. den Shotokan-Stil als "Lappen-Karate" usw. betitelt. Was wissen solche dummen Jungs schon? Sie offenbaren damit ihre eigenen Ahnungslosigkeiten - und ich kann dagegen kaum etwas tun. Sollen sie sich weiter für den "Super-Ninja" halten, das hat auf mein Leben keinen Einfluss.

Ich kann dir weiterhin darin beipflichten, dass in unseren Breitengraden Angriffe auf Leib und Leben relativ selten sind; in meinen inzwischen 57 Jahren hatte ich erst eine einzige Situation, in der ich meine Kenntnisse (in entschärfter und schonender Form) anwenden musste. Und das ist inzwischen auch bereits weit über 20 Jahre her. Ich habe aber immer wieder den Eindruck, dass insbesondere die etwas "lautere" Fraktion gerne auf der Suche nach Gelegenheiten ist, um in Streit zu geraten und dann ihre technischen Kenntnisse demonstrieren zu können. Dass das nicht der Sinn einer Kampfsportart ist, sollte allerdings keines Wortes mehr bedürfen.

Jede Kampfsport/Kunstart für sich genommen ist eine tolle Sache, egal ob es Boxen, Ringen, Judo oder eben das Karate ist. Und ich gehe noch einen Schritt weiter: Jede Sportart ist toll! Ich denke dabei an die zunächst irritierende Aussage eines Karate-Großmeisters, der nur anmerkte: Ob Karate, die Teezeremonie oder Blumenstecken - es ist doch alles ein und dasselbe!

Der Sport, das Hobby, welcher Art auch immer, sollte ein Ausgleich und Ventil für den Alltag sein, aber nicht der alleinige Lebensinhalt. - Es sein denn, man ist Fußball- , Tennis- oder Golfprofi. Aber auch dann wäre ich mir nicht zu sicher...

Good Luck !

RagingDemon 
Fragesteller
 05.11.2021, 13:17

Danke erstmal für die Umfangreiche Antwort und Respekt für den EM Titel!

Ja, Fitness ist wohl auch ein gutes Beispiel für die Tendenz zum destruktiven Hineinsteigern in ein Hobby.

Wettkämpfe sind natürlich kein Muss, dennoch habe ich die Erfahrung gemacht, das Wettkämpfer sich eher ihrer Grenzen bewusst sind und deshalb seltener zur lauten Fraktion gehören. Für mich persönlich war der Wettkampfsport auch ein wichtiger Pfad zur Persönlichkeitsntwicklung. Aber da gibt es natürlich viele Wege.

Viel Spaß und Erfolg weiterhin!

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Ja, wir nehmen uns selbst zu wichtig

Bild zum Beitrag

Hallo Dennis!

Bei Kampfsportlern fällt mir immer häufiger was für eine übertriebene Relevanz sie dem Thema innerhalb der Allgemeinheit zuschreiben, so als wäre das Beherrschen einer Kampfkunst der einzige Weg durchs Leben zu gehen ohne von anderen Leuten zusammengeschlagen, ausgeraubt oder umgebracht zu werden.

Richtig aber diese totale Überbewertung der eigenen Sportart ist leider eher Die Regel als die Ausnahme. Ich komme vom Gewichtheben. Viele Jahre Bundesliga, große Wettkämpfe. Auch ich bin da selbstkritisch

Wer permanent intensiv in einer Sportart gefangen ist bekommt einen Tunnelblick

Ich wünsche Dir einen schönen Tag

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Viele Jahre Bundesliga Gewichtheben/Studium
 - (Psychologie, Sport, Sport und Fitness)
RagingDemon 
Fragesteller
 04.11.2021, 14:08

Hey, erstmal Respekt für die Leistungen. In der Bundesliga mitzuspielen, egal in welchem Sport ist harte Arbeit.

Ja ich weiß was du meinst, aber es ist vielleicht schwer zu verstehen was ich meine wenn man aus einer anderen Sportart kommt. Das man begeistert von seiner Disziplin ist ist denke ich auch bei jedem Sportler so. Was ich meine, ist das Kampfsportler oftmals direkte Rückschlüsse auf das allgemeine Leben außerhalb des Sports ziehen und sich auf seltsamen Ebenen vergleichen. In etwa so als würde ein Gewichtheber sagen "Gewichtheben ist die einzige funktionierende Kraftsportart, ein Kugelstoßer könnte im realen Leben nichtmal den Müll rausbringen".

Ich hoffe es ist einigermaßen verständllich geworden was ich meine.

Schöne Grüße

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andere Meinung

Ich bin kein Kampfsportler, kenne aber jemanden der es seit zig Jahren betreibt. Ich weiß nicht ob er sich dadurch für was besseres hält. Ist mir jedenfalls nie aufgefallen. Was mir auffällt ist, dass er sehr selbstbewusst ist. Mit Sicherheit auch durch den Kampfsport.

Ich finde aber dass man sich durch andere Sportarten oder körperlichen Betätigungen im Ernstfall auch schützen kann. Vielleicht nicht so gut wie ein Kampfsportler, aber wenn ich als Tennisspieler richtig aushole tut das bestimmt weh. Erschwerend kommt hinzu, dass in der heutigen Zeit kaum noch Schlägereien stattfinden. Wenn dann mit Messereinsatz oder sonst was. Da kann man mit Kampfsport auch wenig anrichten (bitte korrigieren wenn das nicht stimmt).

Also es wirkt sich positiv aufs Selbstbewusstsein aus. Das mag erklären, warum viele Kampfsportler auf eben diesen Sport schwören und als Lifestyle leben. Aber wie gesagt, das tun andere Sportarten oder mentale Einstellungen auch. Und wie du schreibst, ist es denke ich wahrscheinlicher im Autounfall zu sterben als erwürgt zu werden...

PS: Lange nicht einen so guten Text/Frage gelesen!

RagingDemon 
Fragesteller
 05.11.2021, 17:25

Hi und Danke ersteinmal.

Ich weiß was du meinst, glaube aber das man als Fachfremder Schwierigkeiten hat zu verstehen was ich meine😅

Ich meine keine generelle Überheblichkeit von Kampfsportlern ansich, sondern die Tendenz dazu das eigene Hobby als überaus Gesellschaftsrelevant anzusehen.

Du hast mit dem Messer ein gutes Beispiel genannt.

Vorab: Ich bin selber Überlebender einer Messerattacke und konnte den Angreifer Kampfunfähig machen ohne geschnitten zu werden. Ich hatte aber den Vorteil das besagter Angreifer vorher jemanden mit seinem Messer bedroht hat und ich somit gesehen habe wie er es in der rechten Hand hält. Die Gefahr bei einem Messer ist eher, dass man oft schon gefährliche Verletzungen hat wenn man erstmal realisiert hat das der andere bewaffnet ist. So erging es als jungem Mann auch meinem Lehrmeister in Usbekistan. Die Idee, das der Angreifer nur ein Messer ziehen muss und dann Problemlos jeden Nahkampfexperten trenchiert, ist aber ein reiner Mythos von Menschen die in Kulturen leben in denen sowas kaum vorkommt. Ein fähiger Kämpfer kann ein sichtbares Messer relativ gut abwehren. Sorry, abgedriftet😅

Das Messer ist aber insofern ein gutes Beispiel weil ich vor einiger Zeit hier eine Frage gestellt habe, die sehr eindrucksvoll gezeigt hat wie gut 10 Kampfsportler es auch nach deutlicher Aufforderung nicht lassen konnten ihre persönliche Empfindung reinzudrücken anstatt eine Frage sachlich zu beantworten.

https://www.gutefrage.net/frage/messerabwehr-2

Das ist das was ich meine. Und was mir auffällt. Viele Kampfsportler scheinen mental in einer Welt zu leben in der ein ständiger Überlebenskampf herrscht und ihr Hobby ein essenzieller Skill zum Überleben ist. Es wird ,oftmals höchst respektlos, energisch darüber diskutiert was in einem echten Kampf auf Leben und Tod angeblich wie effektiv ist, obwohl die Wahrscheinlichkeit jemals in einen echten Kampf auf Leben und Tod zu geraten verschwindend gering ist und niemand der Beteiligten an dieser Diskussion relevante Erfahrungswerte hat auf die er seine Thesen stützen könnte.

Hoffe ich hab es irgendwie verständlich ausgedrückt.😅

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Nein, wir nehmen uns selbst nicht zu wichtig

Ich betreibe keinen kampfsport mehr, aber war auch mal besessen davon.

Einerseits sieht es so aus, dass kampfsportler leben retten können und das ist extrem wertvoll, würden wir in sehr gefâhrlichen Zeiten leben, würde ich zweifelsohne jeden Tag trainieren.

Sagen wir es mal so, In anderen Zeiten wären kampfkünstler villeicht helden

Nur in solchen Zeiten fehlt mir ehrlich gesagt die Motivation, man kommt kaputt von der Arbeit und muss dann auch noch extrem hart trainieren und das war mir einfach zu viel.

Auf jeden Fall, Respekt dass du dass immernoch durchzieht, das verdient Anerkennung

RagingDemon 
Fragesteller
 04.11.2021, 14:16

Danke aber dazu muss ich vielleicht erwähnen das ich auch erst 27 bin 😅

Ja das stimmt, die weitaus meisten Kämpfe spielen sich natürlich im Ring ab und das ist auch gut so. Das scheint aber bei vielen nicht angekommen zu sein.

Schade dass es dir irgendwann zu viel wurde. Ich finde es gerade wenn man kaputt ist sehr befreiend zu trainieren.

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