Nagelstudio Zuhause selbständig werden?

2 Antworten

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Achtung viel Input folgt...

  • Als erstes musst Du mal die Zustimmung des Vermieters haben, denn man darf nicht ohne weiteres einfach ein Gewerbe in einer Privatwohnung anmelden. Wenn der Vermieter Nein sagt, kannst das also schonmal vergessen.
  • Wenn Deine Wohnung in einem reinen Wohngebiet liegt muss theoretisch eine Nutzungsänderung beim Bauamt vom Vermieter/Wohnungseigentümer beantragt werden. Das dürfte einen Kostenfaktor darstellen und könnte für den Vermieter ein Kriterium sein deinen Gewerbewunsch abzulehen.
  • Auch bei einer Gewerbeanmeldung musst du aufpassen was du anmeldest. Begriffe wie "Nagelstudio" o "Homestudio" haben meist zur Folge das Extra- Auflagen wie Kundenparkplätze, sep. WC, Notausgänge oder auch strengere Hygieneanforderungen gefordert werden. Viele melden daher nur "Nageldesign" an denn dann sind die Ansprüche vielerorts nicht so hoch.
  • Falls Du vorhast auch spezifische Produkte wie Nagelfeilen, Nagelöl oder was auch immer sonst an Deine Kunden verkaufen möchtest muss auch der Verkauf im Gewerbeschein drinstehen!
  • In einigen Bundesländern muss mindestens ein separater Raum existieren. Also bisschen nageln am Küchentisch oder einem anderen Wohnraum, wo andere Familienmitglieder gleichermaßen leben ist da nicht nicht mehr erlaubt. Auch in einem separaten Raum darf aus hygienischen Gründen kein Teppich liegen.
  • Dinge wie Deine Krankenversicherung musst du ebenfalls individuell klären, denn die dulden auch nur bis zu einer gewissen Summe einen Hinzuverdienst. Sprich wenn Du mehr als Summe XY an Einkommen erzielst musst Du Deine Beiträge ggf. auch selbst zahlen.
  • Dann solltest Du auch eine Berufs- Haftpflichtversicherung abschließen, denn sonst haftest Du ggf mit Deinem Privatvermögen wenn Du Kunden verletzt o.ä.
  • Der separate Raum muss auch hinsichtlich der DSGVO abschließbar und für Dritte unzugänglich sein. Die DSGVO ist auch ein riesiges Thema für sich und gefühlt ein Fass ohne Boden wo es zu Hauf datenschutzrechtliches in Bezug auf die Erhebung von Kundendaten, deren Aufbewahrung und der Verarbeitung zu wissen und beachten gilt.
  • Selbstverständlich müssen auch die steuerlichen Aspekte abgeklärt werden und Du musst natürlich auch eine Buchführung erledigen. Viele arbeiten da mit einer Einahmen-Überschuss Rechnung. Wichtig dabei sind auch Abschreibungen aufzuführen, denn Dinge wie UV-Lampen, Fräser, Staubabsaugung, Stühle etc gehen ggf. auch mal kaputt.
  • Bedenke außerdem das Du nur KVO konforme Produkte verwenden darfst und Gele nach einem gewissen Zeitraum entsorgt werden müssen. Du musst also auch darüber Buch führen wann Du ein Gel gekauft/geöffnet hast. Bedeutet Du musst ggf. alle 6-12 Monate Gele entsorgen und neu nachkaufen!
  • Darüber hinaus wäre eine Hygieneschulung beim Gesundheitssamt sinnvoll, denn Du musst auch einen Hygieneplan erstellen und aushängen.
  • Dann musst Du natürlich auch AGB´s, ne Datenschutzerklärung haben, ggf. Merkblätter für Kunden haben z.B. für die richtige Pflege ihrer Kunstnägel und natürlich auch eine Preisliste anfertigen
  • Damit sind wir dann beim nächsten Punkt...der Preiskalkulation. Viele gucken ja nur was Studios in der Umgebung so nehmen und orientieren sich daran. Du musst aber Deine Preise anhand Deiner Kosten kalkulieren. Auch das will gelernt sein. Da solltest Du Dich also auch mal nach einer enstprechenden Schulung oder Buchwerk umsehen.

Fakt ist...dies ist nur eine grobe Richtlinie.

Du musst Dich unbedingt bei all deinen Behörden (Steuerberater, Finanzamt, Gewerbeamt, Gesundheitsamt, Kranken/Haftpflicht- Versicherungen) in Deiner Stadt/Gemeinde für Deine individuellen Gegebenheiten die Du hast erkundigen. Denn nur dann wirst Du passend zu deiner Fallkonstellation beraten. Manche, haben nen Teilzeit/Vollzeit Job, manche sind eigentlich Hausfrau andere sind AlgII Empfänger etc etc. all das macht ggf. Unterschiede aus.

Das Finanzamt aufzusuchen könnte ebenfalls sinvoll sein. Wenn Du z.B. seitens Deiner Krankenkasse 375.- mit Deinem Gewerbe hinzuverdienen dürftest sollte man gegenchecken ob dieser Einnahmen aus Sicht des Finanzamtes ggf. als geringfügig angesehen werden.

Ich habe mehrfach schon von einigen Mädels gelesen das einige Finanzämter das dann als "Liebhaberei" behandeln und nicht als richtiges Gewerbe ansehen. Darauf verlassen sollte man sich lieber nicht. Ich würde da wohl zuerst bei der KK nach fragen wieviel Hinzuverdient erlaubt ist und dann den Steuerberater fragen, der das ggf auch aus seiner Erfahrung weis, wie das örtliche Finanzamt da tatsächlich tickt.

Ein weiterer Punkt, der gerne unterschätz wird...das Fachwissen. Ein Gewerbschein ist mit 13-30.-€ finanziell gesehen ein Klacks und theoretisch kann man leider ein Gewerbe ohne jeglichen Nachweis einer Qualifizierung anmelden. Würde ich allerdings niemandem empfehlen.
Generell mach Dir bitte klar das Du die Verantwortung für deine Handlungen trägst. Ohne fundiertes Fachwissen an anderen rumzuexperimentieren mit scharfen Geräten, Chemikalien womöglich auch ohne professionelle Staubabsaugung ist verantwortungslos und gefährlich!

Es gibt leider viele Trainer, Schulungs Institute etc, die in ihren Schulungen dazu ermutigen nach einer z.B. einer 1 tägigen Basis Schulung direkt gewerblich loszulegen. Wenn man aber mal genauer recherchiert wird man feststellen das es auch Basis Schulungen gibt die 4-5 Tage dauern und dann sollte spätesten klar sein das man an einem einzigen Tag (ca 6-8 Std.) praktisch nix lernt was einen zu einer gewerblichen Tätigkeit qualifiziert.

Nagelmodellagen fertigen zu können ist weit mehr als nur irgendein Material aufzutragen. Es gibt vieles zu beachten wenn es darum geht das passende Material/System für die Kundin zu wählen. Nicht jedes Material hält bei jeder Kundin u auch nicht jede Kundin sollte jede Länge/Form tragen.

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Ich denke Du merkst nun, dass der Weg in die Selbständigkeit kein Spaziergang ist. Davon ausgehend das Du aktuell auch vieleicht noch kein wirklich Studiotaugliches Equipment hast bedenke auch den Kostenfaktor, der diesbezüglich auf Dich zukommt. Es kann also schwer werden diese Anschaffungskosten erstmal reinzuarbeiten und es ein anstrengender Weg werden das im Rahmen eines Nebengewerbes zu tun. Du solltest also zusätzlich zu deiner Preiskalkulation auch mal einen Businessplan erstellen anhand dem Du errechnen kannst wie lange Du bei XY Kunden pro Tag bei XY Tagen pro Woche Du wann überhaupt einen Gewinn erzielst.

Viele gehen das leider zu undurchdacht/unkalkuliert ran.

Fakt ist auch wenn man selbständig ist bildet man sich fortwährend weiter. Das heißt auch weiterhin Kosten für Fortbildungen oder Messen einzukalkulieren ist sinnvoll.

Ich weis natürlich nicht, wie Dein Ausbildungsstand ist und will Dir da auch gar nix böses aber ich sehe leider tagtäglich Modellagen die einfach statisch ne Katastrophe sind und wo man sieht das es da an Fachwissen u Können mangelt weil die Leute sich viel zu früh ins Gewerbe stürzen und danach häufig sich auch nicht mehr weiterbilden und so ihre Fehler ggf. bei den Kundinnen mit Nagelbruch/abriss enden.

Da hier ggf. auch andere mitlesen halte ich es daher für meine Pflicht darauf hinzuweisen wie wichtig Schulungen sind. Das es eine Vielzahl an Schulungen (möglichst einer Kombination aus Vor Ort Schulungen und Online Kursen) sowie eine hinreichend lange möglichst mehrjährige Übungszeit an Modellen braucht bis man dann tatsächlich professionell genug ist um an zahlenden regulären Kunden Modellagen zu fertigen.

So, das war jetzt ne Menge Input glaub ich. Wünsche Dir ein schönes Wochenende.

LG Trinity

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Betreibe seit über 9 Jahren ND + bilde mich ständig weiter
 - (Kosmetik, Nägel, Gelnägel)
032nr 
Fragesteller
 29.07.2023, 07:29

Vielen Dank das hat mir enorm geholfen! Nur eine Frage und zwar wenn das alles nicht einfach ist, würdest du es mir trotzdem empfehlen? Wenn nicht was kann ich sonst Selbständig Zuhause tun mit Thema Beauty ohne das es so schwer ist?

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Wichtig ist, dass es wirklich dein zu Hause ist. Eine Mietwohnung darfst du nicht gewerblich nutzen.

Du brauchst einen Gewerbeschein und schlau wäre ein Steuerberater.

Dann kann es eigentlich auch schon losgehen.

Ich selbst habe eine kaufmännische Ausbildung und habe daher auf ein Existenzgründerseminar verzichtet, bin auch so seit 19 Jahren erfolgreich selbstständig. Wenn du eine solche Ausbildung nicht hast, dann empfehle ich dir auf jeden Fall ein solches Seminar.

Volkshochschulen bieten das an.