Morgen chemieklausur, redoxreaktion?

1 Antwort

Moin,

kann ich. Wir nehmen zunächst als (sehr einfaches) Beispiel die Reaktion zwischen Natrium und Sauerstoff.
Du schriebst, dass du die Vorgänge selbst verstehst, und nur Schwierigkeiten hast, ein Redoxsystem aufzustellen. Also erkläre ich dir jetzt nicht, was eine Oxidation, was eine Reduktion ist oder was ein Oxidationsmittel und was ein Reduktionsmittel ist...

Zuerst solltest du immer die Bruttogleichung der Reaktion aufstellen. Darunter versteht man die Reaktionsgleichung, in der alle Reaktionsteilnehmer (also alle Edukte und alle Produkte) aufgeführt werden.
Natrium und Sauerstoff reagieren zu Natriumoxid, so lautet die Wortgleichung. Daraus machst du nun die Formelgleichung:

Na + O2 ---> Na2O

Diese Reaktionsgleichung ist noch nicht ausgeglichen, weil noch nicht auf beiden Seiten die gleiche Anzahl von den jeweiligen Elementsymbolen steht. Beachte dabei, dass Sauerstoff nicht in einzelnen Atomen, sondern in zweiatomigen Minimolekülen auftritt ("O2"). Beachte ferner, dass Natrium einfach positiv geladene Kationen bildet. Na steht in der ersten Hauptgruppe (1. HG) im Periodensystem der Elemente (PSE). Darum geben seine Atome ein Elektron ab. Sauerstoff bildet dagegen zweifach negativ geladene Anionen (6. HG im PSE - jedes Sauerstoffatom nimmt bevorzugt zwei Elektronen auf).
Ausgeglichen sieht deine Reaktionsgleichung dann folgendermaßen aus:

4 Na + O2 ---> 2 Na2O

Nun zum Aufstellen des Redoxsystems. Dazu musst du bestimmen, wer oxidiert wird (also Elektronen abgibt) und wer reduziert wird (also Elektronen aufnimmt). Das habe ich oben bereits erwähnt, aber du kannst das auch an der Änderung von Oxidationszahlen (OZ) erkennen. Die Abgabe von Elektronen (negative Ladungsträger!) führt logischerweise zur Erhöhung der Oxidationszahl, während die Aufnahme von Elektronen genau so einsichtig zur Verringerung (Reduktion) der Oxidationszahl führt.
Natrium ändert in der Bruttogleichung seine Oxidationszahl von 0 (Null) im Element auf der linken Seite auf +I im Natriumoxid auf der rechten Seite. Erhöhung der OZ zeigt an, dass Natrium oxidiert wird.
Umgekehrt verringert sich die OZ von Sauerstoff auf der linken Seite von 0 im Element auf –II im Natriumoxid. Reduktion der OZ bedeutet, dass Sauerstoff reduziert wird.
Nun kannst du also die Teilgleichungen der Oxidation und der Reduktion aufstellen:

Oxidation: Na ---> Na^+ + e^–
Reduktion: O2 + 4 e^– ---> 2 O^2–

Dazu ist zu sagen, dass für die Teilgleichungen eines Redoxprozesses grundsätzlich die gleichen Regeln gelten, wie für jede andere Reaktionsgleichung auch. Das heißt, es müssen die Ladungen und die Anzahl der jeweiligen Elementsymbole auf beiden Seiten der Gleichung den gleich großen Wert haben.
In der Oxidationsteilgleichung wird aus einem ungeladenen Natriumatom ein einfach positiv geladenes Natriumkation: Na ---> Na^+. Damit hast du schon einmal links und rechts die gleiche Anzahl von Elementsymbolen, nämlich jeweils 1 Na-Teilchen. Aber die Ladungen stimmen auf beiden Seiten dann noch nicht überein. Links hast du keine Ladung, rechts hättest du eine einfache Plusladung. Darum musst du rechts noch das Elektron hinzufügen, denn dann heben sich die Wirkungen der beiden entgegengesetzten Ladungen zu 0 auf. Du kannst das auch anders interpretieren, nämlich so, dass aus dem Natriumatom (links) nur ein Natriumkation (rechts) werden kann, wenn das Atom ein Elektron abgibt: Atom wird zu Kation + Elektron.
Beim Sauerstoff in der Reduktionsteilgleichung ist das im Grunde dasselbe Prinzip, nur dass hier Elektronen von Atomen aufgenommen werden. Und hier musst du beachten, dass der Sauerstoff im Minimolekül O2 aus zwei miteinander verbundenen Sauerstoffatomen besteht. Damit aus diesen Atomen zweifach negativ geladene Anionen werden können, muss jedes Atom zwei Elektronen aufnehmen. Du hast zwei Sauerstoffatome, jedes braucht zwei Elektronen, also benötigst du insgesamt vier Elektronen. Einfach, oder? Du hast links zwei Sauerstoff-Teilchen (zwei Atome in einem O2-Molekül), und du hast rechts zwei Sauerstoff-Teilchen (diesmal zwei unabhängige Anionen). Hier darfst du nicht "O2^4–" (oder ähnliches) schreiben, weil sich die beiden Atome im Sauerstoffminimolekül voneinander trennen, wenn sie durch die jeweilige Aufnahme von zwei Elektronen zu Anionen werden.
Übrigens stimmt nicht nur die Anzahl der Elemensymbole auf beiden Seiten, sondern auch wieder die Ladungsbilanz: links sind insgesamt vier negative Ladungen (durch die vier Elektronen), rechts auch (durch die beiden Sauerstoffanionen, die beide zweifach negativ geladen sind). Alles ist gut... Alles? - Leider nein, denn nun musst du noch darauf achten, dass die sogenannte Elektronenneutralität im Redoxsystem gewahrt ist. Darunter versteht man den einleuchtenden Gedanken, dass ein Teilchen Elektronen nur dann abgeben kann, wenn ein anderes Teilchen da ist, das diese Elektronen aufnimmt. Oder umgekehrt argumentiert: Ein Teilchen kann nur dann Elektronen aufnehmen, wenn ein anderes Teilchen Elektronen abgibt. Darum muss die Anzahl abgegebener Elektronen mit der Anzahl aufgenommener Elektronen übereinstimmen. Und genau das bezeichnet man als Elektronenneutralität.
In unserem Beispiel gibt ein Natriumatom ein Elektron ab. Aber du brauchst vier Elektronen, um die beiden Sauerstoffatome im O2-Molekül zu zwei Sauerstoffanionen zu machen. Um die Elektronenneutralität zu wahren, musst du deshalb das kleinste gemeinsame Vielfache (kgV) von 1 und 4 suchen. Das kgV von 1 und 4 ist 4. Nun musst du die Teilgleichungen mit dem Faktor multiplizieren, der die Anzahl der Elektronen jeweils auf das kgV bringt. Daher musst du die Oxidationsteilgleichung in diesem Fall mit "4" multiplizieren, während die Reduktionsteilgleichung den Faktor "1" erhalten müsste, was du aber weglassen kannst. Dann wird also aus

Oxidation: Na ---> Na^+ + e^–                I • 4

die elektronenneutrale Gleichung

Oxidation: 4 Na ---> 4 Na^+ + 4 e^–

Und nun musst du die Teilgleichungen nur noch in einem Gleichungssystem zusammenfassen:

Oxidation: 4 Na ---> 4 Na^+ + 4 e^–
Reduktion: O2 + 4 e^– ---> 2 O^2–
---------------------------------------------------------------
Redoxreaktion: 4 Na + O2 ---> 4 Na^+ + 2 O^2–

Die Redoxreaktion ergibt sich, wenn du die linken Seiten und die rechten Seiten der beiden Teilprozesse addierst. Dabei fallen die Elektronen weg, weil sie mal auf der rechten Seite (Oxidation), mal auf der linken Seite (Reduktion) auftauchen. Zum Schluss kannst du die entstehenden Ionen der Redoxreaktionsgleichung noch zu einer Verhältnisformel zusammenfassen, so dass du in diesem Fall auf die gleiche Gleichung kommst, wie sie schon in der Bruttogleichung zu sehen war:

Redoxreaktion: 4 Na + O2 ---> 2 Na2O

Alles klar? Noch einmal das Wichtigste in der Kurzanleitung:

1. Bruttogleichung aufstellen.
2. Ermitteln, welches Teilchen oxidiert wird (bei wem steigt die OZ?).
3. Ermitteln, welches Teilchen reduziert wird (bei wem verringert sich die OZ?).
4. Oxidationsteilgleichung aufstellen.
5. Reduktionsteilgleichung aufstellen.
6. Auf Elektronenneutralität achten (kgV suchen und Teilgleichungen gegebenenfalls faktorisieren).
7. Alles zu einem Redoxsystem zusammenfassen.
8. Gegebenenfalls die Ionen in der Redoxreaktion zu einer Verhältnisformel zusammenfassen.

Noch ein Beispiel im Schnelldurchlauf (ohne Erklärungen):

Aluminium und Sauerstoff reagieren zu Aluminiumoxid...

Bruttogleichung:
4 Al + 3 O2 ---> 2 Al2O3

Oxidation: Al ---> Al^3+ + 3 e^–
Reduktion: O2 + 4 e^– ---> 2 O^2–

Elektronenneutralität beachten:

Oxidation: Al ---> Al^3+ + 3 e^–                    I • 4
Reduktion: O2 + 4 e^– ---> 2 O^2–               I • 3

Redoxsystem:

Oxidation: 4 Al ---> 4 Al^3+ + 12 e^–
Reduktion: 3 O2 + 12 e^– ---> 6 O^2–
-----------------------------------------------------------------
Redoxreaktion: 4 Al + 3 O2 ---> 4 Al^3+ + 6 O^2–

Zusammengefassung der Redoxreaktion:

Redoxreaktion: 4 Al + 3 O2 ---> 2 Al2O3

Zum Schluss noch zwei etwas kompliziertere Beispiele zum Üben:

Zinn-II-chlorid und Quecksilber-II-chlorid reagieren zu Zinn-IV-chlorid und elementarem Quecksilber.

Bruttogleichung:
SnCl2 + HgCl2 ---> SnCl4 + Hg

Die Ermittlung der Oxidationszahlen zeigt, dass sich einerseits die OZ von Sn im SnCl2 von +II auf +IV im SnCl4 erhöht, während sich die OZ von Quecksilber von +II im HgCl2 auf 0 im Hg reduziert.

Oxidation: Sn^2+ ---> Sn^4+ + 2 e^–
Reduktion: Hg^2+ + 2 e^– ---> Hg

Elektronenneutralität ist bereits gegeben. Keine Faktorisierung nötig.
Redoxsystem:

Oxidation: Sn^2+ ---> Sn^4+ + 2 e^–
Reduktion: Hg^2+ + 2 e^– ---> Hg
---------------------------------------------------------------
Redoxreaktion: Sn^2+ + Hg^2+ ---> Sn^4+ + Hg

Die "Tücke" bei diesem Beispiel besteht darin, dass man einerseits erkennen muss, dass ein bereits positiv geladenes Kation oxidiert werden kann, während ein anderes positiv geladenes Kation reduziert wird. Das verwirrt manche Anfänger, so dass sie auf die an sich einfache Lösung nicht kommen. Die andere Hürde ist, dass in diesem Fall die Bruttogleichung nicht mit der Redoxreaktionsgleichung übereinstimmt. Das liegt daran, dass in einer Bruttogleichung alle Reaktionsteilnehmer aufgeführt werden, während ein Redoxsystem nur die Teilchen berücksichtigt, die am Redoxprozess beteiligt sind (und das trifft nicht auf die Chloridionen zu).
Wenn du übrigens in einem solchen Fall genau bestimmen sollst, wer das Oxidationsmittel und wer das Reduktionsmittel ist, so musst du bei der Angabe präzise sein. Es sind die Quecksilber-KATIONEN (Hg^2+ und nicht "Quecksilber"), welche als Oxidationsmittel fungieren, weil es die Kationen sind, die den Sn^2+-Kationen die Oxidation zu den Sn^4+-Kationen ermöglichen (und dabei selbst reduziert werden). Und genau so sind es die Zinn-zwei-Plus-Kationen (Sn^2+ und nicht etwa "Zinn"), welche das Reduktionsmittel darstellen, weil sie die Reduktion der Hg^2+-Kationen ermöglichen (indem sie selbst oxidiert werden)...

Letztes (kompliziertes) Beispiel:

Leitet man Chlor in Natronlauge (Natriumhydroxid-Lösung) ein, so entstehen neben Wasser noch Natriumchlorid und Natriumhypochlorit.

Bruttogleichung:
Cl2 + 2 NaOH ---> NaCl + NaClO + H2O

Die Ermittlung der Oxidationszahlen ergibt, dass sich nur die Oxidationszahlen des Chlors ändern. Dabei wird die OZ einmal von 0 im Element auf +I im Hypochlorit-Anion (ClO^–) erhöht und einmal wird die OZ von eben dieser 0 im Element auf –I im Chlorid-Anion (Cl^–) verringert. Alle anderen Oxidationszahlen verändern sich nicht.

Oxidation: Cl2 ---> 2 Cl^+ + 2 e^–
Reduktion: Cl2 + 2 e^– ---> 2 Cl^–

Es herrscht bereits Elektronenneutralität, darum ist keine Faktorisierung der Teilprozesse nötig.

Aufstellen des Redoxsystems:

Oxidation: Cl2 ---> 2 Cl^+ + 2 e^–
Reduktion: Cl2 + 2 e^–  ---> 2 Cl^–
-------------------------------------------------------
Redoxreaktion: 2 Cl2 ---> 2 Cl^+ + 2 Cl^–

Weil vor jedem Teilnehmer in der Redoxreaktionsgleichung der Faktor "2" steht, kannst du die Gleichung kürzen:

Redoxreaktion: Cl2 ---> Cl^+ + Cl^–

Die Schwierigkeiten bei diesem Beispiel bestehen darin, dass einerseits die Bruttogleichung wieder nicht mit der Redoxreaktionsgleichung übereinstimmt (gleicher Grund wie zuvor), aber vor allem darin, dass man erkennen muss, dass hier ein und derselbe Stoff (nämlich Chlor) einmal oxidiert und einmal reduziert wird. Das verwirrt Anfänger eigentlich immer. Aber wenn du ruhig bleibst, die Oxidationszahlen aller Teilnehmer in der Bruttogleichung ermittelst und schaust, wessen OZ höher wird und wessen sich verringert, dann kommst du sicher zu der Erkenntnis, wer oxidiert und wer reduziert wird, so komisch dir das auch vorkommen mag.
In diesem Fall spricht man übrigens von einer Disproportionierung, gerade weil ein und derselbe Stoff teilweise oxidiert und teilweise reduziert wird. Es gibt auch den umgekehrten Fall, nämlich dass ein oxidiertes und ein reduziertes Teilchen auf eine Oxidationsstufe zwischen den Ausgangssituationen gebracht wird. Dann nennt man das eine "Komproportionierung" oder auch "Synproportionierung". Aber das kannst du selber mal googeln, weil es keine neue Erkenntnis mit sich bringt.

Eigentlich solltest du nun alles beisammen haben, um morgen sicher durch dieses Thema zu kommen... Wenn du noch Fragen hast, stelle sie.

LG von der Waterkant.


AllyBrun 
Fragesteller
 28.11.2016, 21:44

Vielen Dank für die ausführliche Erklärung. In der Klausur wird höchstwahrscheinlich eine Redoxreaktion in wässriger Lösung drankommen. Ich komm bei dem Laddungsausgleich und Atomanzahlausgleich immer durcheinander. Außerdem weiß ich nicht was bei der gesamten Reaktionsgleichung zuerst aufgeschrieben wird, z.b.welcher Stoff auf welche Seite muss.

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DedeM  28.11.2016, 22:28
@AllyBrun

Wenn du mit "Redoxreaktion in wässriger Lösung" meintest, dass hier Redoxreaktionen in saurem oder alkalischem Milieu stattfinden, bei denen zum Ausgleichen von Teilprozessen stets mit Wasser gearbeitet wird, dann sind solche Redoxsysteme für Anfänger oft am schwierigsten...

Benutze mal die Suchfunktion hier. Am 19.11. wurde eine diesbezügliche Frage von mir genau so ausführlich beantwortet, wie ich deine Frage beantwortet habe. Vielleicht hilft dir das weiter. Die Frage fing irgendwie so an an: "Redoxreaktion 3 Cu + 8 HNO3..."

Ansonsten kann ich mir nicht vorstellen, was du meinst, weil es bei Reaktionen im wässrigen Milieu oft um Salzfällungsreaktionen oder um Säure-Base-Reaktionen geht, die beide nicht zu den Redoxprozessen zählen, weil bei diesen Reaktionsformen kein Teilnehmer seine Oxidationszahl ändert.

Hast du mal ein Beispiel?

Was dein Problem mit dem Ausgleichen von Reaktionsgleichungen angeht, so ist das doch eigentlich nicht so kompliziert. Du musst doch eigentlich nur darauf achten, dass auf beiden Seiten des Reaktionspfeils von jedem Elementsymbol jeweils die gleiche Anzahl am Ende dasteht. Dasselbe gilt für die Ladungen. Addieren sich die Ladungen auf der linken Seite zu 0 (Null), dann muss die Summe auf der rechten Seite auch 0 ergeben (auch wenn die Ladung einzelner Teilnehmer verschieden sein kann). Beides erreichst du normalerweise mit der Kenntnis des kleinen Einmaleins', und das beherrschst du doch, oder?

Und was schließlich dein Problem mit dem Beginn einer Reaktionsgleichung angeht (wer steht wo?), so steht so etwas in der Regel im Aufgabentext (vielleicht manchmal verschleiert). Hier musst du natürlich genau lesen. X und Y reagieren zu Z bedeutet, dass X und Y auf die linke Seite eines Reaktionspfeils gehören, während Z rechts landen muss. Daran ändert sich auch nichts, wenn das so formuliert ist: Z ergibt sich aus der Reaktion von X mit Y.

Hast du vielleicht auch hier mal ein Beispiel, womit du konkret Schwierigkeiten hast? Sonst schreibe ich mir einen Wolf und du kannst am Ende gar nichts damit anfangen...

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