Mercedes w123 oder w124 Qualität?

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Hallo!

In unserer Familie gab es beide, jeweils als 230E Automatik mit dem M102 Motor - der W123 war von 1984, der W124 von 1989. Der 123er, gebraucht aus erster Hand für 10.000 D-Mark im Sommer 1993 gekauft, Farbe Liasgrau (das ist eher Grundierung als Farbe, wurde aber so verkauft^^), flog im Herbst '99 raus, weil er keinen Katalysator hatte und es Rostprobleme gab. Der Wagen war die billige "Familienrutsche", mit der jeder mal fuhr und die außer einmal pro Jahr Ölwechsel keinerlei Service bekam. Der hatte zum Schluss 240.000 Kilometer auf der Uhr. Technisch ein tolles Auto, alle mochten ihn, aber er rostete.

Der 124er, Farbe Rauchsilber Metallic, war vom ersten Kilometer an bis zuletzt bei uns und hat bis Ende 2012 über 270.000 Kilometer abgespult. Hier das gleiche Spiel: Technisch tadellos, sehr zuverlässig, aber trotz guter Pflege ein Roster, der bereits 2004 zum TÜV-Termin punktuell geschweißt werden musste. Er flog am Ende raus, weil mein Opa mit fast 90 Jahren kein Interesse mehr am Fahren hatte und es gar nicht mehr mit dem TÜV versucht hatte.

Ich kannte beide und muss sagen: Die waren ähnlich solide, aber an meinen damaligen 1989er Audi 100 kamen sie nicht ran. Die Verarbeitung war im W123 etwas hochwertiger und der 124er überzeugte speziell im Vergleich mit meinem Audi 100, der nur wenige Wochen jünger war, nur teilweise. Die Sitze waren weniger gut konturiert, die Detailverarbeitung zwar zufriedenstellend, aber nicht ganz auf Audi-100-Niveau. Der 100 war das im direkten Vergleich und wenn man beide regelmäßig fuhr besser gemachte und hochwertigere Fahrzeug, was vor allem bei Kleinigkeiten (Handschuhfachkasten mit Griff und Schloss, sehr satt einrastende Schalter, Material von Lenkrad und Schaltknüppel, Lenkstockhebel, Interieurleisten, Türgriffen und Aschenbecher) sowie die insgesamt durchdachter wirkende Möblierung mit zahllosen Ablagefächern u.a. unter der Lenksäule und in den hinteren Türverkleidungen (hatte der Benz alles nicht) zu spüren war. Selbst mein Opa, der seinen 124er sehr schätzte, war von der Qualität meines Audi 100 sehr angetan.

Bei Mercedes heißt es halt oft, der VOrgänger sei besser gewesen, der Nachfolger Mist und bei den ersten 124ern ca. 1984/85 gab es Proteste von Taxifahrern und tatsächlich bis etwa Mitte 1987 jede Menge Anlaufschwierigkeiten. Im direkten Vergleich und wenn man beide kennt/über einen längeren Zeitraum damit zu tun hatte, schenken sich W123 und W124 aber trotzdem überraschend wenig. Das Fahrgefühl ist sehr ähnlich, die Geräuschdämmung war beim W123 230E Automatik bei identischer Motor-Getriebe-Kombination fast ein wenig besser und die allgemeine Verarbeitung trotz einfacherer Materialien und Stoffe (unser 230E W124 hatte die aufpreispflichtige Veloursausstattung und das große Holzpaket aus dem Originalzubehör von Mercedes, der 123er hatte schwarzen Basis-Streifenlook-Stoff und m.E. keine Hölzer/Zierleisten) irgendwie solider. Der Rostschutz war bei beiden Autos mittelmäßig, der Audi 100 durch seine Vollverzinkung eine andere Liga, die eigentlich nicht als Vergleich dienen kann. Im Vergleich mit unseren Opels (Rekord E/E2, Senator A/A2) waren die Benzer beide etwas besser konserviert, der 124er leicht besser als der 123er.

Die Unterschiede betreffen eigentlich nur Feinheiten. Der 124er war etwas sparsamer, hatte schon einen Katalysator und besaß ABS (das es für den 123er gegen Aufpreis gegeben hätte), und etwas aerodynamischer, sah moderner aus ohne Chrom und mit viel Plastik. Das Schiebedach in unseren 123er war mechanisch, das im 124er elektrisch mit Hubfunktion.

Ich habe mich in beiden Fahrzeugen wohl gefühlt. Selbst fahre ich seit Jahren einen W202 C180 Classic Automatik mit ein paar schönen Extras, da steckt qualitativ und vom Fahrgefühl mehr W140 als W124 drin.

Heute kommt es auf die Pflege an, wie gut so ein altes Auto ist und auf die Vorbesitzer.. aber der 123er ist trotzdem rein von Preis/Leistung her betrachtet oftmals das bessere und günstigere Geschäft mit mehr gutem Auto für gutes Geld ----> einfach, weil der Hype hier längst vorbei ist, selbst guterhaltene 123er mit originalem Scheckheft usw. nicht so teuer sind und den 124er aktuell jeder selbsternannte "Kenner" als "letzten echten Benz" feiert. Aber andererseits habe ich seit ca. einem Jahr gemerkt, dass auch der 124er inzwischen wieder sinkt, weil die Fans versorgt sind und die Nachfrage geringer wird.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Simonweiss1 
Fragesteller
 25.04.2020, 15:49

Danke sehr, wirklich sehr interessant was du schreibst :)

hilft mir auch bei meiner Entscheidung weiter...

tatsächlich habe ich auch an den Audi 100 c4 gedacht, ebenfalls ein schickes Auto aber hätte nicht gedacht dass diese auch so robust von der Technik wie Mercedes sind...wie du es beschreibst, scheinen die ja sogar noch besser zu sein und preislich kosten die ja auch deutlich weniger

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rotesand  25.04.2020, 18:06
@Simonweiss1

Gerne doch! Man tut, was man kann :)

Ich hatte einen der letzten Audi 100 C3, aber der C4 ist noch besser als der C3. Halt ein Fronttriebler, aber allgemein ein sehr gutes Fahrzeug. Mit einem Zweiliter und 115 PS wirst du noch viel Freude haben.

Was bei Audi damals klasse war: Die Gediegenheit im Innenraum! Mein Bruder hatte einen Audi 80, einfachstes Modell, ohne große Extras außer Radio/Cassette und Schiebedach. Der hatte aber so gediegene und hochwertige Stoffe, Teppiche, Plastikmaterialien und sogar einen Hauch Chrom, da kam Mercedes im 190er und im W124 selbst in unserem 230E mit Velours und dem großen Edelholzpaket nicht mit. Erst der W202 konnte da dann gleichziehen, dem 190er half auch die Überarbeitung des Innenraums 1991 nicht mehr. Der Audi 80 war einfach besser und der 100 noch eine Ecke edler.

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Bei diesem Fahrzeugalter ist jedes Auto anders, das kann man nicht mehr pauschal sagen.

Ich fahre einen 124er 220CE, Baujahr 1995, Turmalingrün. Die Kiste hat inzwischen 425tkm auf der Uhr. Und nein, ich habe mich nicht vertippt. Leider hat einer der Vorbesitzer das Auto gnadenlos runter geritten, auf der Autobahn ist mir dan ein Kolben gebrochen und das Auslassventil hstte ein Loch... Finanzieller Totalschaden vom Motor. Also gebrauchten Motor mit jungfreulichen 235tkm drauf besorgt, den erstmal gründlich aufgearbeitet und eingesetzt. Danach dann die weggegammelten Karrosserieaufahmen der Hinterachse samt Hinterachsträger ausgetauscht und diverse Verschleißteile gewechselt.

Bis auf ein einziges mal mit leerem Tank bin ich mit diesem Auto noch nie liegen geblieben, selbst mit dem Motorschaden konnte ich noch bis nachhause fahren.

Ich liebe dieses Auto von der Form, der Innenausstattung, die Qualität, in der damals noch gearbeitet wurde. Nicht solche Plastikschüsseln wie sie heute im Schaukasten stehen.

Ob ein 123er oder 124er nun "besser" ist? Rein objektiv ist der 124er um 1990 rum am besten. Das dürfte der beste Kompromiss aus Fortschritt und Werksqualität sein. Ab Anfang der 90er (glaub 94) gab es aufgrund der Umstellung zu Wasserlacken erhebliche Rostprobleme, meiner ist davon leider betroffen. Aber solange es nicht irgendwo durchzieht und ich keine Teile verliere ist ja alles in Ordnung.

Zum Thema Rost: Wenn man sein Auto nur einmal im Monat wäscht oder nass in die schlecht belüftete Garage stellt, braucht sich nicht wundern, wenn einem das Auto wegggammelt. Zum größten Teil liegt es in der Hand des Halters, ob das Auto rostet oder nicht. Ich will gar nicht wissen, wie ein modernes Auto nach 30 Jahren aussieht. Ach warte, da kann ja kaum mehr was rosten, ist ja alles Plastik...

Auch die Technik ist nach den vielen Jahren fritte. Ist alles langlebig und toll usw aber ersetzt werden muss es mit der Zeit dann doch. Immerhin gibt es noch sehr viele Teile, sogar direkt von Mercedes. Wenn auch teils zu saftigen Preisen. Dazu kommen dann natürlich noch Zeit und Arbeit.

Das Modell im besseren Zustand ist der bessere Kauf.