Könnte Faust heute noch eine Identifikationsfigur/Vorbildsfigur sein?
Huhu,
lesen gerade in Deutsch das Buch Faust I. Faust ist ja eigentlich schuld daran, dass Gretchen ihre Mutter umbringt da er sie eben verführt und ihr Geschenke macht, sie wegen ihm Sünden begeht und am Ende der Tragödie durch ihr schlechtes Gewissen stirbt. Deswegen sehe ich jetzt nichts gutes an Faust (auch wenn Gretchen darauf eingegangen ist und Faust von Mephisto gesteuert wird) und verstehe auch nicht wieso er ein Vorbild sein sollte.
könnt ihr mir vielleicht diesbezüglich weiterhelfen?
Danke im voraus an alle Ernst gemeinten Antworten :)
Versteht man meine Frage oder ist sie zu anspruchsvoll haha
Ich bitte um antworten
3 Antworten
Ich glaube auch nicht, dass Faust als Vorbild gedacht war, vor allem wegen seiner Taten ist er das nicht, sobald er auf Gretchen trifft. (Man kann Faust I ja in die Gelehrtentragödie und die darauffolgende Gretchentragödie unterteilen. In letzterer verfolgt Faust ja vor allem seinen Lüsten.)
Ich denke jedoch, dass deine Aufgabenstellung nach dem Faust-Typus fragt, der ja schon seit dem Mittelalter existiert. Er meint generell jeden Wissenschaftler, der hinterfragt und eben wissen will, "was die Welt im Innersten zusammenhält", aus einem starken intrinsischen (inneren) Drang und überall nach Antworten auf seine Fragen sucht.
Somit ist er offen für Alles (alle Wissenschaften oder unkonventionellen Praktiken wie Geisterbeschwörung,...), und probiert sich darin aus, auch wenn es von der Kirche oder Gesellschaft als verpönt angesehen wird und vielleicht ist. Erstmal ist Fausts Streben nach Wissen und Weltverständnis doch als positiv zu werten.
Faust ist nicht als Vorbildfigur gedacht. Er ist der Typ des europäischen Forschers und Entdeckers, der die Welt bis ins letzte durchschauen und erleben will, der aber auch bereit ist, dafür seine Seele an den Teufel zu verkaufen.
Er hat Geist, Verstand, Wissen, Bildung, aber er hat auch seine Schattenseiten. Das faszinierte Goethe und das fasziniert bis heute.
Ich soll pro und kontra Argumente finden… Meine Lehrer machen es mir nicht gerade einfach
Ich denke nicht, dass Faust als Vorbild gedacht war. Er ist jemand, der ein Ideal erreicht, soweit er halt kann, aber als Mensch halt nie weit genug kommen wird. Und während er in diesem Punkt, in dem er allen anderen weit voraus ist, nie die wirkliche Spitze erreichen wird, kann er sich in anderen menschlichen Bereichen so gar nicht wiederfinden. Ich würde ihn nicht als Vorbild sehen, eher als eine Art Warnung, dass es doch nicht reicht, sich ganz der Wissenschaft zu verschreiben, und die Menschlichkeit völlig hinter sich zu lassen. Oder letzteres zu versuchen, denn im Endeffekt sucht er ja doch das Glück im Menschlichen, mit jemandem, für den er Gefühle empfinden kann.
Das kann jetzt eine rein moderne Interpretation sein, ich bin nicht so gut mit der Zeit und den angedachten Motiven des Buches vertraut. Und ist auch schon ein paar Jahre her, dass ich das Buch gelesen hab. Aber als Vorbild, dessen bin ich sicher, war Faust nicht gedacht.