Karrikatur Dolchstoßlegende?

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Die Karikatur ist eine geschichtsfälschende Darstellung.

Dargestellt wird ein angeblicher Dolchstoß gegen das deutsche Heer (Dolchstoßlegende), mit Philipp Scheidemann (SPD) als direktem Täter.

Mit den Menschen in der Ecke rechts oben, von denen einige Fahnen halten, sollen anscheinend Novemberrevolutionäre dargestellt werden.

Beschreibung

In einem in ganzer Länge durch die Landschaft reichenden Graben stehen Soldaten (Stahlhelme, Uniformen) mit Gewehren/Maschinengewehren. Sie blicken nach vorne (bzw. ausnahmsweise zum Nebenmann) und verteidigen ihre Stellung. Ein wenig vor dem Graben ist ein Verhau mit Pfählen und an einer Stelle scheint ein Panzer (aus dem Rauch aufsteigt) durch Beschießen gestoppt worden zu sein (nicht deutlich zu sehen).

Hinter den Soldaten sind, von ihnen unbemerkt, Zivilisten, wie an der Kleidung (Anzüge. Hemden, Krawatten, Schuhe) erkennbar ist.

In der Bildmitte steht ein großer, hagerer, älterer Mann, der mit energiegeladener Körperhaltung und entschlossenem Blick vorgebeugt ist und in der rechten Faust einen Dolch hoch erhoben hält. Offenbar ist er dabei, die Soldaten anzugreifen und niederzustechen.

Hinter ihm steht abwartend ein beleibter Mann mit Brille und hält eine Zigarre in der rechten Hand.

Dahinter sitzen zwei Männer auf Geldsäcken. Sie haben auffallend große krumme Nasen. Der eine blickt auf einen Geldschein, der andere zufrieden grinsend auf die Szene mit dem Dolchangriff.

Im Hintergrund läuft eine ziemlich ungeordnete Volksmenge, wobei viele Fahnen hochhalten.

Deutung/Erklärung

Die Darstellung bezieht sich auf das Ende des Ersten Weltkrieges und den Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik durch die Novemberrevolution 1918.

Die Oberste Heeresleitung (OHL), an der Spitze Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff, behauptete, das deutsche Heer an der Front sei im Felde unbesiegt geblieben und sei aus der Heimat von hinten erdolcht worden. Vaterlandslose Leute hätten heimlich und planmäßig Heer und Flotte zersetzt und seien den kämpfenden Frontsoldaten in den Rücken gefallen. Friedensinitiativen, Streiks (im Januar 1918 z. B. Streiks in der Munitionsindustrie) und Sabotage hätten die deutsche Armee und ihren Kampfgeist geschwächt und die Niederlage verursacht.

Die Behauptung ist eine lügenhafte Geschichtsfälschung, die an den wahren Tatsachen vorbeigeht. Ein Vorwurf, die Novemberrevolution 1918 habe die Niederlage verschuldet (die an der Novemberrevolution Beteiligten wurden von rechtsextremer Seite als „Novemberverbrecher“ angegriffen), ist eine Verkehrung von Ursache und Wirkung.

Die Dolchstoßlegende bot der militärischen Führung eine Entlastung, weil sie wahrheitswidrig zivilen Politikern die Verantwortung für die Niederlage zuschob.

Die OHL hat in Wirklichkeit am 29. September 1918 die Reichsregierung wegen der schlechten militärischen Lage (ein Halten der Front schien nicht mehr lange möglich) dringend zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand aufgefordert.

Für viele deutsche Soldaten kam die Niederlage überraschend, weil sie sich noch auf gegnerischem Gebiet befanden und die Generäle die tatsächliche Lage längere Zeit nicht öffentlich zugegeben, sondern beschönigt hatten.

Mit der Dolchstoßlegende wurden von politisch rechtsstehenden Kräften innenpolitische Gegner angegriffen. Insbesondere die Linke (Sozialdemokraten/Sozialisten) wurde beschuldigt, aber auch allgemein die demokratischen Parteien, die für den neuen Staat, die Weimarer Republik mit einer parlamentarische Demokratie eintraten.

Die Dolchstoßlegende hat der parlamentarischen Demokratie geschadet.

Die Karikatur ist eine rechtsextreme Propaganda-Postkarte, wohl aus dem Jahr 1923 oder 1924.

Das deutsche Heer wird in einem Abwehrkampf gezeigt (in einem Graben, ein Kennzeichen für den Stellungskrieg).

Der Mann in der Bildmitte, der dabei ist, die ahnungslosen Soldaten heimtückisch und hinterhältig zu erdolchen, ist eine Darstellung von Philipp Scheidemann (SPD), der am 9. November 1918 die Republik ausgerufen hatte, Mitglied im Rat der Volksbeauftragten (als vorläufige Regierung tätig) war und 1919 Ministerpräsident des Deutschen Reiches wurde.

Der Mann dahinter ist eine Darstellung von Matthias Erzberger (Deutsche Zentrumspartei; kurz: Zentrum), Urheber der Friedensresolution des Deutschen Reichstages vom 19. Juli 1917, Unterzeichner des Waffenstillstandes von Compiègne am 11. November 1918 und später Reichsfinanzminister. Das Zentrum war die Partei des politischen Katholizismus. Indem er auf der Karikatur nicht eingreift, sondern sich genussvoll eine Zigarre gönnt, zeigt er Zustimmung zum Erdolchen.

Die dahinter sitzenden Männer sollen eine Darstellung reicher Juden sein. Die Karikatur stellt jüdische Geschäftemacher/Kapitalisten, die finanziell von der Sache profitieren, als Anstifter und Nutznießer des Erdolchens dar. Die Karikatur ist also nicht nur gegen Linke/Demokraten, sondern auch judenfeindlich und rassistisch. Dies war für Völkische und Nationalsozialisten kennzeichnend.

Die demokratischen Politiker aus SPD und Zentrum werden verleumderisch als bereitwillige Handlanger „jüdischer Hochfinanz“ und Vaterlandsverräter dargestellt.

Die Volksmenge im Hintergrund ist wohl eine Darstellung von Novemberrevolutionären.

Die Karikatur verbreitet propagandistisch ein (falsches) Geschichtsbild. Der Text „Deutsche, denkt daran!“ ist ein Aufruf/eine Mahnung. Der angebliche Dolchstoß soll als Sichtweise eingeschärft werden. Dies zielt darauf, Unterstützung für rechtsextreme Parteien/Bewegungen/Organisationen zu gewinnen (besonders von Nationalisten/Menschen mit starkem Nationalgefühl) und Hass und Feindseligkeit gegen bestimmte Gruppen hervorzurufen und zu steigern.

Einordnung und eine Wertung/Bewertung/Beurteilung/Stellungnahme

Die Karikatur ist geeignet, die (bösartige) Aussageabsicht zu veranschaulichen und zu vermitteln. Sie kann an bestehende Vorurteile und Feindbilder anknüpfen.

Sie ist in einem Werturteil als schlecht zu beurteilen, ein übles Propagandamachwerk. Die Darstellung verstößt gegen die Wahrheit und ist eine niederträchtige Verleumdung. Die Absicht ist gegen die politische Ordnung der Weimarer Republik und ihre Vertreter gerichtet. Die dahinterstehende Einstellung ist antidemokratisch, judenfeindlich und rassistisch.

Dolchstosslegende.

Es weiss inzwischen jeder, dass schlicht die Armee den Krieg verloren hat und die Dolchstosslegende bloss ein Ablenkungsmanöver aus Regierungskreisen war um sich von ihrem Versagen reinzuwaschen.

Die zwei dicken Personen stehen auf Geldbündeln, schätze ich. Dann sind mit ihnen die Hochfinanz gemeint.

Die Menge ganz hinten im Hintergrund könnte vielleicht das auf Distanz gehaltene, deutsche Volk sein, das gar nicht nah genug daran war, um die Wahrheit zu sehen.