Kants vorausgesetztes Glückskonzept?

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Kants Glücksbegriff

Immanuel Kant versteht Glück(seligkeit) als:

  • ein Gut und damit ein Ziel, das erstrebt wird
  • subjektiv (besonders hohe subjektive Zufriedenheit), nicht objektiv
  • auf einen Augenblick bezogenes Empfindungsglück, nicht ein Zustand guten Lebens mit tatsächlichem Wohlergehen über eine längere Dauer
  • Befriedigung von Neigungen/Wünschen/Begierden/Bedürfnissen
  • notwendiges Verlangen jedes vernünftigen, aber endlichen Wesens
  • von empirischen Bedingungen abhängiges zufälliges praktisches Prinzip
  • fremdbestimmt («heteronom»), nicht selbstbestimmt («autonom»)

Immanuel Kant versteht Glück(seligkeit) als ein empfundenes Wohlbefinden, als besonders hohe subjektive Zufriedenheit (kein objektives Wohlergehen). Es ist von Empfindungen/Gefühlen gekennzeichnet.

Das Streben nach Glück bestimmt das Begehren durch Vorstellungen des Angenehmen/der Lust oder Unangenehmen/der Unlust.

Glückseligkeit ist nicht ein Ideal der Vernunft, sondern der Einbildungskraft, das bloß auf empirischen Gründen beruht, nämlich dem erwarteten Vergnügen bei Ausführung einer Handlung.

Seiner Auffassung nach ist Glückseligkeit und das Streben/Verlangen nach ihr als Grundlage der Ethik ungeeignet. Kant hält Glückseligkeit durchaus für ein Gut und ein Ziel. Er lehnt sie nicht ab. Das höchste Gut besteht nach Kant in der Übereinstimmung von Glückseligkeit und Glückswürdigkeit, bei der die Tugendhaften entsprechend ihrer Tugend belohnt werden. Jedoch hält Kant es für falsch und unmöglich, aus der Glückseligkeit als Bestimmungsgrund ein moralisches/sittliches Gesetz herzuleiten. Sein Glück zu fördern, geschehe schon ganz natürlich aus Selbstliebe. Beim Erreichen der Glückseligkeit gelten Gebote der Klugheit. Diese stellen nur hypothetische Imperative dar. Die Bestimmungsgründe beim Prinzip der Selbstliebe wären nur subjektiv gültig und empirisch (einer zufälligen Erfahrung zu entnehmen), nicht objektiv und notwendig. Bestimmungsgründe sind Wünsche, Begierden, Neigungen und Ähnliches (Streben nach Annehmlichkeit, Gefühle der Lust, erwartetes Vergnügen).

Kant hält Glückseligkeit und das Streben nach ihr aus zwei Gründen für fremdbestimmt (was er als «heteronom» bezeichnet):

a) unterliegt hypothetischen Imperativen (Gebote, die unter Bedingungen/Voraussetzungen gelten), nämlich Vorschriften der Klugheit, wobei eine Handlung Mittel zu etwas ist und eine Abhängigkeit von äußeren Umständen der Erfahrungswelt besteht

b) betrifft den Menschen nicht als Vernunftwesen, mit einer mit Hilfe der Vernunft einsehbaren allgemeinen Gesetzgebung der Vernunft, sondern als Naturwesen und ist dabei abhängig von Neigungen/Begehren/Bedürfnissen (Antrieben der Sinnenwelt)

Gründe, warum für Kant Glück nicht das oberste Gut sein kann

  • Kants Begriff des Glücks/der Glückseligkeit als subjektive Zufriedenheit/Befriedigung von Wünschen und Neigungen
  • Kants Begriff des an sich Guten als etwas allein formal/der Form nach Bestimmten (nämlich von der Form moralischer Gesetzlichkeit, die praktische Vernunft aufstellt und einsieht)

Kant trennt damit das an sich Gute und die Glückseligkeit. An die Stelle des Strebens nach einem inhaltlichen Ziel, das zu Glück beiträgt, tritt die Erfüllung der Pflicht.

Glück/Glückseligkeit erfüllt unter diesen Voraussetzungen somit Kants Anforderungen an ein oberstes Gut nicht:

  • kein uneingeschränktes Gutsein (es gibt Wünsche/Neigungen/Begierden, die zu etwas führen, das schlecht/unangenehm/schädlich ist)
  • keine Allgemeingültigkeit, sondern Vielfältigkeit und Veränderlichkeit mit aus der zufälligen Erfahrung stammenden Motiven/Bestimmungsgründen
  • keine Objektivität
  • kein unbedingtes Gebot (von Zwecken bedingt und nur aus Klugheit geboten, wenn diese Zwecke verfolgt werden; die Zwecke sind nicht Prinzipien eines Vernunftwesens, sondern werden vom Menschen als bloßes Naturwesen verfolgt)

oberstes Gut und höchstes Gut bei Kant

Tugend ist bei Kant das oberste, aber nicht das vollendete, höchste Gut. Beim höchsten Gut kommt zum obersten Gut eine Ergänzung hinzu, mit der erst das ganze Gut gegeben ist. Das höchste Gut besteht in der Übereinstimmung von Glückseligkeit und Glückswürdigkeit, bei der die Tugendhaften entsprechend ihrer Tugend belohnt werden.

Glückswürdigkeit bedeutet, Glückseligkeit verdient zu haben. Jemand ist aufgrund seines guten Handelns würdig, Glück zu genießen.

Personen, die Glückseligkeit verdienen, haben sie möglicherweise nicht oder nicht in einem Ausmaß, das ihrer Glückswürdigkeit entspricht. Wenn nicht ein handelndes vernünftiges Wesen mit einer moralischen Gesinnung zugleich Ursache der ganzen Welt und Natur ist, fallen Glückswürdigkeit und Glückseligkeit nicht notwendig zusammen (wie es gerecht wäre).

Zur Ermöglichung des höchsten Gutes ist als Voraussetzung ein machtvolles intelligentes Wesen erforderlich. Anders ist es für die reine praktische Vernunft nicht denkbar. Daraus ergibt sich nach Kant das subjektive Bedürfnis nach der Existenz Gottes, um die Hoffnung auf das höchste Gut Wirklichkeit werden zu lassen.