Kants Ethik?

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Für die Form der Gesetzlichkeit stellt Kant den kategorischen Imperativ als Regel des unbedingten Sollens auf. Das Gute beim guten Willen besteht darin, sich danach zu richten und daher den Maximen zu folgen, die als Bestandteil einer allgemeinen Gesetzgebung der Vernunft gedacht und gewollt werden können. Der kategorische Imperativ stellt einen Prüfstein für Maximen (dem Vernunftinteresse entnommene subjektive Grundsätze) von Handlungen auf.

Der gute Wille ist von der Pflicht (innere Notwendigkeit einer Handlung aus Achtung vor dem Gesetz) bestimmt. Die Selbstverpflichtung gründet in Autonomie (Selbstgesetzgebung). Ein vernünftiges Wesen will das, was es als der praktischen Vernunft entsprechend eingesehen hat.

Die Bestimmung des reinen Willens muß gesetzesförmig sein, unabhängig von äußeren oder inhaltlichen, auf Neigungen beruhenden Beweggründen.

Maßstab moralischen Handelns ist also der Grundsatz, der Bestimmungsgrund des Willens zu einer Handlung ist.

Eine pflichtgemäße Handlung kann 1) mit der in der äußeren Handlung mit der Pflicht übereinstimmen, aber aus einem anderen Beweggrund geschehen, oder 2) aus Pflicht geschehen (Pflicht als Beweggrund).

Beispiel des Krämers bzw. Kaufmanns

Das Beispiel des Krämers bzw. des Kaufmanns verwendet Kant zur Erläuterung des Unterschiedes zwischen pflichtgemäßer Handlung aus Pflicht und pflichtgemäßer Handlung aus selbstsüchtiger Absicht.

Ein auf seinen langfristigen Vorteil bedachter Krämer bzw. ein kluger Kaufmann hält an einem festgesetzten allgemeinen Preis für alle fest und bedient ehrlich, wo viel Verkehr ist. Er nimmt unerfahrenen Käufern keinen überteuerten Preis ab. Dies reicht aber noch nicht aus, deshalb zu glauben, der Kaufmann verfahre so aus Pflicht und Grundsätzen der Ehrlichkeit. Sein eigener Vorteil/Nutzen erfordert es (sonst verliert er Kunden).

Die pflichtgemäße Handlung des Krämers bzw. Kaufmanns in dem Beispiel geschieht nicht aus Pflicht und auch nicht aus unmittelbarer Neigung (er handelt nicht aus Liebe zu den Käufern), sondern aus Eigennutz.

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785; 2. Auflage 1786 ). Erster Abschnitt. Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntnis zur philosophischen (AA IV, 397/BA 9):

„Weit schwerer ist dieser Unterschied zu bemerken, wo die Handlung pflichtmäßig ist und das Subjekt noch überdem u n m i t t e l b a r e Neigung zu ihr hat. Z. B. es ist allerdings pflichtmäßig, daß der Krämer seinen unerfahrnen Käufer nicht überteure, und, wo viel Verkehr ist, tut dieses auch der kluge Kaufmann nicht, sondern hält einen festgesetzten allgemeinen Preis für jedermann, so daß ein Kind eben so gut bei ihm kauft, als jeder anderer. Man wird also e h r l i c h bedient; allein das ist lange nicht genug, um deswegen zu glauben, der Kaufmann habe aus Pflicht und Grundsätzen der Ehrlichkeit so verfahren; sein Vorteil erforderte es; daß er aber überdem noch eine unmittelbare Neigung zu den Käufern haben sollte, um gleichsam aus Liebe keinem vor dem andern im Preise den Vorzug zu geben, läßt sich hier nicht annehmen. Also war die Handlung weder aus Pflicht, noch aus unmittelbarer Neigung, sondern bloß in eigennütziger Absicht geschehen.“

Der Ausdruck „pflichtgemäß“ betrifft nur die äußere Handlung. Der Ausdruck „aus Pflicht“ betrifft die innere Seite, den Beweggrund/die Triebfeder. Pflichtgemäßes Handeln kann bloßes äußeres Handeln, das dem Recht entspricht (Legalität), sein. Einen Wert als moralisch/sittlich gut hat aber nach Kant ein menschliches Handeln nur, wenn die Pflicht Bestimmungsgrund des Wollens ist. Eine Maxime des Handelns hat nur dann einen moralischen Gehalt, wenn etwas Pflichtmäßiges weder aus einer (unmittelbaren oder mittelbaren) Neigung noch aus Furcht getan oder unterlassen wird, sondern rein aus Pflicht.

Höchste Wertschätzung/Anerkennung als moralisch wertvoll verdient nach Kant nur eine Handlung aus Pflicht. Wenn eine Neigung zur pflichtgemäßen Handlung führte, ist dies nicht wahrhaft moralisch wertvoll, kann aber Billigung/Lob/Ermunterung bekommen.

Eine moralisch gute Handlung entspricht nach Kant sowohl der Anforderung, aus Pflicht zu geschehen, als auch der, pflichtgemäß zu sein.

Otfried Höffe, Immanuel Kant. Originalausgabe. 7., überarbeitete Auflage. München : Beck, 2007 (Beck'sche Reihe : Denker ; 506), S. 183:

„Nun gibt es drei Möglichkeiten, die sittliche Pflicht zu erfüllen. Erstens kann man die Pflicht befolgen und doch letztlich vom Selbstinteresse bestimmt sein; das trifft für den Geschäftsmann zu, der aus Angst, seine Kunden zu verlieren, auch unerfahrene Käufer ehrlich bedient. Zweitens kann man pflichtgemäß und Kunden zugleich mit einer inneren Neigung zur Pflicht handeln, beispielsweise einem Notleidenden aus Sympathie helfen. Schließlich kann man die Pflicht rein »aus Pflicht« anerkennen.

Der gute Wille liegt nicht schon dort vor, wo man die Pflicht aufgrund irgendwelcher Bestimmungsgründe tut; die Sittlichkeit einer Person besteht nicht in bloßer Pflichtgemäßheit, die Kant Legalität nennt. Denn die bloße Pflichtgemäßheit (sittliche Richtigkeit) einer Handlung hängt von den Bestimmungsgründen ab, aus denen man die Pflicht befolgt, ist also bedingt, nicht unbedingt gut. Das (metaethische) Kriterium der Sittlichkeit, das uneingeschränkte Gutsein, wird erst dort erfüllt, wo das sittlich Richtige aus keinem anderen Grund ausgeführt wird, als weil es sittlich richtig ist. Dort also, wo die Pflicht selbst gewollt ist und als solche erfüllt wird. Nur in diesen Fällen spricht Kant von Moralität.“

Beispiel des Menschenfreundes

Das Beispiel eines wohltätig handelnden Menschenfreundes verwendet Kant zur Betonung der Pflicht als ausschließlicher Bestimmungsgrund eines Wollens mit wahrem/echtem moralischen Wert. Nicht aus Neigung wird gehandelt, wenn zum wohltätigem Handeln keine Neigung (z. B. ein inneres Vergnügen) antreibt. Der eigenen Kummer erleidende und daher nicht für teilnehmende Gefühle und Rührung über das Schicksal anderer Menschen zugängliche Menschenfreund handelt insofern nicht aus Neigung, als möglichen Neigungen ausgeschaltet sind und er somit ohne jede Neigung dazu wohltätig handelt, bloß aus Pflicht. Zu den Pflichten der praktischen Menschenliebe (Wohlwollen, aus dem Wohltun folgt) gehört Wohltätigkeit.

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785; 2. Auflage 1786 ). Erster Abschnitt. Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntnis zur philosophischen (AA IV, 397/BA 10 -11):

„Wohltätig sein, wo man kann, ist Pflicht, und überdem gibt es manche so teilnehmend gestimmte Seelen, daß sie, auch ohne einen andern Bewegungsgrund der Eitelkeit, oder des Eigennutzes, ein inneres Vergnügen daran finden, Freude um sich zu verbreiten, und die sich an der Zufriedenheit anderer, so fern sie ihr Werk ist, ergötzen können. Aber ich behaupte, daß in solchem Falle dergleichen Handlung, so pflichtmäßig, so liebenswürdig sie auch ist, dennoch keinen wahren sittlichen Wert habe, sondern mit andern Neigungen zu gleichen Paaren gehe, z. E. der Neigung nach Ehre, die, wenn sie glücklicherweise auf das trifft, was in der Tat gemeinnützig und pflichtmäßig, mithin ehrenwert ist, Lob und Aufmunterung, aber nicht Hochschätzung verdient; denn der Maxime fehlt der sittliche Gehalt, nämlich solche Handlungen nicht aus Neigung, sondern a u s P f l i c h t zu tun. Gesetzt also, das Gemüt jenes Menschenfreundes wäre vom eigenen Gram umwölkt, der alle Teilnehmung an anderer Schicksal auslöscht, er hätte immer noch Vermögen, andern Notleidenden wohlzutun, aber fremde Not rührte ihn nicht, weil er mit seiner eigenen gnug beschäftigt ist, und nun, da keine Neigung ihn mehr dazu anreizt, risse er sich doch aus dieser tödlichen Unempfindlichkeit heraus, und täte die Handlung ohne alle Neigung, lediglich aus Pflicht, alsdenn hat sie allererst ihren echten moralischen Wert. Noch mehr: wenn die Natur diesem oder jenem überhaupt wenig Sympathie ins Herz gelegt hätte, wenn er (übrigens ein ehrlicher Mann) von Temperament kalt und gleichgültig gegen die Leiden anderer wäre, vielleicht, weil er, selbst gegen seine eigene mit der besondern Gabe der Geduld und aushaltenden Stärke versehen, dergleichen bei jedem andern auch voraussetzt, oder gar fordert; wenn die Natur einen solchen Mann (welcher wahrlich nicht ihr schlechtestes Produkt sein würde) nicht eigentlich zum Menschenfreunde gebildet hätte, würde er denn nicht noch in sich einen Quell finden, sich selbst einen weit höhern Wert zu geben, als der eines gutartigen Temperaments sein mag? Allerdings! gerade da hebt der Wert des Charakters an, der moralisch und ohne alle Vergleichung der höchste ist, nämlich daß er wohltue, nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht.“