In der Kindheit geschlagen und es gut gefunden?
Mein Freund ist Ausländer und er sagte er wurde von seinen Eltern geschlagen. Mit dem Gürtel, Backpfeife ins Gesicht, mit Stöcken aus dem Garten. Er musste sich, wenn er misst gebaut hat hinknien und hat dann mit dem Gürtel oder mit dem Stock auf seinen nackten rücken Schläge bekommen. Er durfte dabei auch nicht weinen oder klagen. Auch durfte er als Kind nicht grundlos weinen zum Beispiel wenn er seinen Willen nicht bekam oder wenn er etwas nicht bekommen hat was er wollte. Wenn er deshalb geweint hat gab es auch Schläge.
Er hat mir das so beiläufig erzählt als wäre es das normalste der Welt. Man muss dazu sagen er ist sehr höflich, herzlich, liebevoll und hat noch nie Gewalt angewendet. Wenn wir uns streiten ist er der besonnene der seine Emotionen vollkommen im Griff hat und ich eher die Person die dazu neigt laut zu werden. Ihn lässt das völlig kalt, er ist immer Herr der Situation und lässt sich nichts aus der Reserve locken. Er sagt seine Erziehung wäre das Resultat. Er sei stolz darauf so erzogen worden zu sein weil er eine viel höhere Toleranzschwelle hat und er sich viel besser selbst unter Kontrolle hat und auch in Stresssituationen einen kühlen Kopf bewahren kann.
Ich finde das so schrecklich aber offenbar gibt es gerade auch ältere Generationen die in ihrer Erziehung Schläge bekamen. Kann man das wirklich einfach so weg stecken und ein völlig normaler Mensch sein? Wie gesagt er ist liebt, herzlich, gütig, höflich, hat nie Gewalt angewendet und nichts und er ist sehr diszipliniert. Man sieht es ihm garnicht an und das finde ich seltsam. In meiner Vorstellung muss doch irgendwas kaputt gegangen sein oder kann man das wirklich einfach so weg stecken das daraus doch was gutes entsteht?
4 Antworten
Leider war und ist auch heute noch Gewalt oft Teil der Erziehung - obwohl dies in Deutschland nicht mehr erlaubt ist und strafrechtlich verfolgt werden kann.
Wenn man damit aufgewachsen ist, bemerkt man teilweise gar nicht, dass es „nicht normal“ ist - für einen selbst gehörte es ja zum Alltag und ggf. erkennt man auch gar nicht, wie schädlich diese Gewalt im Endeffekt ist, da man selbst ja „auch keine Schäden davon getragen hat“. Letztendlich trägt man immer irgendwelche Schäden davon zurück und während einige Menschen, welche Gewalt in ihrer Kindheit erfahren haben, diese ablehnen und Gewalt in der Erziehung niemals als eine Möglichkeit in Betracht ziehen würden, sehen andere Menschen es als Bestandteil der Erziehung an.
Ich denke hier ist es sehr wichtig, offen mit deinem Freund zu kommunizieren und ihm klar zu machen, dass Gewalt eben nicht zur Erziehung gehört und du dies nicht gutheißen würdest.
Gerade bei geschlagenen Kindern kommt es oft zu etwas wie das Stockholm Syndrom. Ein innerer Opfer Täter tausch. Warum, nun gerade qweil wir "normal" sein wollen. Zu sagen "ich wurde nur geschlagen wenn ich es auch verdient hatte" ist oft viel einfacher als dies alles in Frage zu stellen weil man sich dann auch selbst in Frage stellen muß.
Verdrängung ist eine ganz natürliche Schutzfunktion, kann aber wenn zu viel Verdrängt und Verleugnet wird krank machen.
Sich davon zu lösen ist verdammt schwierig und langwierig. Nur solltest du dir bewußt machen das in deinem Freund tief drin noch irgendwo das Mißhandelte Kind steckt das sogar seine Emutionen und Schmerzen unterdrücken mußte. Alles in allem ist er in deiner Beschreibung schon zu nett zu aufgeklärt zu gelassen. Ich habe da gerade eine Zeitbombe vor Augen.
Genau das dachte ich auch irgendwie. Er sagte mir alles hat seine Zeit. Wenn du wütend bist bringt es nichts rum zu Brüllen und die Beherrschung zu verlieren. Sowas ist seiner Meinung nach eine Charakterschwäche. Er sagt es gibt Situationen da kann er wut und Zorn raus lassen und die sind Sport oder sportliche Wettkämpfe.
Es werden nicht alle Verbrecher, die Brutalität in der Kindheit erfahren haben, manchmal bewirkt es auch genau das Gegenteil. Aber ich glaube nicht, das es spurlos an einem Menschen vorüber geht. Frage ihn mal, ob er später sein Kind genauso erziehen möchte?
Er sagte er wüsste es nicht. Er erklärte es mir so, wenn er seinen Sohn sehen würde wie er auf eine Herdplatte fassen wollen würde so würde er ihm die Hand weg schlagen damit größerer schaden von ihm abgewendet werden würde.
So wie seine Eltern ihn wegen jeder Kleinigkeit verprügelt haben, das würde er nicht tun weil er der Meinung ist es sei nicht in dem Umfang nötig gewesen. Er fände es besser Kinder in die richtige Richtung zu motivieren. Gute Schulnoten im Rahmen von familiären Feierlichkeiten feiern, gemeinsam Spaß dabei haben, positives Feedback erzeugen so daß sie selbst motiviert sind zum lernen.
Er meint jemanden die Leidenschaft am lernen zu schenken ist effektiver als jemanden für ungenügende Leistung zu bestrafen
Naja er hat mit mir darüber geredet aber er sieht kein Problem darin. Wenn es mich interessieren würde, würde er mir alles erzählen aber er selbst hat nicht den Drang das jemanden mitzuteilen weil er nicht das Gefühl hat es wäre belastend. Viel mehr hat er das Gefühl etwas anderen Menschen voraus zu haben weil er das mitgemacht hat. Er glaubt es habe ihn stärker gemacht.
Also ich kann Dir von einer Freundin mit 3 Geschwistern ( alle jetzt über 60) die mit den seinerzeit üblichen Schlägen erzogen wurden folgendes Resultat sagen: der jüngste ist Alkoholiker, die Älteste dem Alkohol nahe und beschäftigt sich nur mit Krankheiten, der 2. Älteste ist anstrengend sauber und pingelig und lässt kaum eine andere Meinung gelten und die Dritte im Bunde hatte lange Zeit Depressionen und arbeitet daran auch mal sich selbst wichtig zu nehmen. Alle stellen sich immer die Frage nach dem Sinn des Lebens und sind eigentlich nicht glücklich in Gesellschaft anderer. Alle haben mindestens eine Scheidung hinters sich. Also ganz subtile Probleme, wie fast jeder 2. in unserer Gesellschaft, die aber viel zerstören und Unglück über andere bringen können. Nach außen, war es eine ganz normale Arbeiterfamilien ohne Auffälligkeiten, immer genug Geld vorhanden, die Mutter Hausfrau, der Vater Handwerker.
Ich bin auch Ausländer (mit 6 aus Russland gekommen) und ich habe es auch so wie dein Freund erlebt bzw. manchmal (selten) immer noch. Nachhinein finde ich auch manches davon richtig übertrieben oder sogar Misshandlung. Aber ich bin nicht sauer deshalb. Es ist nh andere Kultur und ich hab auch viel Scheiß gebaut. Ob man deswegen mitn Stock auf den nackten Hintern oder mit Gürtel auf den Rücken schlagen muss bis alles rot ist.. ich finde nicht! 😬Aber so kenn ich es halt auch. Ein Vater der so streng ist, ist für einen dann eher wie so n General vor dem man gehorcht 😂 Naja ein Schaden hab ich davon aber glaub ich nicht haha
Hört sich fast zu schön an. Aber es bleiben Narben. Es kann auch sein, dass sich die Agression dann nicht gegen andere sondern gegen sich selbst richtet. Depressionen oder andere Arten der Selbstzerstörung. Allerdings meine ich, dass eigentlich fast jeder über 50 dann in eine Therapie müsste. Man sollte bei auftretenden Störungen dieses Thema aber auf jeden Fall im Hinterkopf haben. Vielleicht hat er ja einen Arzt seines Vertrauens, mit dem er mal darüber sprechen mag.