Homo faber und die technik?

1 Antwort

QUELLE

Schon der Titel des Werkes „Homo Faber, ein Bericht“ zeigt, dass die Themen ‚Technik und Natur‘ in diesem Werk von Max Frisch eine wichtige Rolle spielen: ‚homo‘, der lateinische Ausdruck für ‚Mensch‘, welcher vor allem in historischen und naturwissenschaftlichen Bereichen zur Verwendung kommt, bezeichnet den Aspekt der Natur. ‚faber‘ kommt vom griechischen und bedeutet ‚Verfertiger, Künstler‘ aber auch ‚Handwerker‘, Sinnbild also für den Techniker, welcher durch Walter Faber verkörpert wird. Ausserdem handelt es sich um einen Bericht und keine Beschreibung oder Interpretation.

Über Fabers Abneigung der Natur gegenüber

Walter Faber sieht in der Welt einen starken Antagonismus zwischen Natur und Technik. Er ist davon überzeugt, dass die natürliche Welt der technischen unterlegen ist:

Ich habe sie immer gefürchtet; was man auch dagegen tut: ihre [der Zähne] Verwitterung. Überhaupt der ganze Mensch! - als Konstruktion möglich, aber das Material ist verfehlt: Fleisch ist kein Material, sondern ein Fluch!… (S. 171/595)*

In seinen Argumentationen widerspricht sich Faber oft, beziehungsweise lässt er durchschimmern, dass eine gewisse Faszination und Wertschätzung der Natur sehrwohl vorhanden ist, welche er aber verdrängt. So anerkennt er zwar die Konstruktion ‚Mensch‘, ist aber mit dem Material nicht zufrieden, obwohl es sich im Verlauf der Evolution bewährt hat. Die Tatsache, dass der Körper nicht von einem Menschen errichtet worden ist und dass er deshalb von niemandem (vor allem von ihm nicht) verstanden und beherrscht werden kann, hindert ihn daran, den Menschen als faszinierendes Werk der Natur zu betrachten. Dieses Gefühl der Unterlegenheit quält Walter Faber, er würde sich statt als Baustein lieber als Bauherr sehen. (Dieser Meinung ist übrigens auch Hanna; bei einer Diskussion mit Faber erwähnt sie die Manie des Technikers, die Schöpfung nutzbar zu machen, weil er sie als Partner nicht aushält [...] (S. 169/593))

Besonders deutlich wird diese Unterlegenheit, als Faber auf der Reise zu Joachims Plantage den schützenden Rahme n der Zivilisation langsam verliert und in einen Bereich gerät, in dem sich Natur ungehindert vollzieht. Voll Abscheu registriert er die Allgegenwart von Zeugung und Verwesung: [...] dies Fortpflanzerei überall, es stinkt nach Fruchtbarkeit, nach blühender Verwesung. Wo man hinspuckt, keimt es. (S. 51/475) Als besonders erschreckend empfindet er die fliessenden Übergänge, die keine klaren (technischen) Trennungen zulassen. Das Ineinanderfliessen von werden (Blühen) und Vergehen (Verwesen), von Leben und Tod. Mit Feuer, der völligen Vernichtung, die beispielsweise bei mittelalterlichen Hexenverbrennungen als ‚reinend‘ galt, will er der ekelerregenden Natur eine Grenze setzen: Feuer ist eine saubere Sache, Erde ist [...] Verwesung voller Keime, glitschig wie Vaseline, Tümpel im Morgenrot wie Tümpel von schmutzigem Blut, Monatsblut, Tümpel voller Molche, nichts als schwarze Köpfe mit zuckenden Schwänzchen wie ein Gewimmel von Spermazoten, genau so - grauenhaft. (Ich möchte kremiert werden!) (S. 68/492)