Hartz 4 und Gewinn aus Online Casino?

3 Antworten

Es gibt ein hohes Urteil des Bundessozialgerichts (BSG), das zu dem Ergebnis kam, dass Spielgewinn sofort anrechenbares Einkommen sind im Monat des Gewinns - auch dann, wenn man die Gewinne wieder verspielt.

Das würde aber höchstens heißen, dass Spielgewinn im März den Bedarf für die folgenden sechs Monate verringert. Denn ein Spielgewinn ist ja kein laufendes regelmäßiges Einkommen wie Gehalt oder Rente, sondern gehört zu den "Einmaligen Einnahmen" wie Lottogewinne oder Erbschaften - auch wenn sie öfter vorkommen.

Wenn dein Bruder also im März 4.000,- € gewonnen hat im Glücksspiel, würde diese Einnahme zunächst bereinigt um diese § 11b Absetzbeträge. Dazu gehört auch der Spieleinsatz für dieses Spiel - nicht aber die vorherigen Spieleinsätze, bei denen er gar nichts gewonnen hatte (so das BSG in seiner sehr fragwürdigen Urteils-Begründung). Dazu gehören auch eine Versicherungspauschale von 30,- € pro Monat sowie monatliche Riesterbeiträge.

Falls dann noch z. B. 3.600,- bereinigtes anrechenbares Einkommen übrig bleiben, wären das 600,- pro Monat für die sechs Monate von April bis September.

Das ALG II deines Bruders würde also für diese Monat um jeweils 600,- € gemindert. Falls er für sich alleine - die restiche Bedarfsgemeinschaft (BG), als mitwohnende Partner und Kinder unter 25 - ist nicht davon betroffen - nur 500,- Bedarf hat (Regelbedarf plus kopfteilige Warmmiete), kriegt er selbst also gar kein ALG II mehr für diese sechs Monate (die restliche BG aber noch ihren Anteil), und nach diesen sechs Monaten würde der Rest des einmaligen Einkommens nicht mehr als Einnahme gewertet, sondern als Vermögen (dann käme es darauf an, ob das zusammen mit dem sonstigen Vermögen zu hoch wäre für weiteres ALG II).

Wenn die einmalige Einnahme aber nicht reicht zum Leben in diesen sechs Monaten, weil man sie zu schnell ausgegeben hat (oder schon vorher, so wie hier),

dann kann es für diese Zeit ALG II als Darlehen geben. Das ist aber kein Problem, dieses Darlehen kann man leicht abstottern, wenn man wieder reich ist - und vorher muss man nur 10 Prozent seines Regelbedarfs dafür jeden Monat abdrücken, also knapp über 100,- jeden Monat.

Hier lohnt es sich aber auf jeden Fall, die ganze Spielerei als das darzustellen, was es meist ist: Als Spielerei! Der BSG hat in seinem Urteil damals zwar verlangt, dass ein Gewinn sofort für den Lebensunterhalt eingesetzt wird, um den Bedarf an ALG zu mindern.

Das geht aber erheblich an der Lebensrealität vorbei. Ein Glücksspieler ist kein Arbeiter, der seinen Lohn zu Hause auf den Tisch legt und dem Partner sagt: "Kauf mal Fleisch und Gemüse davon, und dir noch nen schönen Mantel!" Ein Glücksspieler ist ein Mensch, der Geld einsetzt und so lange weiterspielt, bis das Geld weg ist. Das wissen wir seit Dostojewskis Roman "Der Spieler", nur das BSG meinte, es könnte die Glücksspieler durch ein strafendes Urteil bekehren und aus ihnen einen verdienstvollen Arbeiter machen.

Das SGB II hat aber schon eine Sanktion bzw. eine Hilfefunktion für Süchtige: Da gibt es eben statt Geld Gutscheine für Sachleistungen, die weder in Spielbanken noch von Dealern angenommen werden und auch nicht in Alkohol umgesetzt werden können! Siehe § 24 Abweichende Erbringung von Leistungen Absatz 2:

(2) Solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 ihren Bedarf zu decken, kann das Arbeitslosengeld II bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden.

Es lohnt sich also sicherlich, wenn das Jobcenter um eine Stellungnahme zu den Zuflüssen aus Spielgewinnen bittet, sich dazu zu äußern. Da könnte der Bruder schreiben, dass er sich hätte hinreißen lassen, sein weniges Geld für Glücksspiele einzusetzen, aber am Ende doch nur verloren hätte. Nun hätte er dem Glücksspiel abgeschworen.

Gruß aus Berlin, Gerd

adelina9494 
Fragesteller
 21.05.2021, 09:10

Danke für die Nachricht. Also er bekommt nur etwa 320€ regelsatz. Deshalb meine Frage wie werden dann 600€ abgezogen? Dann müssten die ja an die 300€ regelsatz von der Frau gehen bzw. an die Miete und den beiden würde ja in den nächsten 6 Monaten nichts zum Leben bleiben... das war halt mein Bedenken.

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GerdausBerlin  21.05.2021, 12:05
@adelina9494

Sicher ist noch gar nicht, welche Summe für welchen Monat als Einnahme gewertet wird und wie diese Summe bereinigt wird.

Bei einem professionellen Pokerspieler würde ein Gewerbe angenommen werden müssen, meines Erachtens. Dann würden seine gesamten jeweiligen Einkünfte zusammengerechnet für den gesamten Bewilligungszeitraum (meist 6 Monate bei Gewerbe-Treibenden), also zum Beispiel 300,- plus 400,- plus 4.000,- = 4.700,- Einnahmen durch Spielgewinne.

Davon müssten die relevanten Posten in SGB II § 11b Absetzbeträge abgezogen werden, also etwa 30,- Versicherungspauschale mal 6 Monat = 180,-. Vielleicht auch (so meine Ansicht) alle Spieleinsätze, oder nur die jeweiligen Spieleinsätze, die zum jeweiligen Gewinn geführt haben (so die Ansicht des BSG damals). Also beispielsweise 200,- plus 400,- plus 700,- = 1.300,-.

4.700,- Einnahmen in sechs Monaten bereinigt um 1.300,- Absetzbeträge in sechs Monaten = 3.600,- § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen.

Bei Gewerbe-Treibenden wäre das zudem noch Erwerbs-Einkommen, da kämen noch die Absetzbeträge in Absatz 3 SGB II § 11b hinzu, also rund 20 Prozent des bislang schon bereinigten Einkommens - bei amateurhaften Glücksspiel-Gewinnen aber nicht.

Das verbleibende Zu berücksichtigende Einkommen wird dann auf sechs Monate aufgeteilt, hier also zum Beispiel 3.500,- durch 6 = 600,- pro Monat.

Dieses durchschnittliche Monats-Einkommen von 600,- wird dem Bedarf des Bruders in jedem Monat gegenübergestellt:

Regelbedarf:

  1. Single 446 €,
  2. Partner in BG 401 €,
  3. Kind unter 25 in BG: 357 €

Warmmiete: Kopfteiliger Anteil des Bruders

  1. Beispiel 1: 600,- für Mann und Frau -> 300,- für den Bruder.
  2. Beispiel 2: 660,- für Mann, Frau und ein Kind -> 220,- für den Bruder.
  3. Beispiel 3: 800,- für Mann, Frau und zwei Kinder -> 200,- für den Bruder.

Jetzt addierst du Regelbedarf (Nr. 1, 2 oder 3) mit Warmmiete (Nr. 1, 2 oder 3). Beispiel: Nr. 2 plus Nr. 1 = 401,- + 220,- = 621,- € Gesamt-Bedarf an ALG II für den Bruder.

Von diesem Gesamt-Bedarf an ALG II des Bruders wird sein durchschnittliches Monats-Einkommen von 600,- abgezogen. Er kriegt dann also noch 21,- € ALG II im Monat für die sechs Monate nach dem Monat des Spielgewinns als einmalige Einnahme (bzw. als Profi für die sechs Monate des laufenden Bewilligungszeitraums).

Und wenn er nicht genug Vermögen oder sonstige Einnahmen hat, kann er mehr ALG II als Darlehen erhalten. Aber das waren hier alles nur Beispielsrechnungen! Und: Vielleicht sagt das Jobcenter ja auch: "Oh, alles wieder verspielt? Das ist ja schade! Lassen Sie lieber das Glücksspiel! Oder nutzen Sie Gewinne beim nächsten Mal lieber zum Lebensunterhalt und spielen Sie höchstens mit kleinen Einsätzen weiter oder gar nicht!"

Gruß aus Berlin, Gerd

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adelina9494 
Fragesteller
 21.05.2021, 09:13

Achja was ich noch vergessen habe. Was kommt denn rechtlich auf ihn zu? Habe das was von teilweise Freiheitsstrafe gelesen...

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GerdausBerlin  21.05.2021, 12:26
@adelina9494

StGB § 263 Betrug:

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.

Aber 1.: Bei Erst-Tätern ist sogar eine Geldstrafe selten. Zudem werden ohnehin meist Bewährungs-Strafen verhängt, also lediglich ein Zeichen, sich künftig - zumindest während der Bewährungszeit - nichts mehr zu Schulden kommen lassen.

Und 2.: Eine "Unterdrückung wahrer Tatsachen" liegt tatsächlich vor, wenn man SGB I § 60 Angabe von Tatsachen nicht befolgt:

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat
1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3. Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.

Denn das "unverzüglich mitzuteilen" wurde ja nicht befolgt.

Wenn der Bruder aber vorbringen kann, dass er das gewonnene Geld ja stets bald wieder verspielt hatte und deshalb sicher war, dass es gar keine "für die Leistung erheblich"e "Änderungen in den Verhältnissen" gegeben hat,

ist es schwer zu erkennen, dass er mit der "Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen" (StGB § 263 Betrug) gehandelt hat - er hat einfach nur weitergespielt, vielleicht sogar mit der (Spieler-typischen) Absicht, endlich mal richtig vom Glück gesegnet zu werden, oder sogar mit der Absicht, endlich aus der Misere der Langzeit-Arbeitslosigkeit mit Bedarf an ALG II und so weiter völlig herauszukommen.

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Kindergeld wird nie sanktioniert. Es gibt hier drei Gelder, einmal für Mann, einmal für Frau, einmal für Kind.

Das Geld vom Mann kann man nun kürzen zu 30 prozent da er der Mitwirkungspflicht nich nachkam, wenn er das mit quittungen belegen kann das dies alles wieder verspielt wurde könnte klappen über nen sozialgericht.

Es ist auch kein Problem dass er spielt er muss auch keine 4000 bezahlen. Er darf pro monat 100 dazu verdienen sie ebenso, also 200 + sind sowieso erlaubt, alles darüber müsste gegen gerechnet werden.

Die beiden haben ja ein kleines Kind... wie is das mit dem aufrechnen, 4000€ kann man ja nicht so einfach aufrechnen mit 10% wie üblich, da würde ja ein ganzer Regelsatz fehlen. 

die 10% beziehen sich nicht auf die gesamte Schuldenlast , sondern auf den gesamten Alg2 anspruch.

dies wären nach aktuellen Werten 446€. Demzufolge würde das Jobcenter dann monatlich 44,60€ abziehen.

kleiner Tipp für die Zukunft nicht mehr online zocken sei es Sportwetten oder Automaten. Online ist Nachverfolgbar. Auszahlung in bar nicht.

adelina9494 
Fragesteller
 20.05.2021, 21:22

Danke, das wusste ich nicht mit den 10%, wie verhält sich das im schlimmsten fall? Habe Angst das das Amt den dreien alle Leistungen sofort streicht inkl Miete. Wie zahlt er die 4000€ am besten ab und kommt da was strafrechtlich auf ihn zu?

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Richi008  20.05.2021, 21:25
@adelina9494

das Jobcenter kann maximal 10% vom Regelsatz nehmen. Ob das jetzt auf den gesamten Bedarf bezogen ist oder nur von der betroffenen Person kann ich aktuell nicht zu 100% sagen. Aber was ich sagen kann das diese Familie nicht ohne Geld leben muss.

im schlimmsten Fall kann dies strafrechtliche Folgen inform einer Anklage wegen Betrug heißen.

das ist aber auch der schlimmste Fall und das trifft eher selten zu. Die Gewinne sind ja prinzipell nicht allzu hoch.

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ewigsuzu  20.05.2021, 21:28
@adelina9494

Miete und Kindergeld sind von Sanktionen ausgeschlossen, es sei denn die Wohnung wird gekündigt.

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adelina9494 
Fragesteller
 20.05.2021, 21:28
@Richi008

Ok das nimmt mir schon mal den Wind aus den Segeln,danke für deine schnelle Nachricht.

war es aber nicht so, dass das Jobcenter 30% und sogar 100% sanktionieren kann gerade in solch einem Fall

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ewigsuzu  20.05.2021, 21:29
@adelina9494

Nein nicht mehr seitdem dass Bundesverfassungsgericht dass für verfassungswiedrig hält.

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Richi008  20.05.2021, 21:30
@adelina9494

Das Jobcenter sanktioniert nur so hoch wenn nicht nach den Regeln des Jobcenters „gespielt“ werden.

zum Beispiel bekommt man eine 10% Sanktion wenn man nicht zum Termin erscheint.

bekommt man beispielsweise eine Maßnahme aufgedrückt und geht nicht hin dann gibt’s eine 30% Sanktion.

100% Sanktionen sind nicht mehr erlaubt. Das Maximum liegt bei 30%.

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ewigsuzu  20.05.2021, 21:32
@Richi008

Naja mir is das relativ XD Im schlimmsten Falle könnte Mami eh mit Kind noch wo unterkommen. Aber naja wird eh ned so schnell passieren.

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adelina9494 
Fragesteller
 20.05.2021, 21:38
@ewigsuzu

Danke für die Antworten, die beiden bekommen sowieso nur jeweils 320€ das beide einen Mini Job ausüben und die Kaution noch aufgerechnet wird, aber wie verhält sich das mit so einer hohen Summe? Die können ja nicht 4000€ mit 32€ bei ihm aufrechnen da zahlt er ja Jahre lang....die beiden haben übrigens auch getrennte Konten die Mutter hat ihr eigenes von dem aus auch nicht gespielt wurde

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ewigsuzu  20.05.2021, 21:40
@adelina9494

wie bereits oben erwähnt die dürfen pro monat zusammen 200 + haben, wenn sie schon 10 prozent abgezogen bekommen könnte man notfalls per sozialgericht klagen oder man versuchts mit ner Vermögensauskunft im Sinne ich hab nichts. Da gibts schon Wege aber rechtliche nich laufen lassen nich rumschludern da muss man sich dannd ran setzen und kümmern.

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