Für die Vergangenheit Präteritum oder Perfekt?

2 Antworten

Nein, mach dir darüber keine Gedanken. Im Deutschen läuft das anders als z. B. im Englischen oder auch in romanischen Sprachen. Klare Regeln, wie sie in manchen anderen Sprachen existieren, musst du vergessen!

Die vorherrschende Erzählzeit im Deutschen für vergangene Handlungen, Vorgänge und Zustände ist das Perfekt. Schriftlich wird das Perfekt in der direkten Rede sowie für Aussagen verwendet, die vor dem Präsens liegen.

  • Der kleine Junge sagte: "Gestern hat meine Mutter einen Kuchen gebacken. Ich habe ihn fast ganz allein aufgegessen."
  • Seitdem mein Vater gestorben ist, a. ist meine Mutter nicht mehr in Urlaub gefahren. b. fährt meine Mutter nicht mehr in Urlaub. (a. Bis jetzt, aber vielleicht fährt sie irgendwann wieder weg. b. Bis jetzt, und sie wird auch nicht mehr wegfahren.)

Das Präteritum

  • ist Schreibtempus in der Prosaliteratur. Aber es kommen alle Tempusformen vor, denn es ist größtenteils eine Frage der Stilistik.
  • wird gebraucht bei der Wiedergabe von Märchen und Geschichten.
  • wird benutzt in Berichten über persönliche Erlebnisse in stilisierter Form: "Ich bin im Park spazieren gegangen. Am Schwanenteich habe ich mich auf eine Bank gesetzt und gelesen. Plötzlich ertönte ohrenbetäubender Lärm, durch den ich aufschreckte. Zwei Jungen rasten ..." (neues Ereignis/bisheriger Ablauf wird gestört/Kurzes, Schnelles wird durch Präteritum betont: Das Tempus dient der Dramatisierung.)
  • Auch in Briefen wechseln wir willkürlich zwischen Perfekt und Präteritum. (gleiches Beispiel wie im Punkt zuvor)
  • TV-Nachrichten werden im Präteritum gesprochen, Zeitungsnachrichten im Präteritum geschrieben. Oft wird dort nur der Eingangssatz im Perfekt gebraucht: "Ein entflogener Wellensittich hat gestern zu einem Feuerwehreinsatz in der Wilhelmstraße 17 geführt. Die Männer fuhren ihre Leiter an eine vor dem Wohnblock stehende Eiche heran und holten ... "
  • Protokolle und Lebensläufe werden in der Regel im Präteritum geschrieben.

Als Faustregel im Deutschen kannst du dir aber dies merken:

Das Präteritum in der gesprochenen und geschriebenen Sprache wird hauptsächlich benutzt für

  • haben
  • sein
  • alle Modalverben
  • es gibt
  • gern auch mal in Erzählungen bei Verben, die Statisches ausdrücken (stehen, sitzen, liegen, hängen) oder was im Kopf vorgeht (wissen, denken)
  • auch gern in temporalen Nebensätzen der Gleichzeitigkeit mit "als, sobald, immer wenn".

Das alles ist im Deutschen aber nicht zwingend.

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Bei deinem Text würde ich z. B. auch diese Sätze im Perfekt schreiben:

  • Aber im Treppenhaus hat mich eine Nachbarin gebeten, (....)
  • Aber heute habe ich nur 2 Sandwiches gegessen, (...). (Das Präteritum ist hier völlig "undeutsch". Es klingt so, als hätte das ein Ausländer geschrieben.)
  • (...), denn um ein Uhr hat sich schon unsere Arbeitsgruppe (...) getroffen. (Aber das Präteritum ist auch ok, denn es handelt sich um eine regelmäßige Veranstaltung.)
Litschi1118 
Fragesteller
 20.11.2021, 06:22

OMG, vielen vielen Dank, Spanferkel! Danke, dass du so viel geschrieben hast. Dank deiner Erklärung habe ich diese Grammatik besser verstanden:) Es scheint so, als ob ich die nicht wirklich gelernt hätte haha

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Präteritum: erste Vergangenheit

https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4teritum

Perfekt: VOLLENDETE Gegenwart, 2. Vergangenheit

https://de.wikipedia.org/wiki/Perfekt

Liegt es dran, dass bestimmte Verben in der Vergangenheit wie "bitten, beginnen, dauern und sitzen" öfter im Präteritum genutzt werden?

Einfach gesagt, liegt es daran, wie lange etwas her ist und ob die Handlung abgeschlossen ist. Umgangssprachlich dominiert die Verwendung des Perfekts, da viele die korrekte Konjugation der starken Verben im Präteritum nicht sicher beherrschen. Da ist die Bildung mit Hilfsverben einfacher.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – ehemaliger Lehrer für Deutsch
spanferkel14  19.11.2021, 09:54
Umgangssprachlich dominiert die Verwendung des Perfekts, da viele die korrekte Konjugation der starken Verben im Präteritum nicht sicher beherrschen. Da ist die Bildung mit Hilfsverben einfacher.

Das ist aber eine gewagte Behauptung. Ich würde sagen, die gehört ins Reich der Phantasie.

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421054  19.11.2021, 09:56
@spanferkel14

Nein, das beruht auf persönlicher und beruflicher Erfahrung. Ich kann aber verstehen, warum dir der Gedanke missfällt. Die Wahrheit ist oft unbequem und unerfreulich.

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spanferkel14  19.11.2021, 10:29
@421054

Was du in deiner Umgebung wahrnimmst oder dir als SIMPLE Erklärung für Schüler zurechtgelegt hast, darfst du hier aber nicht quasi als Regel verkünden. Mag ja sein, dass du viele Leute kennst, die Probleme mit dem Präteritum haben. Das liegt dann aber wohl eher daran, dass im Deutschen nun mal das Perfekt in der Vergangenheit vorherrschend ist. Was man nicht dauernd hört oder liest, das ist einem nicht so geläufig. Jemand, der generell nicht oder jedenfalls nicht viel liest, mag dann tatsächlich Probleme mit den unregelmäßigen Formen des Präteritums haben. Aber dieses Defizit bei einigen deutschen Muttersprachlern erklärt nicht die von diversen anderen Sprachen abweichende Benutzung von Präteritum und Perfekt im Deutschen.

In keiner seriösen deutschen Grammatik wird das zu finden sein, was ich bei deinen Ausführungen zum Gebrauch von Perfekt und Präteritum moniert habe. So du diese Grammatik besitzt, lies dir mal in Helbig/Buscha, "Deutsche Grammatik" §1.7.4 Semantische Beschreibung der Tempora, S. 130ff., durch. Vielleicht wird dann einiges klarer.

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421054  19.11.2021, 10:33
@spanferkel14

Holla, die Waldfee! Da ist aber jemand getriggert.

Was man nicht dauernd hört oder liest, das ist einem nicht so geläufig.

Hab ich was anderes behauptet? Du müsstest viel weniger lange Texte schreiben, wenn du einfach weniger interpretieren würdest. Übrigens kann man gerade hier bei GF sehr schön beobachten, wie die Bildung des Präteritums bei den Jüngeren scheitert (meine Mutter schreite, ich rufte, ...).

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spanferkel14  19.11.2021, 12:09
@421054

Ich interpretiere nicht, sondern bemühe mich um eine korrekte Darstellung. Deine Darstellung dagegen ist einfach nicht korrekt, sondern pure Phantasie. - GF ist nun wirklich kein Maßstab. Ich möchte mich zu dem Bildungsgrad eines Großteils der GF-User nicht äußern.

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