Französisch-Deutscher Krieg 1870/71?

7 Antworten

Der Sieg Preußens über Österreich 1866 und der rasche Friedensschluss hatten das Ansehen Napoleons III. schwer erschüttert, benötigte er doch wie sein Onkel große Erfolge, um den Thron sich und seinem Hause zu erhalten. All seine Forderungen auf Gebietskompensationen am linken Rheinufer, im Saarland und in der Pfalz, einst von Bismarck halb versprochen wurden von ihm nun schroff zurück gewiesen. 1867 scheiterte die französische Intervention in Mexiko. Im gleichen Jahr versuchte Napoleon III., wenigstens Luxemburg durch Kauf von den Niederlanden zu erwerben. Luxemburg hatte bis 1866 zum Deutschen Bund gehört, trat aber nicht dem Norddeutschen Bund bei, blieb jedoch im Deutschen Zollverein. Preußen hatte in Luxemburg ein Besatzungsrecht. Bismarck widerstrebte auch dabei dem Verlangen des französischen Kaisers. Eine internationale Konferenz in London sprach schließlich die Neutralität Luxemburgs aus, und die preußische Besatzung zog ab.

Der äußerste Anlass zum Krieg war die Kandidatur des Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen für den spanischen Thron. Der französische Botschafter Graf Benedetti verlangte von König Wilhelm I., welcher zur Kur in Bad Ems weilte, dass er die Kandidatur des Prinzen widerrufe. Wilhelm I. lehnte am 11. Juli das Verlangen des Botschafters ab. Einen Tag später verzichtete jedoch Leopold auf die Kandidatur. Damit hätte der Streitfall erledigt sein können!

Aber die französische Regierung suchte einen Erfolg. Benedetti forderte von Wilhelm I., er solle den Verzicht Leopolds gutheißen. Durch den preußischen Botschafter in Paris ließ man sogar anregen, Wilhelm I. möge sich entschuldigen. Preußen sollte also gedemütigt werden. Aber Wilhelm I. empfing daraufhin den französischen Botschafter nicht mehr, sondern ließ die Vorgänge in der berühmten Emser Depesche an Bismarck telegraphieren. Bismarck veranlasste die Veröffentlichung der Depesche in verkürzter und dadurch verschärfter Form. Die darin berichtete Abweisung des französischen Botschafter durch Wilhelm I. wurde in Frankreich als schwere diplomatische Niederlage empfunden. Da Napolen III. diese nicht hinnehmen wollte, erklärte er Preußen am 19. Juli 1870 den Krieg. Die süddeutschen Staaten traten in den Krieg ein, während Österreich neutral blieb. Sowohl in England als auch in Russland, die ebenfalls beide neutral blieben, galt Napoleon III. als Friedensstörer.

Die französische Armee wurde schnell geschlagen, und am 2. September geriet auch Napoleon III. selbst bei Sedan in Kriegsgefangenschaft. Das französische Volk sagte sich daraufhin von seinem Kaiser los und rief die Republik aus. Verbissen wehrten sich die republikanischen Armeen gegen die endgültige Niederlage, mussten aber am 18. Januar 1871 kapitulieren.

Im Frieden von Frankfurt musste Frankreich Elsass-Lothringen abtreten und eine Kriegsentschädigung von 5 Milliarden Franc zahlen.

Bismarck hat den Krieg provoziert, weil er einen mächtigen äußeren Gegner brauchte, der die deutschen Kleinstaaten in der Not zusammenschweißte und sie zur Reichsgründung animierte.

Diese Provokation funktionierte aber nur, weil er in Frankreich einen tatsächlich aggressiven Gegner mit starker Streitmacht hatte, der bereit war, wegen eines Zettels einen Krieg anzufangen.

Bezeichnend ist neben der Rheinkrise übrigens die seinerzeit aufgestellte Forderung nach "Rache für Sadowa": Man wollte sich an Preußen rächen, weil der Deutsche Krieg (der Frankreich überhaupt nichts anging) so schnell zu Ende war und man selbst keine Gelegenheit hatte, Kriegsbeute zu machen. Was für eine Anmaßung.

So wie du das darstellst ist das schlicht und ergreifend nicht der Fall.

Bismarck wird in der Regel eine gewisse Mitschuld, keineswegs eine Alleinschuld an diesem Krieg attestiert, wenn man in irgendeiner Form ernsthafte Literatur heranzieht. Das lässt sich insofern begründen, dass Bismarck, wie weit genau er ging ist umstritten, durch sein Verhalten jedenfalls bereit war Frankreich zu diesem Krieg zu provozieren obwohl er durchaus auch die Möglichkeit gehabt hätte, die Situation herunter zu kochen.
Er hat diesen Krieg also nicht selbst losgetreten, dass wird auch in keiner seriösen Literatur behauptet, er hat aber auch so gar nichts getan um die Eskalation dieses Konfliktes zu verhindern.

Bismarck selbst hat sich durch sein verhalten in der Luxemburgkriese, als er 1967 Frankreich eine Annexion Luxemburgs als machtpolitischem Ausgleich für die Preußische Annexion des Kgr. Hannovers, Kurhessens und Hessen-Nassaus verwehrte, obwohl er sehr wahrscheinlich während des krieges gegen Österreich Kompensationen in Aussicht gestellt hatte, damit Frankreich sich aus der Sache heraushielt und sich nicht auf die Seite Österreichs schlug, welches ihm die Rheingrenze, mindestens aber die Festungen Luxemburg und Landau in Aussicht gestellt hatte, derart verhalten, dass er das Kräfteverhältnis auf dem Kontinent zu Frankreichs Nachteil einseitig beeinflusst hatte. Hinzu kommt dann noch die berüchtigte Emser Depesche, die nicht nur, wie allgemein bekannt die französische Forderung zum ewigen Verzicht des Hauses Hohenzollern auf eine Thronkandidatur in Spanien ablehnte, sondern dies in durch Bismarck fingierter Weise förmlich auch in einer Art tat, dass dies in Frankreich als diplomatische Beleidigung aufgefasst werden musste.

Nun ist es richtig, nicht Preußen hat Frankreich die Krieg erklärt, sondern umgekehrt, nur hat Bismarck mit seinem Handeln in diesen beiden Fällen diverse Traditionen der europäischen Diplomatie, im Sinne der kontinentalen Machtverteilung des Wiener Systems mit Füßen getreten und die förmlichen Regeln der Diplomatie gleich mit und an beiden Punkten hätte er, wäre er gewillt gewesen einen Krieg mit Frankreich in jedem Fall zu vermeiden andere Handlungsoptionen gehabt, indem man sich mit frankreich wegen entsprechender Kompensationen hätte einigen können, ebenso, wie man hätte versuchen können sich in der Frage der spanischen Thronfolge zu arrangieren, in dam man das französische Ersuchen entweder akzeptiert oder aber es in freundlichem Ton zurückgewiesen, der Deeskalation wegen aber einen den franzosen genehmen Kompromiskandidaten hätte vorschlagen können. Zudem hätte er wenn er eine Eskalation im Verhältnis zu Frankreich um jedem Preis hätte verhindern wollen auch seine Versuche einer Integration der süddeutschen Staaten in den norddeutschen Bund unterlassen können, denn dass Frankreich das seiner Machtposition wegen nicht hinnehmen würde, zumal nachdem man ihm bereits mit Luxemburg und der Wallonie die ersehnte Kompensation für die Liquidierung und Annexion der norddeutschen Kleinstaaten verweigert hatte, war in der Langzeitperspektive völlig abzusehen.

Das die Franzosen diesen Krieg vom Zaun brachen wird nirgendwo bestritten, ebensowenig, wie in seriöser Literatur zum Thema bestritten wird, dass die maßgeblich von französicher Seite her mitverursachten Kriesen 1840 und 1860 Frankreich als agressive Macht mit Expansionsdrang in Richtung Rhein erschin und dieses Klima zu Preußens unversönlicherer Haltung im Bezug auf luxemburg und die spanische Kandidatur beigetragen haben mag. Demnach wird in jeder vernünftigen, wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema (und in aller Bescheidenheit, ich kenne einige Bände dazu, weil das eines meiner Studienfächer betrifft) wird die französische Verantwortung für den Krieg keineswegs bestritten, unbestreitbar ist allerdings auch, dass nicht nur derjenige einen Teil der Verantwortung trägt, der auf den roten nopf gedrückt hat, sondern eben auch der, der es hätte verhindern können, stattdessen aber dazu angestachelt hat es zu tun und das hat Bismarck und der Preußische Staat durch die Annexion Hannovers, Hessen-Kassels, Frankfurts, Hessen Nassaus (Vorrausgehend noch Schleswigs, Holsteins und Lauenburgs)und das Hinauswerfen Österreichs aus dem deutschen Raum und damit verbunden der Aufkündigung des durch den Wiender Vertrag von 1815 zustandegekommenen Kräftekompromisses sehr deutlich getan.

Insofern ist die Frage eigentlich unsinnig, da sie nicht der Faktenlage entspricht, wohingegen die tatsächliche Historiographie diese Dinge durchaus etwas differenzierter sieht.

Als beispielhaftes Werk hierzu wäre z.B. folgendes zu empfehlen:

Canis, Konrad: Bismarcks Außenpolitik 1870-1890, Band 6, Aufstieg und Gefährdung, 2. durchgesehene Auflage, Paderborn/München/Wien/Zürich, 2008.

Dor heißt es z.b. auszugsweise zu dieser Thematik:

"Weil die Gegesätze zwischen Frankreich und Preußen so tief saßen, konnte im Juli 1870 aus der spanischen Thronkandidatur eines hohenzollerschen Prätendenten der Krieg entstehen. Allerdings: verantwortlich dafür, ihn herbeigeführt zu haben, war die französische Führung. Frankreich wollte die eigene Vormacht auf dem Kontinent behaupten und deshalb den preußisch-deutschen Nationalstaat verhindern; das hat den Krieg  letztlich ausgelöst. Doch wenn ihn Bismarck auch nicht bewußt inszeniert hat, ist er ihm nicht nur nicht ausgewichen, sondern er nahm den Faden bereitwillig auf. Der Krieg bot ihm die Chance, gerade den Vorgang zu beschleunigen, den Napoleon aufzuhalten versuchte."

(oben genanntes Werk S.36-37)

Wie die stelle zeigt:
Es ist durchaus nicht omnipräsentie und schon gar nicht wissenschaftliche Meinung, Bismack oder Preußen wären für diesen Krieg allein oder hauptverantwortlich gewesen. Das befreit, wenn die Hauptlast der Verantwortung auch sicherlich auf französischer Seite lag aber nicht von einer gewissen Mitverantwortung, die man sich preußischerseits und damit auch von Bismarck'scher Seite damit auflud den europäischen Kompromiss von 1815 einseitig über den Haufen zu werfen und damit nachgerade eine Auseinandersetzung, zumal man dieses Werk noch dadurch Krönte die eigenen Wegbereiter (Preußen hätte den Krieg gegen Österreich klar verloren, wenn Frankreich sich auf Seiten der süddeutschen Staaten eingeschaltet hätte) nicht zu entschädigen und sie gleichzeitig noch diplomatisch zu beleidigen.
Das ist gängige Ansicht hierzu und nach historischer Faktenlage auch vollkommen korrekt.

Ich weiß ja nicht, wo du nun ständig mit der Kriegsschuldfrage des Deutsch-Französischen Krieges konfrontiert wirst, aber die übliche Lesart ist wesentlich weniger dramatisch, als du hier schilderst.

Es ist unbestritten, dass Napoleon III. die Kriegserklärung abgegeben hat und den Krieg wollte. Ebenso ist es aber unbestritten, dass auch Bismark an einer militärischen Eskalation des Konfliktes interessiert war.

Der Krieg heißt übrigens im Französischen "Guerre franco-allemande" und im Englischen "Franco-Prussian War", was nicht ganz zu deiner Theorie von der impliziten Kriegsschuldzuweisung über die Benennung passt.

SRRGW 
Fragesteller
 12.10.2017, 17:27

Ich weiß es doch, dass das Ausland netter zu Deutschland ist als das Deutsche Volk selber. Aber das Bismarck daran interessiert war stimmt nicht. Er glaubte immernoch, dass Frankreich mächtiger wäre. Deshalb hat er auch Millionen an Bayern gespendet um es etwas gefügiger zu machen und über einen Beitritt zum Norddeutschen Bund nachzudenken. Hätte er es mit Krieg lösen wollen hätte er nicht Millionen über Millionen (was damals noch sehr sehr viel war) dafür ausgegeben.

Aber wenn im ZDF mal wieder sowas läuft und deutsche Historiker darüber reden, dass im Grunde wir ja sooo provoziert hätten mit dem Spanischen Thron muss ich nach 10 Minuten abschalten weil mir schlecht wird.

Ich habe auch mal eine französische Doku gesehen die ins Deutsche Übersetzt war und die haben unumwunden zugegeben, dass uns keine Schuld trifft. Ja gut die haben auch kein so psychisch krankes verhältnis zur Geschichte wie wir und schämen sich nicht für jeden Grashalm der damals bei ihnen schief wuchs.

Wir stürzen uns ja auf alles was wir angeblich falsch gemacht haben sollen und suchen NUR die negativen Beispiele in der Geschichte und übertreiben diese noch und die positiven wenn sie mal angesprochen werden, werden sie verharmlost und gesagt ja gut... aber so toll war unsere leistung auch nicht blabla...

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Ansegisel  12.10.2017, 20:02
@SRRGW

Der Deutsch-Französische Krieg wurde schon von den deutschen Zeitgenossen so genannt. Da hat sich niemand später eine neue Bezeichnung ausgedacht, um erzieherisch tätig zu werden.

Und ein Krieg mit Hunderttausenden Toten ist auch kein schief gewachsener Grashalm. Da darf man schon mal kritisch die Ursachen hinterfragen. Geschichtswissenschaft ist schließlich keine patriotische Wunschveranstaltung.

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dataways  12.10.2017, 20:13
@SRRGW

Aber das Bismarck daran interessiert war stimmt nicht. Er glaubte immernoch, dass Frankreich mächtiger wäre.

Bismarck hatte einen Masterplan und er wusste zu jeder Zeit, was er tat und was er wollte. Er kalkulierte immer die Risiken eines Krieges ein. Im preußisch-französischen Krieg wäre er im Falle einer Niederlage bereit gewesen, alle Gebiete links des Rheins Frankreich zu überlassen. Auch achtete er sorgsam darauf, dass nach dem Krieg 1871 keine rein französischsprachigen Gebiete dem Reich einverleibt wurden. Die rein französischen Teile der Provence Alsace wie die Industriestadt Nancy und die westliche Lorraine (Champagne) blieben französisch.

Der Krieg Preussen gegen Österreich war kein Primärziel Bismarcks, sondern eher der Überheblichkeit Österreichs geschuldet. Die Habsburger hätten sich 1865 vielleicht daran erinnern sollen, dass sie ihr Reich oft durch Heirat aber selten durch Kriege vergrößern konnten.

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Wo ist denn deine Quelle? Ich hab eine solche Schuldzuweisung noch nie gesehen.

Der Stellenwert der Emser Depesche ist darin begründet, das Bismarck wirklich alle Züge brilliant gespielt hat. Und anders als Napoleon III. war er Herr der Situation. Napoleon III. wollte keinen Krieg; davon hatte er z.B. auf der Krim und in Mexiko genug gehabt. Er hatte nach Jahrzehnten autoritären Herrschens sein Parlament gestärkt und die Presse befreit, was ja wirklich löblich ist. Aber genau von diesen beiden Systemen bekam er Druck. Die französische Öffentlichkeit hatte eine hohe Meinung von den Fähigkeiten der eigenen Armee und war in ihrem Patriotismus sehr leicht zu empören und somit rasch kriegsbereit. Bismarck kürzte die Depesche daher bewusst, weil er wusste, wie die französische Presse reagieren und dass sie Napoleon in den Krieg zwingen würde.

Frankreich hatte zu diesem Zeitpunkt tatsächlich die nominell stärkste Armee der Welt. Dass Bismarck gegen einen solchen Gegner zur  Konfrontation bereit war, zeigt, dass er wirklich einen klaren Plan hatte. Naja, den hatten die Deutschen 1870  tatsächlich, die hatten ja sogar schon die Eisenbahnfahrpläne für den Feldzug fertig^^