Französisch-Deutscher Krieg 1870/71?

Kann mir jemand erklären warum beim Französisch-Deutschen Krieg die Schuld auf Bismarck (Deutschland/Preußen) geschoben wird? Also wir sind ja eh für alles in der Geschichte 100% schuld wo wir eigentlich nur 10, 20 oder 30% Schuld haben aber bei dem Französisch-Deutschen Krieg 1870/71 ist es doch so eindeutig und Frankreich erklärte den Krieg. Napoleon III. erklärte stolz, dass das Rheinland bald französisch sein würde und Frankreich gab die Kriegserklärung ab. Trotzdem wird dieser Krieg allgemein in 99% der Fälle Deutsch-Französischer Krieg genannt obwohl der Aggressor zu erst steht. Alle die meinen Ahnung zu haben sagen ja immer "Aber Bismarck und die Depesche blabla". Was geschah denn? Die Spanische Monarchie bot einem Hohenzollern (Preußische Königsfamilie) den Thron in Spanien an. Wilhelm König von Preußen war sehr angetan aber Napoleon war innenpolitisch angeschlagen. Napoleon machte extremen Krawall und forderte, dass der Hohenzollern ablehnt. Das tat er. Das war Napoleon plötzlich nicht mehr genug und er forderte nun noch zusätzlich auf den spanischen Thron für alle Ewigkeit zu verzichten. Daraufhin wurde eine Nachricht angefertigt, Bismarck kürzte sie (nicht fälschte sondern KÜRZTE) und es hieß dann nur noch man habe Frankreich nichts weiter mitzuteilen. Also nachdem Preußen Frankreich entgegengekommen war indem es auf das Angebot Spaniens verzichtete machte Napoleon weiter Stress und Preußen schickte mit der gekürzten Emser Depesche die Nachricht nach dem Motto "Lasst uns in Ruhe". Darauf hin erklärte Frankreich den Krieg wurde phänomenal geschlagen, wir halten uns das Elsaß und Deutschlothringen zurück und alle Deutschen die unter französicher Fremdherrschaft standen wurden befreit und Teil des ersten Deutschen Staates. Warum wird selbst bei dieser eindeutigen Sache so gelogen und uns die Schuld angelastet? Irgendwann reicht es doch mal!

...zur Frage

So wie du das darstellst ist das schlicht und ergreifend nicht der Fall.

Bismarck wird in der Regel eine gewisse Mitschuld, keineswegs eine Alleinschuld an diesem Krieg attestiert, wenn man in irgendeiner Form ernsthafte Literatur heranzieht. Das lässt sich insofern begründen, dass Bismarck, wie weit genau er ging ist umstritten, durch sein Verhalten jedenfalls bereit war Frankreich zu diesem Krieg zu provozieren obwohl er durchaus auch die Möglichkeit gehabt hätte, die Situation herunter zu kochen.
Er hat diesen Krieg also nicht selbst losgetreten, dass wird auch in keiner seriösen Literatur behauptet, er hat aber auch so gar nichts getan um die Eskalation dieses Konfliktes zu verhindern.

Bismarck selbst hat sich durch sein verhalten in der Luxemburgkriese, als er 1967 Frankreich eine Annexion Luxemburgs als machtpolitischem Ausgleich für die Preußische Annexion des Kgr. Hannovers, Kurhessens und Hessen-Nassaus verwehrte, obwohl er sehr wahrscheinlich während des krieges gegen Österreich Kompensationen in Aussicht gestellt hatte, damit Frankreich sich aus der Sache heraushielt und sich nicht auf die Seite Österreichs schlug, welches ihm die Rheingrenze, mindestens aber die Festungen Luxemburg und Landau in Aussicht gestellt hatte, derart verhalten, dass er das Kräfteverhältnis auf dem Kontinent zu Frankreichs Nachteil einseitig beeinflusst hatte. Hinzu kommt dann noch die berüchtigte Emser Depesche, die nicht nur, wie allgemein bekannt die französische Forderung zum ewigen Verzicht des Hauses Hohenzollern auf eine Thronkandidatur in Spanien ablehnte, sondern dies in durch Bismarck fingierter Weise förmlich auch in einer Art tat, dass dies in Frankreich als diplomatische Beleidigung aufgefasst werden musste.

Nun ist es richtig, nicht Preußen hat Frankreich die Krieg erklärt, sondern umgekehrt, nur hat Bismarck mit seinem Handeln in diesen beiden Fällen diverse Traditionen der europäischen Diplomatie, im Sinne der kontinentalen Machtverteilung des Wiener Systems mit Füßen getreten und die förmlichen Regeln der Diplomatie gleich mit und an beiden Punkten hätte er, wäre er gewillt gewesen einen Krieg mit Frankreich in jedem Fall zu vermeiden andere Handlungsoptionen gehabt, indem man sich mit frankreich wegen entsprechender Kompensationen hätte einigen können, ebenso, wie man hätte versuchen können sich in der Frage der spanischen Thronfolge zu arrangieren, in dam man das französische Ersuchen entweder akzeptiert oder aber es in freundlichem Ton zurückgewiesen, der Deeskalation wegen aber einen den franzosen genehmen Kompromiskandidaten hätte vorschlagen können. Zudem hätte er wenn er eine Eskalation im Verhältnis zu Frankreich um jedem Preis hätte verhindern wollen auch seine Versuche einer Integration der süddeutschen Staaten in den norddeutschen Bund unterlassen können, denn dass Frankreich das seiner Machtposition wegen nicht hinnehmen würde, zumal nachdem man ihm bereits mit Luxemburg und der Wallonie die ersehnte Kompensation für die Liquidierung und Annexion der norddeutschen Kleinstaaten verweigert hatte, war in der Langzeitperspektive völlig abzusehen.

Das die Franzosen diesen Krieg vom Zaun brachen wird nirgendwo bestritten, ebensowenig, wie in seriöser Literatur zum Thema bestritten wird, dass die maßgeblich von französicher Seite her mitverursachten Kriesen 1840 und 1860 Frankreich als agressive Macht mit Expansionsdrang in Richtung Rhein erschin und dieses Klima zu Preußens unversönlicherer Haltung im Bezug auf luxemburg und die spanische Kandidatur beigetragen haben mag. Demnach wird in jeder vernünftigen, wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema (und in aller Bescheidenheit, ich kenne einige Bände dazu, weil das eines meiner Studienfächer betrifft) wird die französische Verantwortung für den Krieg keineswegs bestritten, unbestreitbar ist allerdings auch, dass nicht nur derjenige einen Teil der Verantwortung trägt, der auf den roten nopf gedrückt hat, sondern eben auch der, der es hätte verhindern können, stattdessen aber dazu angestachelt hat es zu tun und das hat Bismarck und der Preußische Staat durch die Annexion Hannovers, Hessen-Kassels, Frankfurts, Hessen Nassaus (Vorrausgehend noch Schleswigs, Holsteins und Lauenburgs)und das Hinauswerfen Österreichs aus dem deutschen Raum und damit verbunden der Aufkündigung des durch den Wiender Vertrag von 1815 zustandegekommenen Kräftekompromisses sehr deutlich getan.

Insofern ist die Frage eigentlich unsinnig, da sie nicht der Faktenlage entspricht, wohingegen die tatsächliche Historiographie diese Dinge durchaus etwas differenzierter sieht.

Als beispielhaftes Werk hierzu wäre z.B. folgendes zu empfehlen:

Canis, Konrad: Bismarcks Außenpolitik 1870-1890, Band 6, Aufstieg und Gefährdung, 2. durchgesehene Auflage, Paderborn/München/Wien/Zürich, 2008.

Dor heißt es z.b. auszugsweise zu dieser Thematik:

"Weil die Gegesätze zwischen Frankreich und Preußen so tief saßen, konnte im Juli 1870 aus der spanischen Thronkandidatur eines hohenzollerschen Prätendenten der Krieg entstehen. Allerdings: verantwortlich dafür, ihn herbeigeführt zu haben, war die französische Führung. Frankreich wollte die eigene Vormacht auf dem Kontinent behaupten und deshalb den preußisch-deutschen Nationalstaat verhindern; das hat den Krieg  letztlich ausgelöst. Doch wenn ihn Bismarck auch nicht bewußt inszeniert hat, ist er ihm nicht nur nicht ausgewichen, sondern er nahm den Faden bereitwillig auf. Der Krieg bot ihm die Chance, gerade den Vorgang zu beschleunigen, den Napoleon aufzuhalten versuchte."

(oben genanntes Werk S.36-37)

Wie die stelle zeigt:
Es ist durchaus nicht omnipräsentie und schon gar nicht wissenschaftliche Meinung, Bismack oder Preußen wären für diesen Krieg allein oder hauptverantwortlich gewesen. Das befreit, wenn die Hauptlast der Verantwortung auch sicherlich auf französischer Seite lag aber nicht von einer gewissen Mitverantwortung, die man sich preußischerseits und damit auch von Bismarck'scher Seite damit auflud den europäischen Kompromiss von 1815 einseitig über den Haufen zu werfen und damit nachgerade eine Auseinandersetzung, zumal man dieses Werk noch dadurch Krönte die eigenen Wegbereiter (Preußen hätte den Krieg gegen Österreich klar verloren, wenn Frankreich sich auf Seiten der süddeutschen Staaten eingeschaltet hätte) nicht zu entschädigen und sie gleichzeitig noch diplomatisch zu beleidigen.
Das ist gängige Ansicht hierzu und nach historischer Faktenlage auch vollkommen korrekt.

...zur Antwort