Frage zum Parteienstreit Brahms vs. Liszt?

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Es ist erst später ein "Streit" der Brahms-Anhänger gegen die Anhänger Wagners und Liszts geworden. Der Ausgangspunkt war, dass nach dem Tod Beethovens (1827) in den 1830ern und 40ern zwar noch viele -seinerzeit auch sehr erfolgreiche- Sinfonien komponiert wurden (z.B. von Spohr, Lachner, Kalliwoda, Kittl u.a.), aber dass man zugleich merkte, dass man an Beethovens überragende Sinfonik nicht anschließen konnte und schon gar nicht darüber hinaus gehen konnte, im Sinne einer "Weiterentwicklung der Musikgeschichte".

Daher glaubte man um 1850 vielfach, man sei mit der Sinfonie als Gattung am Ende und es könne mit der Sinfonie nicht mehr weitergehen. Auf diesem Nährboden entwickelte Franz Liszt, ausgehend von der programmatischen Sinfonik von Hector Berlioz (v.a. Symphonie fantastique und Harold en Italie) seine Ideen über die Sinfonische Dichtung (vgl. Liszts Aufsatz "Hector Berlioz und seine Harold-Sinfonie, 1852). Hierin wird die Sinfonische Dichtung als neue sinfonische Großform entwickelt.

Zwar wollte Liszt damit eine neue Gattung etablieren, aber nicht die traditionelle romantische Sinfonie ersetzen. Aber im Zuge des sich verschärfenden Parteienstreits zwischen den "Neudeutschen" um Wagner und Liszt und den "Traditionellen" hat sich die ästhetische Diskussion zugespitzt und radikalisiert.

Brahms, der (erst) 1877 seine erste Sinfonie vollendet hat, wurde mehr oder weniger unfreiwillig zur Symbolfigur für die Traditionalisten. Als ein überragender Komponist, der durch seine Musiksprache, vor allem im Bereich der Melodik und Form, einen teilweise sehr fortschrittlichen Ansatz bei einer gleichzeitig anti-programmatischen und traditionalistischen Musikauffassung verfolgte, war, weit mehr noch als Schumann, ein Komponist, dessen Sinfonik man als wirkliche Weiterentwicklung der Gattung nach Beethoven verstand. Der Dirigent Hans von Bülow bezeichnete Brahms Erste daher einmal als "Beethovens Zehnte".

Tatsächlich hat also Liszt eine weitere sinfonische Gattung begründet, die von verschiedenen Komponisten im Umfeld von Liszt und Wagner (z.B. Strauss, Hausegger) gepflegt wurde, während zugleich auch nicht-programmatische, "traditionelle" Sinfonien (Brahms, Bruckner, Mahler u.a.), und ebenso auch Mischformen zwischen Sinfonie und sinfonischer Dichtung (z.B. Raff) komponiert wurden.

Oh, da war was... wie lange ist das her... Aber wo Du es gerade schreibst, entsinne ich mich ganz schwach.

Brahms war zeitlebens konservativ. Seine Harmonik war der Dur-Moll-Tonalität verbunden, er hat sie erweitert und ausgereizt, jedoch nie verlassen.
Seine Sinfonien folgten bis zuletzt dem klassischen Prinzip der Sinfonie.

Liszt war progressiv, wie man so sagt ein 'Neutöner'. Er war auch noch weitgehend der Dur-Moll-Tonalität verbunden, hat jedoch auch oft frei-tonale Ansätze gehabt. Er war einer der Wegbereiter des Impressionismus.
Er neigte auch mehr zu freien Formen wie der Rhapsodie oder Tondichtung. Seine Sonaten und Sinfonien sind weit von den klassischen Vorbildern entfernt.