frage zum film "das weiße band"

4 Antworten

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Es bleibt in der Tat offen, wer der oder die Täter waren. Einiges deutet auf die Kinder, aber auch die Geliebte des Arztes hätte Motive, der Arzt selbst ebenfalls, außerdem der Gutsverwalter nach seiner Zurückweisung usw. Vielleicht wurden verschiedene Taten von verschiedenen Täter begangen. Es gab da ja ein ganzes System von Unterdrückung, Rache und Schweigen.

es bleibt absichtlich offen wer die Täter sind, aber alles deutet auf die Kinder

Pfannekucken3 
Fragesteller
 04.11.2010, 15:31

joar...aber vllt steht ja im drehbuch oder so wer der täter ist...ich mein der autor(falls es ein buch gibt) muss es doch eigl wissen....aber dnke...kann mir aber kaum vorstellen dass kinder so was machen xDDD aber deutet echt alle auf sie

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user883569  04.11.2010, 15:35
@Pfannekucken3

und genau darum gehts im Film: Keiner kann es sich vorstellen, darum bleiben die Taten auch ungesühnt. Aber wenn du den Film richtig guckst, dann weisst du das es die Kinder sind, und auch dass sie alles andere als Unschuldslämmer sind. Und wenn man Bedenkt, dass der Film um 1914 spielt und die Kinder genau die Generation ist, aus denen sich die Faschisten und Nazis rekrutieren werden - dann erklährt sich so einiges vom Film

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Haneke klärt den Fall nicht auf wie einen "Tatort" oder "Wallander". Am Schluss merkt der Zuschauer aber, dass der Dorflehrer scharf kombiniert und kurz vor der Aufklärung steht, durch die ihm allein die Verstocktheit der Pfarrerskinder Klara und Martin sowie die Porzellanservice-dekorierte Förmlichkeit der Pfaffengattin einen Strich macht.

Bis dahin hat der Lehrer bereits unwiderleglich "ermittelt", dass die letzten Begleiter Siggis vor seiner Schändung die Kinder waren; und dass das Mädchen ihre Vision nicht geträumt, sondern mitgeteilt bekommen hatte. Auch das Drahtseil gegen den Doktor weist wohl unstreitig auf Klaras diabolische Erfindungskraft hin - Klara, die eine Führungsrolle in der Kinderclique der Dorfgemeinschaft einnahm. Wozu sie fähig war, zeigt der Film unverhohlen beim Attentat gegen "Piepsi", den Piepmatz des Pfaffen.

Nun kommt es am Schluss doch noch zu einer überraschenden Wendung: Die missbrauchte Hebamme macht sich aus dem Staub; der Doktor und Karli sind verschwunden. Vermutlich hat der Doktor Karli zu Tode behandelt, und seine gedemütigte Dienerin hat ihn dafür umgebracht und entsorgt. Es mag aber auch sein, dass der Doktor einfach abgehauen und Karli durch seine verzweifelte Mutter zu Tode gekommen ist.

Das Stilmittel der Ungewissheit gibt diesem Film eine besondere Qualität. Es regt beim Zuseher Reflexionen an, im Zuge derer dann die scharf herausgearbeiteten Konfliktlinien und seelischen Verheerungen sichtbar werden: Der sexualneurotische Pfaffe, der den Wald des Bösen vor lauter Tugendbäumen nicht sehen will; der seinem Sohn die Sexualität abspalten will, obwohl der tatsächlich die erlebten Verbrechen nicht verarbeiten kann. Seine Tochter Klara, die sich zu einem diabolisch-durchtriebenen Miststück entwickelt, was der Pfaffe aber zu verstehen unfähig bleibt. Auch der ältere Sohn des Verwalters steckt voller unterdrückter Aggressionen.

Der Lichtblick im Personaltableau ist der sanftmütige und aufrichtige Lehrer, der als einziger zu brauchbaren Erkenntnissen gelangt, obwohl er sie gar nicht mit aller Macht erheischt.

Der historische Kontext verortet das Geschehen am Vorabend des Ersten Weltkrieges; und zu jener Zeit, kunsthistorisch "Fin de Siècle", "Belle Époque" und "Jugendstil", wütete im Deutschen Reich seit der Gründerzeit die Schwarze Pädagogik. Besonders schlimm wütete sie im Dunstkreis der Evangelischen Kirche - dort potenziert durch neurotische Sexualfeindschaft. Das Abtöten natürlicher menschlicher Empfindungen - nicht der Schlaf der Vernunft - gebar Monster, die Hitler ins Amt hievten und als Massenmörder und Greueltäter Karriere machen konnten. Und auch nach der Katastrophe des Völkermordes ging das Grauen in evangelischen kirchlichen Kinderheimen bis in die Siebziger Jahre hinein weiter.

questionner001  15.03.2018, 17:08

Aber wie kommst du darauf, dass Karli tot ist?

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Es ist richtig, dass eine Gruppe von Kindern dahinter steckt, angeführt von den älteren Pfarrerskindern, besonders der ältesten Tochter. Der Grund für die Anschläge ist, dass durch die seelisch und körperlich sehr nachhaltigen (mal vorsichtig ausgedrückt) Erziehungsmethoden die Kinder die ihnen vermittelten Werte, z. B. aus der Bibel, so verinnerlicht haben, dass dies die absolute Wahrheit für sie ist.

Nun stellen sie aber fest, dass die Menschen, die Eltern, die eigenen Eltern, die anderen Kinder - also dass praktisch alle Menschen gegen diese Ideale verstoßen und Fehler machen. Die Kinder erzählen sich alles und kennen deshalb alle Familiengeheimnisse.

Weil sie sehr jung sind und aus ihrem kleinen Dorf nie herausgekommen sind wissen die Kinder nichts von der Welt und den Menschen und wissen auch nicht, das kein Mensch vollkommen ist. Die Kinder beschließen, die fehlerhaften Menschen zu bestrafen - durch terroristische Aktionen, so wie bei ihnen selbst auch jeder kleine Fehler mit Härte bestraft wurde. Der bestrafte Mensch ist durch das Erleiden der Strafe sozusagen wieder "sauber". 

Es ist die Ansicht des Regisseurs Michael Haneke, dass durch diese Art Erziehung junge und ahnungslose Menschen zu Terroristen gemacht werden können. Gleichzeitig muss man bedenken, dass diese Kinder als Erwachsene Hitlers Aufstieg und das Dritte Reich möglich gemacht haben. Haneke will zeigen, dass besonders die Religion sich für die Erziehung zum Terroristen eignet. Es wäre nun billig, sich dabei wieder einmal auf den Islam zu konzentrieren. Statt dessen ist es Hanekes Anliegen, zu zeigen dass sich jede Religion, wenn man ihre Aussagen wörtlich nimmt, dazu eignet.

Ähnlich wie bei den Verbrechen des Dritten Reiches gibt es in dem Film wenige oder gar keinen "Alleinschuldigen" sondern die Gruppe denkt sich die terroristischen Anschläge aus und begeht sie.