Frage an Juristen, wie ist hier das Verhältnis?
Ich schreibe eine Hausarbeit, StrafR I, es geht um das Tätowieren Minderjähriger. Eine 14-Jährige lässt sich, von einer qualifizierten Fachkraft, gegen den Willen der Eltern tätowieren. Nach § 228 StGB wäre sowas ja eigentlich möglich, weil die Minderjährige es ja wollte, aber muss man trotzdem sagen, dass es eine Körperverletzung ist, weil man mit 14 noch nicht alle Folgen überdenken kann etc., oder ist die Tätowierung gerechtfertigt gem. § 228 StGB?
Ich würde sagen, die Einsichtsfähigkeit lag nicht vor, da man mit 14 noch nicht weiss, welche Folgen das hat und, dass es vielleicht eher eine "Affekthandlung" war, weil es ihr am nächsten Tag gar nicht mehr gefällt?
Sachverhalt:
Die 23-jährige Lydia (L) eröffnete bereits mit 21 Jahren ihr eigenes Tattoostudio. In nur zwei Jahren hat sie sich einen Ruf als talentierte und sorgfältig arbeitende Tätowiererin in der Szene erarbeitet. Das hat auch die 14-jährige Samira (S) mitbekommen, die es kaum erwarten kann, sich endlich ihr erstes Tattoo stechen zu lassen. Als Motiv hat sie sich einen Mantarochen ausgesucht, den sie sich auf den Rücken stechen lassen will. Seit sie die Tiere beim Tauchen im Jahr zuvor gesehen hat, fühlt sie sich ihnen besonders verbunden. Weil sich ihre Eltern strikt gegen eine solche „Verunstaltung des Körpers“ aussprechen, Samira das Tattoo aber unbedingt haben will, macht sie kurzerhand heimlich einen Termin bei L aus. Vorher hat sich S auch bereits über den Vorgang des Tätowierens informiert, bei dem die Tattoo-Farbe mit speziellen Nadeln bis zu zwei Millimeter tief unter die obere Hautschicht eingestochen wird, was schmerzhaft sein kann und im Nachgang die Haut zum Anschwellen bringen und sich wie kleine Entzündungen verhalten kann. Bei dem Termin wird S von L insbesondere darüber ordnungsgemäß aufgeklärt. Neben dem Ablauf und den Folgen informiert L die S auch über die Kosten und den hohen Aufwand einer möglichen Entfernung des Tattoos. S lässt sich das Tattoo stechen und geht im Anschluss glücklich aus dem Studio.
Als Lydia am nächsten Tag zum Tattoostudio geht, trifft sie vor dem Studio die wutentbrannten Eltern mit ihrer Tochter S an. Der Vater wirft L vor: „Dass Sie sich nicht schämen! Ein so junges Mädchen zu tätowieren, verstößt doch gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.“ Auch bei S selbst ist die Begeisterung verflogen, da ihre Freunde von dem Tattoo nicht so begeistert waren, wie sie gehofft hatte. Bevor die Eltern ihre Ankündigung, die Polizei zu rufen, in die Tat umsetzen können, kommen mehrere Polizeibeamt*innen und nehmen L wegen der Geschehnisse vom Vortag fest.
5 Antworten
Prüfe den Parallelfall des Par. 142 StGB, bei dem ein Minderjähriger im Straßenverkehr verletzt wird und sich mit dem Entfernen von der Unfallstelle durch den Unfallverursacher einverstanden erklärt und auf die Hinzuziehung der Polizei verzichtet. Da wirst Du fündig.
Achso, aber mit 14 ist man meiner Meinung nach nicht fähig dazu, alle Folgen und Risiken weitgehend zu überdenken ?
Natürlich nicht, aber es ist aus dem Empfängerhorizont, mithin aus Tätersicht zu prüfen. Wie gesagt: Schaue Dir die Rechtsprechung diesbezüglich bei Verkehrsunfällen mit Minderjährigen an. Wenn der erwachsene Kraftfahrer auf die Erklärung des minderjährigen Opfers, er könne fahren, es sei ja nichts passiert, vertraut, kann das böse enden, wenn dann die Erziehungsberechtigten eine Strafanzeige erstatten.
Na so "talentierte und sorgfältig" kann L. nicht sein, wenn sie ne 14 jährige sticht ;-)
Darüber hinaus gibt es erst ein "Verbrechen" wenn die Minderjährige preisgibt, wo (und vom wem) es gemacht wurde.
Desweiteren sieht die Situation schon wieder anders aus, wenn sich Minderjährige selber tätowieren (Eigenverletzung <--> Körperverletzung dritter).
Und das Alter (wann man sich tätowieren lassen darf) wurde rechtlich nicht festgelegt. Das Alter "18 Jahre" wurde in einem sozialen Handschlag so beschlossen, weil sich alle darüber einig sind, das es sinnvoll ist.
Ich hab mir meine ersten Tattoos mit 13 selber gestochen, und das ist später zum Beruf beworden btw... mach das seit mittlerweile 33 Jahren.
So kann es auch laufen... das man "Kindern" (wann ist man heutzutage noch ein Kind?) eine potentielle Berufliche Laufbahn durch altmodischen moralischen Quatsch verbaut (wie in deinem Beispiel oben).
228 geht durch, keine strafbare KV. Hier ist ja genau geschildert was sie gemacht hat und scheinbar wurde nichts ausgelassen.
Bei
Auch bei S selbst ist die Begeisterung verflogen
stellt sich allerdings die Frage, ob die Einsicht in die Konsequenzen der gegebenen Einwilligung vorhanden und die Fähigkeit dazu gegeben war.
Der Sachverhalt gibt doch schon einen Hinweis auf die Lösung: Der Vater spricht vom Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Er will damit sagen: Selbst wenn es eine Einwilligung gab, sie war sittenwidrig!
Hier sollte der Schwerpunkt der Prüfung liegen! Das die 14-jährige einsichtsfähig ist, daran bestehen mE wenig Zweifel. Aber war die Einwilligung in die KV sittenwidrig?
Hierüber kann man bestimmt vortrefflich streiten, was meinst du?
In Belgien und der Schweiz wäre der Fall ganz legal, weil man dort nur urteilsfähig sein muss, und das wird im Allgemeinen ab der 6. Klasse Primarschule unterstellt.
In Deutschland leider nicht, weil man hier unter 18 nicht allein einwilligen kann.
Festgenommen würde aber auch in Deutschland wegen sowas niemand. Die Eltern könnten zwar Anzeige erstatten, dann würde die Polizei entweder ins Studio kommen, oder die Tätowierin würde vorgeladen und könnte sich zur Sache äussern oder auch nicht.
Wenn sie es nur einmalig oder alle Jahre mal mach wird es aber mangels öffentlichem Intresse eingestellt. Nur wenn sie es häufger machen würde bzw. häufiger deshalb angezeigt würde, dann würde es wahrscheinlich eine Geldstrafe geben. Und in besonders krassen Fällen, wenn sie z.B. 20x angezeigt würde das sie Minderjährige ohne Zustimmung der Eltern tätowiert hat, könnte ihr das Gewerbe auch komplett untersagt werden.
Bin kein Jurist, habe mich aber mit den rechtlichen Aspekten des Tätowierens durchaus beschäftigt.
§228 StGB kann hier nicht angewendet werden, da S. mangels Volljährigkeit überhaupt nicht in der Lage ist, eine rechtswirksame Einwilligungserklärung abzugeben. Eine solche rechtswirksame Einwilligung können ausschließlich die Erziehungsberechtigten abgeben. Insofern trifft L. die volle Härte von §226 (1) Satz 3 in Verbindung mit (2).
dürften sie eine Minderjährige ohne Einverständnis der Eltern tätowieren
Das Problem liegt vor allem darin, dass das Gesetz keine konkrete Altersbeschränkung vorsieht. Entscheidend ist letztlich die "geistige Reife", ob eine Einwilligungserklärung eines Minderjährigen rechtlich anerkannt wird oder nicht. Aber wie soll der Tätowoerer die geistige Reife überprüfen und sieht das ein Richter eventuell ganz anders? Sofern keine Einwilligungserklärung der Eltern vorliegt, muss der Tätowierer jederzeit damit rechnen, von den Eltern eines tätowierten Minderjährigen wegen Körperverletzung angzeigt zu werden. Da die Gerichte zunächst in der Regel davon ausgehen, dass genügend geistige Reife erst mit der Volljährigkeit vorhanden ist, müsste der Tätowierer im konkreten Fall nachweisen, dass die bei einem tätowierten Minderjährigen auch schon vor der Vollljährigkeit vorlag und das wird sehr schwierig.
Insofern begibt sich eine Tätowierer auf ganz dünnes Eis, wenn er Minderjährige ohne Einwilligung der Eltern tätowiert, weshalb das seriöse Tätowierer auch grundsätzlich ablehnen. Neben der strafrechtlichen Ahndung könnte das nämlich auch erhebliche Schadensersatzforderungen nach sich ziehen, die ihn in den Ruin treiben könnten.
was sagt mir das über das tätowieren