Findet ihr die Aussage "Das in welcher Sprache man denkt hat Einfluss drauf was man denkt" stimmt?

Das Ergebnis basiert auf 11 Abstimmungen

Denke schon dass die Aussage stimmt 73%
Denke eher die Aussage stimmt NICHT 27%

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Denke schon dass die Aussage stimmt

Einen Einfluss gibt es schon, ich denke nur, dass der Einfluss begrenzt ist und nicht in jeder Situation gelten muss. Man kann auch das Denken in seiner Erstsprache anpassen, man ist nicht auf Gedeih und Verderb einer gewissen Denkweise ausgeliefert. Man nennt dies die "Sapir-Whorf-Hypothese".

Es gibt sowohl Befunde, die dafür sprechen als auch Befunde, die dagegen sprechen.

Sprachen liefern oft verschiedene Assoziationen, zum Beispiel von Verben mit bestimmten Vorgängen, die ganz anders sind als der eigentlich zu beschreibende Vorgang. In der schwedischen Sprache sagt man "katterna spinner" = die Katzen schnurren, wörtlich übersetzt heißt es "die Katzen spinnen", also bedienen ein Spinnrad (spinnrock). Ein Spinnrad, mit dem man früher Wollfäden gesponnen hat, macht nämlich auch dieses schnurrende Geräusch.

D.h. schwedische Kinder haben wohl eher die Assoziation einer Katze, die vor einem Spinnrad sitzt, im Gehirn als Kinder, die mit der deutschen Sprache aufgewachsen sind. Dieser Gedanke ist mir früher auch noch nie gekommen (erst, als ich mich mit der schwedischen Sprache vertraut gemacht hatte).

Katzen miauen und schnurren bei uns, in Schweden "jammern" sie und "spinnen".
Katterna jamar och spinner. Hunde bellen dort nicht, sie "schelten". Alles Wörter, die wir auch kennen, aber in anderen Zusammenhängen nutzen. Der Gedanke ist: das Bellen gilt jemandem, über den sich der Hund beschwert.

In der englischen Sprache heißt die Pflanze Fingerhut foxglove, also Fuchshandschuh, auch eine nette Assoziation, die auf den Fuchs verweist.

Manche Assoziationen gelten fast weltweit. So ist die rechte Seite fast überall auch die gute, die richtige Seite. Bei uns (rechte Hand, die "Rechte" des Bürgers, richtig und rechts hängen zusammen ...), im Lateinischen (statuens in parte dextra), sogar im Arabischen und Hebräischen (benjamin = Sohn des Südens, oder Sohn der rechten Hand, denn der Süden (jamin, jemen) liegt dort rechts, man blickt gen Osten, gen Sonnenaufgang). Auch im Finnischen ist das so (oikealle = nach rechts, oikeudet = die Rechte, z.B. kaupunginoikeudet, die Stadtrechte).

Von Saudi-Arabien (z.B. Mekka) aus gesehen liegt der Jemen im Süden, und Jemen ist auch das Wort für Süden. Der östliche Teil von Malaysia heißt Sabah, und das heißt auch "Morgen", denn im Osten geht die Sonne auf.

Auch unser Wort "Ostern" hat mit dem Sonnenaufgang und dem Osten zu tun. Die Auferstehung von Jesus wird damit verglichen (sieht man auf mittelalterlichen Gemälden, Jesus als aufgehende Sonne). Die linke Seite war dagegen negativ konnotiert. Eine linke Bazille, jemand ist "gelinkt" worden, jemand ist "linkisch" usw.

Man weiß, dass Spanier eine gute Brücke eher mit maskulinen Begriffen in Verbindung bringen (stark, stabil usw.), aber Deutsche halten eine gute Brücke eher für grazil, elegant, schön usw. wir sagen "die Brücke", aber Spanier "el puente" (das Wort ist im Spanischen männlich).

Was gegen die Hypothese spricht, ist unsere Lern- und Anpassungsfähigkeit. Wir können nicht nur Fremdsprachen erlernen, wir können auch die Denkweise unserer Muttersprache hinterfragen und uns entsprechend anpassen.

Denke schon dass die Aussage stimmt

Ja, stimmt auf jeden Fall!

Das merkt man z.B. daran, dass es für bestimmte Sachverhalte in einigen Sprachen/Kulturen kein einziges Wort gib, dafür in anderen Sprachen/Kulturen aber gleich mehrere. Es zeigt u.a. wie wichtig oder weniger wichtig bestimme Sachverhalte in der bestimmten Kultur sind. Die Kultur prägt das eigene Denken. Man lernt mithilfe von Sprache (was gesagt wird, wie es gesagt wird, was nicht gesagt wird, was aufgeschrieben und weitergegeben wird usw.), was in dieser Kultur, im Leben, im Umgang mit anderen Menschen relevant ist und was nicht.

Denke schon dass die Aussage stimmt

Bei Fremdsprachen fällt mir nur der begrenzte Wortschatz und das damit verbundene Verständnis ein.

"Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt."

Worte sind oft historisch bedingt, emotional behaftet, und die Tatsache, dass man in einer anderen Sprache den Konsens hinter den Aussagen nicht immer versteht, kann ebenfalls dazu beitragen.

Denke schon dass die Aussage stimmt

Psychologisch hat die Sprache einen Einfluss, da sie auch kulturelle Einflüsse hat. Das alleine ist bereits einer der Gründe für die Debatte über Geschlechtsneutrale Formulierungen, weil unter anderem aus Studien hervorgegangen ist, dass vor allen Mädchen dazu tendieren Berufe, die den maskulinen Genus haben, seltener wählen.

uhyrius  21.02.2024, 12:05

Und darum ist die Türkei in Sachen Gleichberechtigung so vorbildlich, weil es auf Türkisch überhaupt kein grammatisches Geschlecht gibt.

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Takumi2007  21.02.2024, 12:19
@uhyrius

Das Problem haben viele Sprachen nicht. Und in Sachen Gleichberechtigung hat die Türkei ganz andere Probleme.

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uhyrius  21.02.2024, 13:21
@Takumi2007

Und warum gibt es in der Türkei nicht mehr Gleichberechtigung, wo doch die Sprache so super genderneutral ist?? Und das ist ja auch nicht nur diese Sprache, es gibt vielmehr auch bei anderen Sprachen keinerlei Zusammenhang mit dem Stand der Gleichberechtigung in den entsprechenden Ländern und der Struktur der Sprache.

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Takumi2007  21.02.2024, 13:27
@uhyrius

Weil Gleichberechtigung nicht alleine von der Sprache abhängig ist.

Die Aussage war auch nicht, dass die Deutsche Sprache zu einem Ungleichgewicht führt, sondern nur, dass das ein Phänomen ist, das man beobachten kann, wo die Sprache definitiv eine Auswirkung auf Denkprozesse hat. Es ist lediglich ein Beispiel und dient nicht als Basis für eine Diskussion zu einem hier nicht relevanten Thema.

Das gilt auch für andere Bereiche, wie die Verwendung von verschiedenen Zeitformen zum Beispiel.

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